Reform des UN-Sicherheitsrats

Reform des UN-Sicherheitsrats
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Seit vielen Jahren wird in Politik und Politikwissenschaft über eine Reform des UN-Sicherheitsrats im Rahmen der Reform der Vereinten Nationen diskutiert. In der Debatte lassen sich fünf Themenbereiche eingrenzen: Kategorien der Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat, die Frage der Vetorechts der fünf permanenten Mitglieder des Sicherheitsrats (P5), die Ausgewogenheit der regionalen Repräsentation, die Größe und Arbeitsweise des reformierten Sicherheitsrats und das Verhältnis des Sicherheitsrats zur UN-Generalversammlung.

Eine Reform des UN-Sicherheitsrats nach Art. 108 der UN-Charta benötigt eine Zweidrittelmehrheit der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in der Generalversammlung. Damit eine solche Reform in Kraft treten kann, muss sie anschließend außerdem von zwei Dritteln der UN-Mitgliedsstaaten und den P5 ratifiziert werden. Die Blockademöglichkeit der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats erschwert die Reform des Sicherheitsrats in besonderer Weise.

Inhaltsverzeichnis

Reformen des Sicherheitsrats in der Vergangenheit

Zwischen 1946 und der ersten Reform des UN-Sicherheitsrats hatte das Gremium 11 Sitze, davon fünf ständige. Da sich im Rahmen des Dekolonisationsprozesses in den ersten zwanzig Jahren ihrer Existenz die Zahl der UN-Mitglieder mehr als verdoppelte, wurden die Stimmen nach einer Vergrößerung des UN-Sicherheitsrats und einer gleichmäßigeren geografischen Verteilung der Sitze schon in den sechziger Jahren laut. Die Bewegung der Blockfreien Staaten bekam im Jahr 1963 eine Mehrheit in der Generalversammlung für eine Erweiterung des Sicherheitsrats. Bei Enthaltung Großbritanniens und der USA und gegen die Stimmen Frankreichs und der UdSSR wurde Resolution 1991 mit übergroßer Mehrheit angenommen.[1] Schließlich ratifizierten aber nicht nur mehr als zwei Drittel der UN-Mitglieder, sondern auch die fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat die Resolution, sodass die Erweiterung des Sicherheitsrats erfolgreich war.

Reformvorschläge nach dem Ost-West-Konflikt

Eine neue Debatte über die Reform des UN-Sicherheitsrats entbrannte nach dem Ende des Ost-West-Konflikts vor dem Hintergrund der irakischen Invasion in Kuwait im August 1990. Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates gab der US-amerikanisch geführten Koalition zur Befreiung Kuwaits das Recht alle nötigen Mittel einzusetzen, um die irakische Armee zurückzudrängen. Mit diesem ersten durch den Sicherheitsrat initiierten Peacebuilding-Einsatz mehrten sich auch die Stimmen, die eine Reform des Gremiums forderten. Im Dezember 1992 forderten Indien und Japan in der Generalversammlung den Generalsekretär der Vereinten Nationen dazu auf, Vorschläge für eine Reform des Sicherheitsrats zu machen.[2]

Nachdem ein Großteil der Mitglieder der Vereinten Nationen Vorschläge zur Reform des Sicherheitsrats eingereicht hatten, setzte die Generalversammlung die Open ended working group on the question of equitable representation on and increase in the membership of the Security Council and other matters related to the Security Council ein. Damit hatte sich die Reform des Sicherheitsrats in den Vereinten Nationen institutionalisiert.

Commission on Global Governance

Die Commission on Global Governance machte in ihrem 1995 vorgelegten und kontrovers diskutierten Bericht Our Global Neighbourhood auch Vorschläge zur Reform des UN-Sicherheitsrats. Die Kommission benannte den schlechten Repräsentationsgrad des Sicherheitsrats als Problem, welches zu einer Legitimationskrise des wichtigsten UN-Organs führe. Der Vorschlag der Kommission sieht acht neue Sitze, darunter bis zu fünf ständige Sitze ohne Vetorecht, vor. Der Bericht mahnt eine ausgewogene regionale Repräsentation und die Berücksichtigung der weltweit größten Volkswirtschaften an. Die Verteilung der nichtständigen Sitze bleibt bei dem Vorschlag der Commission on Global Governance unklar.

Razali-Plan

Hauptartikel: Razali-Plan

Im März 1997, die Open ended working group hatte bereits drei Jahre lang existiert, legte der malaysische Diplomat Razali Ismail einen Vorschlag für eine Reform des Sicherheitsrats vor, von dem er hoffte, er sei mehrheitsfähig. Er sah für Deutschland, Japan, ein afrikanisches, asiatisches und lateinamerikanisches Land je einen neuen ständigen Sitz ohne Vetorecht vor. Die Zahl der nicht ständigen Sitze sollte von bislang 10 auf 14 erhöht werden, mit je einem neuen Sitz für Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa. Eine Mehrheit für Razalis Vorschlag zeichnete sich jedoch nicht ab.

Modelle des High-level-Panel on Threats, Challenges and Change

Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 stellte sich auf neue Weise die Frage, wie mithilfe des Sicherheitsrats kollektive Sicherheit gewährleistet werden kann. UN-Generalsekretär Kofi Annan setzte deshalb im Jahr 2003 das High-level Panel of eminent personalities ein, welches unter anderem Vorschläge zur Reform der Vereinten Nationen machen sollte. Da man sich innerhalb des Panels nicht einigen konnte, wurden zwei verschiedene Vorschläge zur Reform des Sicherheitsrats vorgelegt. Beide Modelle sehen eine Erweiterung des Sicherheitsrats auf 24 Mitglieder vor. Modell A sieht sechs neue ständige Sitze ohne Vetorecht vor, während Modell B vorsieht, keine weiteren ständigen Sitze einzurichten und stattdessen acht der neun neuen Sitze als quasi-permamente Sitze auszugestalten, die für vier Jahre besetzt werden und bei denen eine unmittelbare Kandidatur möglich ist.

Vorschlag der G4

Im Juli 2005 machten die G4-Staaten Brasilien, Deutschland, Indien und Japan, die alle spätestens seit Mitte der neunziger Jahre als potentielle Kandidaten für einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat gehandelt werden, einen Vorschlag zur Reform des Sicherheitsrats. Ebenso, wie der Razali-Plan sieht er sechs neue ständige Sitze ohne Vetorecht vor, vier davon für die G4-Staaten und zwei für afrikanische Länder. Die Anzahl nichtständiger Sitze soll um vier erhöht werden, sodass der Sicherheitsrats nach diesem Modell insgesamt 25 Mitglieder umfassen würde.

Uniting for Consensus

Hauptartikel: Uniting for Consensus

Unter der Führung Italiens trat kurz nach der Vorstellung des G4-Modells eine Gruppe von Staaten unter dem Namen Uniting for Consensus in Erscheinung. In der Gruppe sind Staaten vereint, die mit der Kandidatur neuer ständiger Mitglieder im Sicherheitsrat ihre Rolle im internationalen System bedroht sehen. Deren Vorschlag lehnt die Einrichtung neuer ständiger Sitze im Sicherheitsrat ab und plädiert stattdessen für die Schaffung zehn neuer nichtständiger Sitze und für die Wiederwahlmöglichkeit bei den dann zwanzig nichtständigen Sitzen.

Vorschlag der Afrikanischen Union

Die afrikanischen Staaten als zweitgrößte Regionalgruppe der Vereinten Nationen brachten 2005 ebenfalls einen eigenen Vorschlag in die Debatte ein. Dieser fordert bei einer neuen Größe des Sicherheitsrats von 26 Sitzen sechs neue ständige Sitze mit Vetorecht, je zwei für Afrika und Asien und einen für Westeuropa und Lateinamerika. Da die Schaffung neuer ständiger Sitze mit Vetorecht aber insbesondere von den P5 abgelehnt wird, hat dieser Vorschlag von vorn herein keine Chance auf Umsetzung.[3]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Resolution 1991 der UN-Generalversammlung vom 17. Dezember 1963
  2. Resolution A/Res/47/62 der UN-Generalversammlung vom 11. Dezember 1992
  3. Tilman-Ulrich Pietz: Zwischen Interessen und Illusionen. Die deutsche Außenpolitik und die Reform des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Marburg 2007, S. 36.

Weblinks


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