Provisionsabgabeverbot

Provisionsabgabeverbot

Das Provisionsabgabeverbot für Versicherungen („Provisionsabgabeverbot“) ist eine Verordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf Basis des Versicherungsaufsichtgesetzes (VAG). Sie untersagt Anbietern und Vermittlern bestimmter Versicherungen, Versicherungsnehmer für den Abschluss eines Versicherungsproduktes zu vergüten. Mit Erlass des Provisionsabgabeverbots Anordnung vom 8.3.1934 für die Lebensversicherung sowie vom 5.6.1934 für die Krankenversicherung hat das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung das Ziel verfolgt, einen Missstand für die Versichertengemeinschaft zu vermeiden. Der Missstand wird auch heute noch darin gesehen, dass Versicherungsvermittler durch Provisionsabgaben an Versicherungsnehmer veranlasst werden, immer höhere Provisionsforderungen zu stellen. Dies könnte zur Folge haben, dass das allgemeine Prämienniveau steigt. Für die Schadenversicherung siehe Verordnung über das Verbot von Sondervergütungen und Begünstigungsverträgen in der Schadenversicherung vom 17.8.1982 (BGBl I S.1243; VerBAV 1982 S.456) diese umfasst auch die Kredit und Kautionsversicherung, Unfall sowie die Rechtsschutzversicherung. Die Anordnungen aus dem Jahr 1934 sind nach wie vor rechtswirksam und gelten uneingeschränkt nunmehr wie die Verordnung von 1982 als Bundesrecht fort. Die Vereinbarkeit dieses Verbots mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft hat der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 17. November 1993 (VerBAV 1994 S. 81 ff.) bestätigt.[1] Diese Bestimmung findet sich in den europäischen Nachbarländern nicht.

Am 24. Oktober 2011 wurde das Provisonsabgabeverbot vom Verwaltungsgericht Frankfurt in einem erstinstanzlichen Urteil in einem Einzelfall für zu unbestimmt erklärt.[2]


Inhaltsverzeichnis

Mögliche Sanktionen

Ein Verstoß gegen diese Verordnung ist eine Ordnungswidrigkeit und kann gemäß § 144a Abs. 1 Nr. 3 VAG mit einer Geldbuße bis zu 100.000 Euro geahndet werden. Zuständig für die Verfolgung dieser Ordnungswidrigkeit ist gemäß (§ 36 OWiG in Verbindung mit § 145a VAG) die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Relevanz für den Verbraucher

Das unscheinbar wirkende Provisionsabgabeverbot bedeutet de facto, dass – anders als in den meisten anderen Branchen – auf die Vertriebsspanne zum Verbraucher keine Rabatte gewährt werden dürfen. Es schränkt damit ein wesentliches Element des freien Wettbewerbs ein und schützt Produktmargen auf Anbieter- und Vermittlerseite.

Hintergrund

Provisionen im Versicherungsvertrieb

Ein Vermittler einer Versicherung, wie z.B. ein Versicherungsmakler nach § 34d GewO, erhält von der Versicherung üblicherweise eine Provision für seine Tätigkeit als Vermittler. Diese Provision kann beim Abschluss von Altersvorsorgeverträgen oder Krankenvollversicherungen einmalig mehrere Tausend Euro betragen.[3]

Bei Sachversicherungen wird die Provision i.d.R. jährlich als Prozentsatz des Beitrags bezahlt und ist für den Vermittler wegen der geringen Beiträge finanziell weniger interessant.

Historie der Verordnung

Das Provisionsabgabeverbot basiert ursprünglich auf einer Verordnung von 1934 des BaFin-Vorgängers ("Anordnung des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherungen vom 8. März 1934 betreffend Lebensversicherungen").

Damals wurde das Verbot damit begründet, dass der Vermittler eine auskömmliche Provision braucht, um den Kunden gut zu beraten und um einer „Preisfeilscherei“ vorzubeugen.

Kritik am Provisionsabgabeverbot

Hauptkritikpunkte am Provisionsabgabeverbot bestehen (I) in der den Wettbewerb einschränkenden Wirkung und (II) in der Stützung der provisionsbasierten Steuerung des Finanzberaters. (I) Durch den Wegfall von Rabattoptionen hat der Versicherungsvermittler wenig Möglichkeiten über flexible Preisgestaltung Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Damit wird auf der finalen Vertriebsstufe die Preisfindung über Angebot und Nachfrage stark eingeschränkt. (II) Durch den Provisionsschutz wird das eigentlich verbraucherfreundlichere Vertriebsprinzip der Honorarberatung gehemmt. Bei der Honorarberatung erfolgt die Vergütung des Versicherungsvermittlers über ein produktunabhängiges Beratungshonorar. Damit wird die Beratung nicht mehr durch den monetären Aspekt der Provision beeinflusst.[4]

Verbraucherschützer fordern schon seit geraumer Zeit die Förderung des honorarbasierten Versicherungsvertriebs und eine direkte Abschaffung des Provisionsabgabeverbots.[5] Auch die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner schließt sich der Kritik in wesentlichen Punkten an.[6]

Auch das Bundeskartellamt hält das geltende Verbot für rechtswidrig. Die Behörde ist der Auffassung, dass das Verbot der Rückvergütung gegen Europarecht verstößt[7].

Legale Alternative: das Tippgeber-Modell

Eine legale Möglichkeit für Vermittler, etwas von ihrer Vermittlungsprovision abzugeben, ist das sogenannte Tippgeber-Modell. Jeder Vermittler kann einem Kontaktvermittler, der ihm einen Interessenten namhaft macht, einen Teil seiner Provision für die Vermittlung des Kunden abgeben. Tippgeber können auch Verwandte oder Freunde des Kunden sein.[8] Proaktiv wird diese Möglichkeit bislang selten angeboten, weil es den Vertriebsertrag unmittelbar schmälert und mangels Bekanntheit kaum auf Verbraucherseite nachgefragt wird. Einige Internetportale bieten diesen Service inzwischen an.

Einzelnachweise

  1. EuGH, Urteil vom 17. 11. 1993 - C-2/91 (Lexetius.com/1993,20 [2003/6/109]
  2. Verwaltungsgericht Frankfurt, Pressemitteilung vom 24. Oktober 2011
  3. Mehr zum Thema Provisionen
  4. Thesenpapier des Verbunds Deutscher Honorarberater
  5. Haltung des VZBV zum Provisionsabgabeverbot
  6. Studie des BMELV zur Vermittlung von Finanzprodukten
  7. FTD: Kartellamt will Provisionsabgabe erlauben, abgerufen am 23. April 2011
  8. Rechtliche Definition des Tippgebers, abgerufen am 23. April 2011

Literatur

  • Winter, Das Provisionsabgabeverbot in der Lebensversicherung – Grenzen und zivilrechtliche Auswirkungen, VersR 2002, 1055-1066.

Weblinks

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