Notenwender

Notenwender
Ein Klaviertrio mit Notenwender (hinten links)

Ein Notenwender, (Noten-)Umblätterer oder Seitenumblätterer, sarkastisch auch „Blattlaus“, ist ein Assistent eines Musikers. Seine Aufgabe besteht darin, die Notenblätter gemäß dem Ablauf der gespielten Musik rechtzeitig und rasch um eine Seite umzublättern.

Inhaltsverzeichnis

Tätigkeit

Der Grund für das Notenwenden durch eine zweite Person ist, dass der Musiker keine Hand zum Umblättern frei hat und es sonst zu einer Unterbrechung kommen würde. Üblich sind Notenwender beim Spielen auf Tasteninstrumenten, da die Notation in zwei Systemen häufige Seitenwechsel erfordert und der Musiker beide Hände an der Tastatur und damit weit vom Notenpult entfernt braucht. Der Notenwender sitzt dabei im Konzert stets vom Publikum abgewandt, das heißt zwischen dem Musiker und der Hinterbühne. Notenwender stehen aus praktischen Gründen zum Umblättern auf.

Häufig sind Notenwender dabei besonders in Gattungen, in denen eine auswendige Darbietung unüblich ist, vor allem in der Kammermusik. An der Orgel übernimmt der Registrant neben der Einrichtung der Register die Aufgabe des Notenwenders.

Alternativ kann der Musiker auswendig spielen oder selbst umblättern. Im Notensatz werden Noten nach Möglichkeit so eingerichtet, dass am Ende einer Seite eine Pause steht, während der der Musiker oder eben der Notenwender umblättern kann, insbesondere bei Orchesterstimmen. Je schneller das Tempo eines Musikstückes ist und je weniger Pausen es enthält, umso mehr wird ein Notenwender benötigt.

Ein Notenwender benötigt fortgeschrittene Musikkenntnisse, da er stets die gespielte Musik mit den Noten vergleichen, den Ablauf (zum Beispiel Wiederholungen) kennen und kurze Signale des Musikers verstehen können muss, um so rechtzeitig die Seite umblättern zu können. Notenwender sind jedoch in aller Regel keine studierten Berufsmusiker. Sie sind in aller Regel auch nicht fest an einem Konzerthaus oder bei einem Konzertveranstalter angestellt, sondern nebenberuflich auf Honorarbasis tätig. Oft handelt es sich um Freunde oder Bekannte des Instrumentalisten, die dies als Gefälligkeit tun. Im professionellen Musikbetrieb sind für das Notenwenden feste Honorarsätze vorgesehen.[1]

Bekannte Beispiele und künstlerische Rezeption

Ignaz von Seyfried hatte als Notenwender bei der Uraufführung des dritten Klavierkonzerts Ludwig van Beethovens Schwierigkeiten, da Beethovens Noten nur aus „fast lauter leere[n] Blätter[n]“ und „mir rein unverständliche[n] egyptische[n] Hieroglyphen“ bestanden.[2][3] In Charles Ives’ zweiter Sonate für Violine und Klavier muss der Notenwender für beide Musiker umblättern und spielt am Ende des Satzes In the Barn selbst auf den tiefen Tasten des Klaviers mit.[4] In der Parodie Liebeslieder Polkas für Chor und Klavier fünfhändig von P. D. Q. Bach (alias Peter Schickele) sind dem Notenwender, der sich um die beiden Hauptpianisten herum bewegt, zusätzlich zum Blättern kleine pianistische Aufgaben zugedacht.[5]

Der Film Das Mädchen, das die Seiten umblättert handelt von einer Pianistin und ihrer Notenwenderin. Bei dem Violinisten und Dirigenten Aleksey Igudesman wird das Notenwenden gelegentlich satirisch eingesetzt.

In Folge 114 der Krimiserie SOKO Leipzig steht eine Notenwenderin im Mittelpunkt der Handlung.

Mechanisierung

Im 19. Jahrhundert gab es Versuche, die Noten mittels technischer Apparate umzublättern.[6][7] Einen weiteren mechanischen Notenwender brachten 2003 zwei Düsseldorfer Jungunternehmer auf den Markt.[8]

Für den seltenen Fall, dass die Noten auf einem Bildschirm angezeigt werden, gibt es spezielle Computerprogramme, die die angezeigte Seite automatisch wechseln oder über ein Pedal gesteuert werden. Eine solche Technik verwendeten die Bamberger Symphoniker seit dem Jahr 2000, schafften sie aber bald darauf wieder ab.[9]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Beispiel Hörfunk: WDR: 52,96 € pro Sitzung; Honorarrahmen des WDR von 2009; BR: 45,11 € pro Sitzung; BR-Honorarrahmen Hörfunk gültig ab 1. April 2010.
  2. Alexander Wheelock Thayer: Ludwig van Beethovens Leben. 2. Band. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1910, S. 370 (Digitalisierter Volltext von 10. Kapitel. Das Jahr 1802 bei Zeno.org).
  3. Die Freiheit eines Grenzgängers. In: Berner Zeitung vom 18. März 2010.
  4. „Die Rache des Notenwenders“ - eine Cluster-Legende? In: Herbert Henck: Klaviercluster: Geschichte, Theorie und Praxis einer Klanggestalt. LIT Verlag, Münster 2004, ISBN 3-8258-7560-1, S. 57 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche). Das Autograf ist jedoch unklar.
  5. “By adding a third person at the piano P.D.Q. [Bach] not only expanded the range of the accompaniment, but he also made sure that there was always one hand free for turning pages. Or, to look at it another way, he made life much more interesting for the page-turner.” Program Notes. In: P. D. Q. Bach: Liebeslieder Polkas (S. \begin{smallmatrix} 2 \\ 4 \end{smallmatrix}). Theodore Presser, Bryn Mawr 1981.
  6. Noten, Notendruck, Notenpult, Notenwender.. In: Ernst Ludwig Schubarth: Repertorium der technischen Literatur, die Jahre 1823 bis einschl. 1853 umfassend. Felix, Berlin 1856, S. 623 (Volltext in der Google Buchsuche).
  7. Mechanischer Notenwender. In: Euterpe, 6. Jahrgang, Erfurt 1846, Nr. 3, S. 46 (Volltext in der Google Buchsuche).
  8. Das Blatt hat sich gewendet. welt-online.de, 16. März 2003, abgerufen 18. Februar 2011.
  9. Bamberger Symphoniker. Laptops lösen Notenhefte ab. Spiegel Online, 14. Februar 2000.

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