Ruth von der Leyen

Ruth von der Leyen

Ruth von der Leyen (* 4. Januar 1888 in Charlottenburg; † 10. Juli 1935 in Berlin) war eine Reformerin der Psychopathenfürsorge in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Ruth Ida entstammte der Familie von der Leyen, die in Krefeld die Seidenindustrie begründete. Sie war das jüngste Kind des preußischen Wirklichen Geheimen Oberregierungsrats und Honorarprofessors für Eisenbahnrecht an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität Alfred Friedrich von der Leyen[1] und dessen Ehefrau Luise Isabella, geb. Kapp. Bildung, Musikpflege, Theaterbesuche und Reisen standen im Mittelpunkt des Familienlebens. Sie wurde von Privatlehrern unterrichtet und besuchte ein vornehmes Mädchenpensionat. Eigentlich wollte sie Opern-, Lied-, Oratorien- und Konzertsängerin werden. Während ihrer siebenjährigen musikalischen Ausbildung entdeckte sie ihre Neigung für die soziale Hilfsarbeit und betätigte sich in Berlin in den Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit. Von 1912 bis 1913 absolvierte sie die Soziale Frauenschule, welche von Alice Salomon geleitet und ins Leben gerufen wurde.

Als ausgebildete Wohlfahrtpflegerin arbeitete sie in der Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge, geleitet von Frieda Duensing. Dort wurde ihr in Personalunion mit Elsa von Liszt die Abteilung Jugendgerichtshilfe übertragen.

Unter ihrer Mitwirkung und in enger Zusammenarbeit mit dem Psychiater Franz Max Albert Kramer wurde 1918 der Deutsche Verein zur Fürsorge für jugendliche Psychopathen gegründet, dem sie als Geschäftsführerin vorstand, wie auch ab 1921, bis zu ihrem Tod, der Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge. Zusätzlich übernahm Ruth von der Leyen 1923, nach dem Tod von Johannes Trüper, die Redaktion der renommierten Zeitschrift für Kinderforschung. Ferner unterrichtete sie noch Psychiatrie an ihrer einstigen sozialen Ausbildungsstätte.

In den 1920er Jahren gründete sie das Erholungsheim Kinderkaten in Niehagen an der Ostsee, das vor allem erholungsbedürftige psychopathische Kinder aufnahm, die durch Schule und Großstadt angegriffen waren und daher in ihren Leistungen nachließen sowie der häuslichen Erziehung Schwierigkeiten bereiteten (Dötsch 1998, S. 87).

Ruth von der Leyen war rege in Schrift und Wort innerhalb der Psychophatenfürsoge tätig. Sie plädierte für die Eingliederung der Psychopathenerziehung in den größeren Rahmen der Heilpädagogik (Leyen 1931, S. 668) und forderte für die jugendlichen Psychopathen u.a. Heilpädagogische Erziehungsheime, Heilpädagogische Spielnachmittage, Beobachtungsstationen in psychiatrischen Kliniken sowie eine Heilpädagogische Erholungsfürsorge[2].

Die Wohlfahrtspflegerin hielt viele Vorträge in ganz Deutschland und forderte zu einer engen Zusammenarbeit der verschiedenen Fachdisziplinen innerhalb der Psychopathenfürsorge auf:

Ruth von der Leyen war damals in Deutschland eine Anregerin im großen Stil, der es als wissenschaftlicher Autodidaktin durch ihre leidenschaftlichen Interessen, ihre Unermüdlichkeit und Überzeugungskraft gelang, Universitätsprofessoren, darunter namhafte Ärzte, insbesondere Psychiater, Strafrechtler, Vormundschafts- und Jugendrichter, Mitglieder des 'Allgemeinen Fürsorgeerziehungstages' (AFET) und der 'Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Gerichtshilfe' zu ihren Bundesgenossen zu machen (Siegel 1981, S. 37).

Ruth von der Leyen schied freiwillig aus dem Leben. Über den Grund ihres Suizids gibt es keine gesicherten Hinweise. Neueste Recherchen sprechen von einer Depression, unter der Ruth von der Leyen jahrelang litt sowie von einer unglücklichen (nicht erwiderten) Liebe[3].

Werke

  • Schutzaufsichtüber psychophatische Kinder, Langensalza 1927
  • Die Berufsschwachen und Gefährdeten, in: Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht (Hrsg.): Die Volksschülerin, Berlin 1927, S. 167-177
  • Psychopathenerziehung und Heilpädagogische Anstalten, in: Nohl, H./Pallat, L. (Hrsg.): Handbuch der Pädagogik, Band 5, Sozialpädagogik, Langensalza 1929, S. 149-164
  • Eingliederung der Fürsorge für jugendliche Psychopathen in Jugendrecht und Erziehung, in: Zeitschrift für Kinderforschung, Berlin 1931, Bd. 38

Literatur

  • Manfred Berger: Leyen, Ruth Ida von der, in: Hugo Maier (Hrsg.): Who is who der Sozialen Arbeit, Freiburg/Br. 1999, S. 360-361
  • Manfred Berger: Ruth von der Leyen - Ihr Leben und Wirken, in: info Berufsverband de Heilpädagogen e. V. 2000/H. 4, S. 11-13
  • Manfred Berger: Ausgewählte WegbereiterInnen der Heilpädagogik, in: Unsere Jugend, 2000/H. 9, S. 365-376
  • Elisabeth Dötsch: Ruth von der Leyen. Ein Leben für die Psychopathenfürsorge, Dortmund 1998 (unveröffentlichte Diplomarbeit)
  • Fritz Gartz: Ruth von der Leyen - Ihr Leben und Wirken. Ein Beitrag zur Geschichte der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Deutschland der Weimarer Republik, München 2008 (unveröffentlichte Diplomarbeit)
  • Elisabeth Siegel: Dafür und dagegen. Ein Leben für die Sozialpädagogik, Stuttgart 1981

Weblinks

Einzelnachweis

  1. http://www.sammlungen.hu-berlin.de/dokumente/18695/
  2. vgl. Dötsch 1998, S. 24-122
  3. vgl. Gartz 2008, S. 198

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