Pädophilenbewegung

Pädophilenbewegung

Seit den 1950er Jahren existieren weltweit Gruppierungen, die sich für die Rechte von Menschen mit einer pädophilen Sexualpräferenz einsetzen und zum Teil eine Aufhebung der Schutzaltersgrenzen und Legalisierung pädosexueller Kontakte anstreben. Genossen diese Gruppen in ihrer Entstehung noch Unterstützung aus dem links-alternativen politischen Spektrum und gab es Verbindungen zur homosexuellen Emanzipationsbewegung, wurden diese Gruppierungen in den 1980er und 1990er Jahren weitgehend isoliert und lösten sich zum größten Teil auf.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zum ersten Zusammenschluss pädophiler Männer kam es in den 1950er Jahren in Den Haag mit dem sog. Enclave-Kreis. In ihm hatten sich Männer verschiedener Nationalitäten mit einer sexuellen Präferenz für Kinder zusammengeschlossen und vertrieben u. a. Bücher und Broschüren, die sich mit dem Thema Pädophile befassten.[2] 1970 entstanden zuerst in Rotterdam, später auch in anderen Städten und Ländern Zusammenschlüsse pädophiler Männer, die öffentlich für die Legalisierung pädosexueller Kontakte eintraten. In den folgenden Jahren entstanden u. a. in den USA die North American Man/Boy Love Association (N.A.M.B.L.A.), in Frankreich die Group de Recherche pour Enfance Differente (G.R.E.D.) und in Großbritannien die Pedophile Information Exchange (PIE).[3]

In Deutschland entstand 1979 die Deutsche Studien- und Arbeitsgemeinschaft Pädophilie e. V. (D.S.A.P.), welche in den 1980ern expandierte, mehrere Regionalgruppen gründete und eine eigene Zeitschrift herausbrachte. 2003 löste sie sich auf. Bereits seit 1976 existierte die Indianerkommune, zunächst in Heidelberg, später in Nürnberg ansässig, als "Kinderrechtsinitiative", die auch für pädosexuelle Beziehungen eintrat. Eng mit ihr verbunden war die in den 1980er Jahren entstandene Frauen - und Mädchengruppe Kanalratten. In den 1990er Jahren gründeten sich die AG-Pädo und die Gruppe Krumme 13. Die AG Pädo wurde 1991 als Arbeitsgruppe des Bundesverband für Homosexualität (BVH) gegründet und verstand sich als Forum und Vernetzung der dazu bereiten Pädo-, Selbsthilfe- und Emanzipationsgruppen. Nach Selbstauflösung des BVH war sie ab 1997 eine Fachgruppe der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität (AHS).[3] Ausgelöst durch Recherchen des Journalisten Manfred Karremann gab es ab Oktober 2003 Ermittlungen gegen Mitglieder der Münchner Gruppe, und es wurden auch die Räume des Bildungswerks der Humanistischen Union durchsucht in denen sich die Gruppe traf. Begründet wurde dies mit dem Verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung.[4] In seinem Beschluss vom 18.10.2004 kam das Bayerischen Oberste Landesgericht zum Ergebnis, dass keine strafbare Handlungen vorlagen. Die Haftbefehle gegen Mitglieder der Gruppe wurden daraufhin aufgehoben.[5] Im Rahmen einer späteren Verfassungsbeschwerde, rügte das Bundesverfassungsgericht die Vorinstanzen, da bei Begründung des Haftbefehls "gezielt" keine bereits vorher vorliegende Ermittlungsergebnisse berücksichtigt worden seien, die den Verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung als nicht zutreffend dargelegt hätten.[6] Im November 2004 wurde die Gruppe von der Mitgliederversammlung der AHS formal aufgelöst, bestand eine Zeit lang getrennt weiter und wurde dann inaktiv. Die Gruppe Krumme 13 entstand 1993 zunächst zur Selbsthilfe für Pädophile und trat etwa seit 2001 auch öffentlich mit dem Anspruch hervor, über diese Form der Sexualität aufzuklären. Sie setzte sich für die Legalisierung von Sexualkontakten Erwachsener mit Kindern und Minderjährigen ein. Nach zunehmenden Protesten gegen sie löste sich die Gruppe 2003 auf.

Die Mehrheit dieser Gruppierungen bestand aus Pädophilen, deren Sexualität auf Jungen ausgerichtet war,[1][7] mit Ausnahme der Kanalratten, die sich für die Legalisierung pädosexueller Kontakte zwischen Mädchen und Frauen aussprachen.[1][8]

Seit Ende der 70er Jahre existieren in zahlreichen deutschen Städten Selbsthilfegruppen für Pädophile. Von Kritikern wurden diesen in der Vergangenheit wiederholt vorgeworfen, die Folgen sexuellen Missbrauchs zu verharmlosen und ihre Treffen zum Austausch kinderpornographischer Medien zu nutzen.[9]

In den letzten Jahren entstanden eine Reihe von Diskussionsforen über Pädophilie im Internet, die das Medium zur Selbstdarstellung, als politisches Diskussionsforum und zur Verbreitung vorteilhaft interpretierter, wissenschaftlicher Studien nutzen. In der Mehrheit dieser Foren wird ein pädosexualistisches Selbstverständnis vertreten und es werden einvernehmliche, pädosexuelle Kontakte als grundsätzlich möglich erachtet, teilweise spricht man sich aber auch explizit gegen jede Form sexueller Kontakte zu Kindern aus.[10] Daneben existieren weitere Internetseiten, die sich primär als Informationsquelle zum Thema Pädophilie verstehen und wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema Pädophilie zugänglich machen möchten. Da auf diesen Seiten in der Regel auch Schriften veröffentlicht werden, die von einer grundsätzlichen Möglichkeit unschädlicher pädosexueller Kontakte ausgehen, stehen diese Seiten ebenfalls in der Kritik.

Von 2004 bis 2006 existierte mit der Online-Initiative „Verantwortung für Kinder“ erstmals ein Projekt, in dem Pädophile sich zu ihrer Neigung bekannten, pädosexuelle Kontakte aber grundsätzlich ablehnten. Ziele waren es eine Anlaufstelle für Pädophile zu schaffen, die sich der ethischen Problematik ihrer Neigungen bewusst waren und Aufklärungsarbeit zu leisten.[11][12]

Theorien

Ein Teil der Pädophilen strebt eine Legalisierung pädosexueller Kontakte an, die heutzutage als sexueller Missbrauch von Kindern in den meisten Ländern unter Strafe stehen. Theoretisch begründen sie dies mit einer Reihe an Forschungen vor allem der 70er und 80er Jahre in denen Teile der Sexualwissenschaft davon ausgingen, dass einvernehmliche sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen unschädlich sein können.

Einige Sexualwissenschaftler haben sich nicht ausschließlich negativ zur Pädophilie geäußert. So hatten sich der ehemalige Professor für Soziologie an der Universität Bremen, Rüdiger Lautmann, in seinem Buch „Die Lust am Kind – Portrait des Pädophilen“ [13] und der im Jahr 2008 verstorbene Sexualwissenschaftler Helmut Kentler, zu pädosexuellen Kontakten und Pädophilen positioniert. Kentler schrieb: "Ich habe ... in der überwiegenden Mehrheit die Erfahrung gemacht, dass sich päderastische Verhältnisse sehr positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Jungen auswirken können, vor allem dann, wenn der Päderast ein regelrechter Mentor des Jungen ist."[14] Die Psychologen Frits Bernard[15] und Ernest Bornemann[16] vertraten die Ansicht, dass physisch wie psychisch gewaltfreie Sexualhandlungen keine negativen Folgeschäden für das Kind bedeuten würden. Solche würden nicht durch das zumeist als harmlos oder sogar lustvoll erlebte Geschehen selbst ausgelöst, sondern durch die nachträgliche Dramatisierung durch das soziale Umfeld. Bornemann: "Die ernsteste Gefahr, der Kinder beim Geschlechtsverkehr ausgesetzt sind, ist nicht der Geschlechtsverkehr selber, sondern die Panik der Erwachsenen und die Peinlichkeit eines Gerichtsverfahrens." [17] Ähnliche Ansichten vertrat der niederländische Sozialpsychologe Theo Sandfort, der anhand einer im Auftrag des Soziologischen Instituts der Reichsuniversität Utrecht erstellten Langzeitstudie versuchte, die Unschädlichkeit pädosexueller Kontakte nachzuweisen.[18]

Diese Schriften und daraus abgeleitete politische Forderungen nach einer Senkung der Schutzaltersgrenzen bzw. einer generellen Legalisierung pädosexueller Kontakte wurden von verschiedenen Gruppierungen verbreitet und in zahlreichen Foren im Internet diskutiert. In den Niederlanden existiert seit 2006 die Partij voor Naastenliefde, Vrijheid en Diversiteit, die für eine Senkung der gesetzlichen Schutzaltersgrenze auf 12 Jahre eintritt, wie sie bereits von 1985 bis 2002 in den Niederlanden in Kraft war.

Von der Sexualwissenschaft werden diese Theorien heutzutage überwiegend abgelehnt[19][20][21] und den Vertretern eine Verharmlosung der Schäden vorgeworfen, die pädosexuelle Kontakte für die betroffenen Kinder haben können.

Die Psychologen der Berliner Charité schlugen vor, diese Theorien und ihre Vertreter unter dem Begriff Pädosexualismus zusammenzufassen.[12]

Äußerungen, die von einer Unschädlichkeit pädosexueller Kontakte ausgehen, sind in Deutschland durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und strafrechtlich nicht relevant. Seit einigen Jahren gibt es allerdings Bestrebungen, durch entsprechende Gesetzesänderungen ein Verbot der Verbreitung pädosexualistischer Texte zu erreichen.[22][23] In Belgien besteht ein entsprechendes Verbot bereits seit 1986.

Einzelnachweise

  1. a b c Florian Mildenberger Beispiel: Peter Schult: Pädophilie im öffentlichen Diskurs. Männerschwarm, Hamburg 2006. ISBN 3-935596-40-5
  2. Frits Bernard in Angelo Leopardi – Der pädosexuelle Komplex, Berlin/Frankfurt a.M.,1988 S. 313–323
  3. a b Claudia Bundschuh: Pädosexualität. Leske + Budrich, Opladen 2001. ISBN 3-8100-2930-0
  4. Kleine Freunde, Gigi Nr. 29, Januar/Februar 2004
  5. Beschluss BayObLG vom 29. März 2006; vgl. auch zu diesem Prozess: BVerfG, Beschluss vom 31.10.2005, Az: 2 BvR 2233/04
  6. Beschluss BayObLG vom 18. Oktober 2004, Az: 6 St ObWs 001/04.
  7. Pädophilie zwischen Dämonisierung und Verharmlosung, Sophinette Becker im Werkblatt – Zeitschrift für Psychoanalyse und Gesellschaftskritik Nr. 38, 1/1997: 5–21
  8. Horst Vogt: Pädophilie. Leipziger Studie zur gesellschaftlichen und psychischen Situation pädophiler Männer. Pabst Science Publishers, Lengerich (u.a.) 2006. ISBN 978-3-89967-323-4
  9. Manfred Karremann Es geschieht am helllichten Tag: die verborgene Welt der Pädophilen und wie wir unsere Kinder vor Missbrauch schützen. DuMont, Köln 2007 ISBN 978-3-8321-8040-9
  10. Website paedophilie.info
  11. Website schicksal-und-herausforderung.de
  12. a b Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. (2005): „Das Spektrum der Sexualstörungen und ihre Klassifizierbarkeit in DSM-IV und ICD-10.“, Sexuologie 12 (3/4)
  13. Rüdiger Lautmann, Die Lust am Kind. Portrait des Pädophilen, Ingrid Klein Verlag, Hamburg 1994, ISBN 3-89521-015-3.
  14. Helmut Kentler, Täterinnen und Täter beim sexuellen Mißbrauch von Jungen, in: Rutschky, Katharina und Reinhardt Wolff (Hrsg.), Handbuch sexueller Mißbrauch, Klein, Hamburg, 1999, S. 208.
  15. Bernard, Frits (1982): Kinderschänder? Pädophilie, Foerster Verlag, Berlin, ISBN 3-922257-41-0
  16. Bornemann, Ernest (1985): Das Geschlechtsleben des Kindes - Beiträge zur Kinderanalyse und Sexualpädologie, Urban & Schwarzenbek, München/Wien/Baltimore, ISBN 3-541-14191-3 (2. Auflage 1988 im Deutschen Taschenbuch Verlag, München)
  17. Ernest Bornemann: Ullstein Enzyklopädie der Sexualität, 1990, ISBN 3-550-06447-0, S.586f
  18. Theo Sandfort: Pädophile Erlebnisse: Aus einer Untersuchung der Reichsuniversität Utrecht über Sexualität in pädophilen Beziehungen. Gerd J. Holtzmeyer Verlag, Braunschweig 1986, ISBN 3-923722-17-6
  19. David Finkelhor Child Sexual Abuse: New Theory and Research ISBN 978-0-02-910020-2
  20. Martin Dannecker in Sexuelle Störungen und ihre Behandlung hg. von Volkmar Sigusch Thieme 2007, ISBN 978-3-13-103944-6
  21. Gunter Schmidt: „Über die Tragik pädophiler Männer“, Zeitschrift für Sexualforschung Nr.2/99, S.133-139
  22. http://www.onlinepetitionen.de/projekt.php
  23. Informationen zur Petition des Vereins Schotterblume http://www.schotterblume.de/index.php?navid=81

Siehe auch


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