Pauline Kneissler

Pauline Kneissler

Pauline Kneissler (* 10. März 1900 in Kurdjunowka (Ukraine); † unbekannt) war als Krankenschwester in mehreren Anstalten zur Zeit des Nationalsozialismus an Tötungen im Rahmen der Aktion T4 beteiligt.[1]S.733

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft und Ausbildung

Pauline Kneissler war die Tochter eines wohlhabenden deutschen Gutsbesitzers in der Ukraine, der 1918 mit seiner Familie nach Deutschland floh, als die Bolschewiki im Russischen Bürgerkrieg in Odessa die Macht übernahmen. Er erwarb ein kleines Gut in Detmold (Westfalen), den er aber in der Wirtschaftskrise wieder aufgeben musste. Er konnte bei der Eisenbahn unterkommen, Tochter Pauline verdingte sich als Näherin. [2]S.205 1922 schloss sie in Duisburg eine Krankenschwesterausbildung mit Examen ab und war ab 1923 in Berlin als Privatpflegerin und ab 1925 in der Kinderheilanstalt Berlin-Buch tätig. Noch im gleichen Jahr wechselte sie zur HPA (Heil- und Pflegeanstalt) Berlin-Buch.[1]S.733

NSDAP und NS-Organisationen

Pauline Kneissler trat 1937 (als 37-jährige) in die NSDAP ein [3]S.144, war jedoch bereits 1934 Mitglied in der evangelischen NS-Kirchenorganisation und bekleidete kleinere Führungsrollen in verschiednene NS-Frauen-Organisationen. Sie kam zu der Überzeugung, dass die Kirche im Widerspruch zu den Naturgesetzen stand. All dies machte sie mit den Argumenten der T4-Ideologie vertraut und bereitete sie auf die späteren unbarmherzigen Mordtaten in deren Namen vor. [2]S.205

Aktion T4

Ende der 1930er Jahre tauchte Kneissler im Zusammenhang mit der Aktion T4 in NS-Tötungsanstalten auf, so Ende 1939/Anfang 1940 in Grafeneck und ab Ende 1940 in Hadamar. Anfang 1942 nahm sie am "T4"-"Osteinsatz" teil, anschließend wirkte sie in der LHA (Landesheilanstalt) Weilmünster und in Bernburg und nach Abordnung von "T4" ab August 1942 wieder in der LHA Hadamar.

Pauline Kneissler war auch Pflegerin in der Anstalt Eichberg[4].

1944 schied sie in Hadamar aus und arbeitete in Eberswalde weiter. Ab 15. April 1944 war sie in der Anstalt Kaufbeuren/Irsee tätig.[5]

Ehrungen

Am 22. Dezember 1942 erhielt sie die Medaille für deutsche Volkspflege und am 20. Januar 1943 die Ostmedaille.

Festnahme und Verurteilung

Pauline Kneissler wurde kurz nach dem Kriegsende im Juni 1945 an ihrem neuen Tätigkeitsort, dem Lazarett Hohenschwangau festgenommen. Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte sie am 28. Januar 1948 im sogenannten Schwesternprozess für die von ihr verübten NS-Euthanasie-Tötungen in den NS-Tötungsanstalten Hadamar und Grafeneck sowie in Kaufbeuren und zuletzt ab April 1944 in Irsee zu vier Jahren Zuchthaus wegen Beihilfe zum Mord. Das Schwurgericht begründete das niedrige Strafmaß damit, dass in erster Linie nicht die Taten selbst, sondern der verbrecherische Wille zähle. Weil Kneissler den eigenen Willen dem verbrecherischen Willen anderer untergeordnet habe, sei sie lediglich als Gehilfin zu verurteilen.[5]S. 309f. Im Revisionsverfahren verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt sie am 20. Oktober 1948 wegen Mordes und Beihilfe unter Bestätigung des Strafmaßes.[1]

Literatur

  • Michael von Cranach, Hans-Ludwig Siemen (Hrsg.): Psychiatrie im Nationalsozialismus. Die Bayerischen Heil- und Pflegeanstalten zwischen 1933 und 1945. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1999, ISBN 3-486-56371-8. (Aufsatzsammlung: S. 265–325: Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren, S. 475–486: Ernst Lossa: Eine Krankengeschichte)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c siehe Weblink Biografische Daten über Pauline Kneissler in Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) S.691-788
  2. a b siehe Literatur Michael Mann: The dark side of democracy
  3. siehe Literatur Götz Aly: Aussonderung und Tod
  4. siehe Weblink Informationen über Pauline Kneissler beim Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) S.511-690
  5. a b siehe Literatur Michael von Cranach, Hans-Ludwig Siemen (Hrsg.): Psychiatrie im Nationalsozialismus. Die Bayerischen Heil- und Pflegeanstalten zwischen 1933 und 1945

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