Riociguat

Riociguat
Strukturformel
Struktur von Riociguat
Allgemeines
Freiname Riociguat
Andere Namen
  • IUPAC: Methyl-N-[4,6-Diamino-2-[1-[(2-fluorphenyl)methyl]-1H-pyrazolo[3,4-b]pyridin-3-yl]-5-pyrimidinyl]-N-methyl-carbaminat
Summenformel C20H19F1N8O2
CAS-Nummer 625115-55-1
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

sGC-Stimulatoren

Wirkmechanismus

Stimulation der löslichen Guanylatzyklase

Eigenschaften
Molare Masse 422,415 g·mol−1
Sicherheitshinweise
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
keine Einstufung verfügbar
R- und S-Sätze R: siehe oben
S: siehe oben
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Riociguat (BAY 63-2521) ist ein neuer Arzneistoff, welcher zurzeit von Bayer Schering Pharma klinisch entwickelt wird. Riociguat ist ein Stimulator der löslichen Guanylatzyklase (sGC), ein wichtiges Enzym im Stickstoffmonoxid-Signalweg. Im Moment wird in klinischen Studien der Phase III untersucht, ob Riociguat als neues Medikament zur Behandlung von zwei Formen der pulmonalen Hypertonie, der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie, sowie der pulmonalarteriellen Hypertonie (PAH), eingesetzt werden kann.[2]

Inhaltsverzeichnis

Entdeckung und Entwicklung

Der erste Stickstoffmonoxid-unabhängige, Häm-abhängige Guanylatzyklase-Stimulator YC-1, ein synthetisches Benzylindazolderivat, wurde im Jahr 1978 beschrieben.[3] Die pharmakologische Charakterisierung dieses Stoffes 20 Jahre später zeigte, dass YC-1 nicht nur die Aktivität der löslichen Guanylatzyklase erhöhte, sondern auch mit NO synergistisch die Guanylatzyklase stimulierte. YC-1 war jedoch ein relativ schwacher Vasodilator und zeigte auch Nebenwirkungen. Deshalb begann man mit der Suche nach anderen potenteren und spezifischeren Guanylatzyklase-Stimulatoren aus der Klasse der Indazol-Wirkstoffe. Die Suche mündete in der Identifizierung von BAY 41-2272 und BAY 41-8543.[4] Beide Komponenten wurden in verschiedenen präklinischen Studien an diversen Tiermodellen getestet. Die Resultate zeigten eine Verbesserung der systemischen arteriellen Sauerstoffversorgung. Um das pharmakologische und pharmakokinetische Profil zu optimieren, wurden 1000 weitere Komponenten getestet, was schließlich zur Entdeckung von Riociguat führte.[5][6] Das Medikament reduzierte im Tiermodell effektiv die pulmonale Hypertonie, sowie reduzierte die krankheitsbedingte Hypertrophie des rechten Herzens und weitere strukturelle Veränderungen der Ventrikel.

Chemie und Wirkungsweise

Stickstoffmonoxid (NO) fungiert als Signalmolekül in Zellen der glatten Muskulatur, um die Blutgefäßerweiterung auszulösen. In Patienten mit pulmonaler arterieller Hypertonie (PAH) ist das Enzym NO-Synthase, das die NO-Produktion bedingt, nur reduziert vorhanden. Als Resultat findet man bei diesen Patienten geringere Konzentrationen an zellulär produziertem NO und eine Vasokontriktion. NO bindet als Signalmolekül an das Enzym lösliche Guanylatzyklase (sGC) und induziert so die Produktion des sekundären Signalmoleküls (second Messenger), cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP). Das synthetisierte cGMP aktiviert die cGMP-abhängige Proteinkinase (Proteinkinase G), welche die zytosolische Calciumionenkonzentration reguliert. Die Änderung des Calciumspiegels in der Zelle verursacht über die Veränderung der Aktin-Myosin-Kontraktion dann die Blutgefäßerweiterung. Bei Vorliegen einer PAH ist dieser Weg gestört, da nicht genügend NO zur Verfügung steht oder es ungenügend wirkt. Im Gegensatz zu NO, oder häm-unabhängigen sGC Aktivatoren, z.B. Cinaciguat, wirkt Riociguat als direkter sGC-Stimulator unabhängig von NO.[7] Des Weiteren wirkt Riociguat synergistisch zu NO und erzielt anti-aggregatorische, anti-proliferative, und vasodilatorische Effekte.[8][9]

Pharmakologie

Riociguat erhöht in Konzentrationen zwischen 0,1 und 100 mmol die Aktivität des Enzyms sGC um das bis zu 73-fache. Außerdem wirkt Riociguat in Synergie mit dem NO-Donor-Komplex Diethylamin/NO und kann die sGC-Aktivität in vitro bis zum 112-fachen steigern.[10] Eine klinische Phase I Studie zeigte, dass Riociguat schnell vom Körper absorbiert wird und dass die maximale Plasmakonzentration nach ca. 0,5–1,5 Stunden erreicht ist.[11] Die durchschnittliche Eliminationshalbwertzeit liegt zwischen 5 und 10 Stunden.[11] Riociguat-Plasmakonzentrationen können relativ variabel in verschiedenen Patienten sein, weshalb die Dosis zum Therapiebeginn individuell auf den Patienten abgestimmt wird (Titration).

Klinische Studien

Verschiedene klinische Studien werden zurzeit durchgeführt um diverse Aspekte von Riociguat zu untersuchen.[12]

Phase-I-Studien

Zunächst wurde das Sicherheitsprofil, sowie die pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften des Arzneistoffes nach Gabe von einzelnen oralen Riociguat-Dosen von 0,25–5 mg bestimmt. In einer randomisierten, plazebo-kontrollierten Studie nahmen 58 gesunde männliche Personen Riociguat in Form einer oralen Lösung, oder Tabletten ein. Die niedrige Initialdosis wurde dann schrittweise erhöht. Behandelte Personen vertrugen Riociguat gut bis zu einer Dosis von 2,5 mg.[11]

Phase-II-Studien

Die erste Studie zur Bestätigung des Wirkungskonzepts von Riociguat in Patienten mit PAH wurde im Lungen-Zentrum der Universität Gießen durchgeführt. Dazu wurde bei neunzehn Patienten die Sicherheit, Verträglichkeit, sowie pharmakokinetische Eigenschaften und Parameter evaluiert.[8] Das Medikament wurde gut vertragen und war im Vergleich zu NO länger wirksam und effizienter. Eine unverblindete, nicht-kontrollierte klinische Phase II Studie mit 75 erwachsenen Patienten (42 Patienten mit chronisch-thromboembolischer pulmonaler Hypertonie (CTEPH) und 33 Patienten mit PAH, alle zugeordnet zu den Weltgesundheitsorganisation (WHO) Funktionellen Klassen II oder III) untersuchte und evaluierte die Sicherheit und Verträglichkeit von Riociguat, sowie die Effekte des Medikaments auf Hämodynamik, die Belastungskapazität und die Einstufung der Patienten in die jeweilige Funktionelle Klasse. Dazu wurde über einen Zeitraum von 12 Wochen Riociguat dreimal täglich verabreicht. Die Dosis wurde in 2-Wochen-Intervallen von dreimal täglich 1mg auf dreimal täglich 2,5mg angehoben. Riociguat hatte ein vorteilhaftes Sicherheitsprofil und verbesserte signifikant die körperliche Belastungsfähigkeit. Des Weiteren wurden hämodynamische Parameter, wie zum Beispiel Lungengefäßwiderstand, das Herzzeitvolumen und der arterielle Druck in den Lungenarterien im Vergleich zu den Ausgangswerten der Patienten signifikant verbessert.[13] Eine weitere klinische Phase II Studie wurde bei Patienten durchgeführt, die an anderen Formen der pulmonalen Hypertonie erkrankt sind, z.B. PH mit interstitieller Lungenkrankheit (PH-ILD).[14] PH-ILD ist eine besondere Ausprägung der PH, für die es derzeit keine zugelassene Behandlung gibt. Die Studie mit PH-ILD Patienten wurde im Dezember 2009 erfolgreich abgeschlossen, und die Sicherheit sowie Wirksamkeit von Riociguat bei PH-ILD Patienten konnte gezeigt werden.[15]

Phase-III-Studien

Die zurzeit laufenden klinischen Phase III Studien werden in vielen Zentren gleichzeitig durchgeführt. Die Studienprogramme beinhalten zwei große, randomisierte, doppelblinde, plazebo-kontrollierte Studien (CHEST-1 und PATENT-1), sowie deren Verlängerungsstudien (Extensionen) CHEST-2 und PATENT-2. Detaillierte Beschreibungen dieser Studien sind auf der National Institutes of Health(NIH) Webseite zu finden.[12]

CHEST

Der CHronic-thromboEmbolic pulmonary Hypertension sGC-Stimulator Trial (CHEST-1) ist eine randomisierte plazebo-kontrollierte Studie, welche die Wirksamkeit und Sicherheit von Riociguat bei Patienten mit CTEPH (chronisch-thromboembolischer pulmonaler Hypertonie) untersucht.[2] Nach einer 16-wöchigen Behandlung mit Riociguat wird die Belastungsfähigkeit durch den sogenannten 6-Minuten-Gehtest evaluiert.[16][17] Die Patienten, die CHEST-1 durchlaufen haben, können in der offenen Verlängerungsstudie CHEST-2 teilnehmen[18]

PATENT

Der Pulmonary Arterial HyperTENsion sGC-Stimulator Trial (PATENT-1) ist eine randomisierte, plazebo-kontrollierte Studie, die die Wirksamkeit und die Sicherheit von Riociguat in Patienten mit PAH untersucht.[2] Zu Behandlungsbeginn und am Ende einer 12-wöchigen Riociguat-Behandlung wird die körperliche Belastungsfähigkeit mittels der 6-Minuten-Gehstrecke evaluiert.[19] Die Verlängerung dieser Studie namens PATENT-2 wird den Patienten nach Abschluss von PATENT-1 angeboten.[20] Auch diese Studie läuft zur Zeit.

Weitere Studien

Effekte von Riociguat auf den Knochenmetabolismus

Diese randomisierte, doppelblinde, plazebo-kontrollierte klinische Phase I Studie untersucht den Effekt einer Riociguat-Behandlung auf den Knochenmetabolismus. Dabei wird den Patienten über 14 Tage zweimal täglich 2,5 mg Riociguat in Form von Tabletten verabreicht.[21] Die Erfassung der Daten soll bis Ende 2009 abgeschlossen sein.

Interaktionsstudie mit Sildenafil

Diese Studie untersucht die Sicherheit, Verträglichkeit und pharmakokinetische, sowie pulmonale und systemische hämodynamische Parameter einer einzelnen Dosis von 0,5 mg bzw. 1 mg Riociguat bei Patienten, die dauerhaft mit Sildenafil (20 mg zweimal täglich) behandelt werden.[22] Die Studie wurde im August 2009 beendet, jedoch stehen die Resultate noch aus.

Siehe auch

  • Cinaciguat, ein sGC Aktivator (nicht sGC Stimulator).
  • PDE-5-Hemmer reduzieren die Degradation von zyklischem GMP.

Einzelnachweise

  1. In Bezug auf ihre Gefährlichkeit wurde die Substanz von der EU noch nicht eingestuft, eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  2. a b c Background Riociguat. Bayer HealthCare. Abgerufen am 15. Dezember 2009.
  3. Yoshina S, Tanaka A, Kuo SC: Studies on heterocyclic compounds. XXXVI. Synthesis of furo[3,2-c]pyrazole derivatives. (4) Synthesis of 1,3-diphenylfuro[3,2-c]pyrazole-5-carboxaldehyde and its derivatives (author's transl). In: Yakugaku Zasshi. 98, Nr. 3, März 1978, S. 272–9. PMID 650406.
  4. Stasch JP, Becker EM, Alonso-Alija C, et al.: NO-independent regulatory site on soluble guanylate cyclase. In: Nature. 410, Nr. 6825, März 2001, S. 212–5. doi:10.1038/35065611. PMID 11242081.
  5. Evgenov OV, Pacher P, Schmidt PM, Haskó G, Schmidt HH, Stasch JP: NO-independent stimulators and activators of soluble guanylate cyclase: discovery and therapeutic potential. In: Nature Reviews. Drug Discovery. 5, Nr. 9, September 2006, S. 755–68. doi:10.1038/nrd2038. PMID 16955067. Volltext bei PMC: 2225477.
  6. Mittendorf J, Weigand S, Alonso-Alija C, et al.: Discovery of riociguat (BAY 63-2521): a potent, oral stimulator of soluble guanylate cyclase for the treatment of pulmonary hypertension. In: Chemmedchem. 4, Nr. 5, Mai 2009, S. 853–65. doi:10.1002/cmdc.200900014. PMID 19263460.
  7. Evgenov OV, Pacher P, Schmidt PM, Haskó G, Schmidt HH, Stasch JP: NO-independent stimulators and activators of soluble guanylate cyclase: discovery and therapeutic potential. In: Nature Reviews. Drug Discovery. 5, Nr. 9, September 2006, S. 755–68. doi:10.1038/nrd2038. PMID 16955067. Volltext bei PMC: 2225477.
  8. a b Grimminger F, Weimann G, Frey R, et al.: First acute haemodynamic study of soluble guanylate cyclase stimulator riociguat in pulmonary hypertension. In: The European Respiratory Journal. 33, Nr. 4, April 2009, S. 785–92. doi:10.1183/09031936.00039808. PMID 19129292.
  9. Stasch JP, Hobbs AJ: NO-independent, haem-dependent soluble guanylate cyclase stimulators. In: Handbook of Experimental Pharmacology. 191, Nr. 191, 2009, S. 277–308. doi:10.1007/978-3-540-68964-5_13. PMID 19089334.
  10. Schermuly RT, Stasch JP, Pullamsetti SS, et al.: Expression and function of soluble guanylate cyclase in pulmonary arterial hypertension. In: The European Respiratory Journal. 32, Nr. 4, Oktober 2008, S. 881–91. doi:10.1183/09031936.00114407. PMID 18550612.
  11. a b c Frey R, Mück W, Unger S, Artmeier-Brandt U, Weimann G, Wensing G: Pharmacokinetics, pharmacodynamics, tolerability, and safety of the soluble guanylate cyclase activator cinaciguat (BAY 58-2667) in healthy male volunteers. In: Journal of Clinical Pharmacology. 48, Nr. 12, Dezember 2008, S. 1400–10. doi:10.1177/0091270008322906. PMID 18779378.
  12. a b ClinicalTrials.gov: Riociguat.
  13. ATS International conference. American Thoracic Society (2009). Abgerufen am 3. Februar 2011.
  14. ClinicalTrials.gov: Impact of Multiple Doses of BAY 63-2521 on Safety, Tolerability, Pharmacokinetics and Pharmacodynamics in Patients With Interstitial Lung Disease (ILD) Associated Pulmonary Hypertension
  15. Bayer: Klinisches Studienprogramm mit Riociguat bei pulmonaler Hypertonie kommt gut voran, 10. Dezember 2009.
  16. Der 6-Minuten-Gehtest: Eine kostengünstige Alternative zur Spiroergometrie bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz?, in: Zeitschrift für Kardiologie, 2000, 89(2), S. 72–80, doi:10.1007/s003920050012.
  17. ClinicalTrials.gov: A Study to Evaluate Efficacy and Safety of Oral BAY63-2521 in Patients With CTEPH.
  18. ClinicalTrials.gov: BAY63-2521 - Long-term Extension Study in Patients With Chronic Thromboembolic Pulmonary Hypertension.
  19. ClinicalTrials.gov: A Study to Evaluate Efficacy and Safety of Oral BAY63-2521 in Patients With Pulmonary Arterial Hypertension (PAH).
  20. ClinicalTrials.gov: BAY63-2521: Long-term Extension Study in Patients With Pulmonary Arterial Hypertension.
  21. ClinicalTrials.gov: Effect of Riociguat on Bone Metabolism.
  22. ClinicalTrials.gov: Interaction Study in Patients With Pulmonary Hypertension and Stable Treatment of Sildenafil 20 mg TID.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Pulmonary hypertension — Pulmonary arterial hypertension Classification and external resources The pulmonary artery receives blood (blue arrow) from the right ventricle of the heart; increased pressure on the artery can impair the function of the right ventricle ICD …   Wikipedia

  • Pulmonale Hypertonie — Klassifikation nach ICD 10 I27 Sonstige pulmonale Herzkrankheiten I27.0 Primäre pulmonale Hypertonie …   Deutsch Wikipedia

  • Cinaciguat — Systematic (IUPAC) name 4 ({(4 carboxybutyl)[2 (2 {[4 (2 phenylethyl) phenyl]methoxy}phenyl)ethyl]amino}methyl) benzoic acid Clinical data …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”