Scuderi-Motor

Scuderi-Motor
Scuderi-Motor

Der Scuderi-Motor ist ein Viertakt-Verbrennungsmotor mit räumlich getrennten Taktzyklen. Die vier Arbeitsschritte Ansaugen, Verdichten, Verbrennen und Ausstoßen werden auf zwei Zylinder verteilt, die für ihre jeweiligen Aufgaben konstruktiv optimiert sind. Die vier Takte der zwei Zylinder werden mit einer Kurbelwellenumdrehung ausgeführt.

Der Motor wurde nach seinem Erfinder Carmelo J. Scuderi (1925-2002) benannt. Das globale Patentportfolio der Scuderi Group weist mehr als 476 Patentanmeldungen auf. In 50 Ländern wurden bislang bereits 154 Patente erteilt.

Inhaltsverzeichnis

Technik

Die Arbeitstakte im Scuderi-Motor sind konstruktiv auf jeweils ein Zylinderpaar verteilt. Sie sind für ihre spezifischen Aufgaben optimiert. Der erste Zylinder ist für Ansaugen und Verdichten zuständig und wird Verdichtungszylinder genannt. Durch einen Überleitungskanal gelangt die hoch komprimierte Luft mittels einer Ventilsteuerung in den zweiten Zylinder, der als Arbeitszylinder bezeichnet wird. Dort wird der Kraftstoff eingespritzt, nach dem oberen Totpunkt gezündet und das Abgas ausgestoßen. Da das Zylinderpaar im Gleichtakt arbeitet, vollendet der Scuderi-Motor einen kompletten Arbeitszyklus während nur einer Kurbelwellenumdrehung. Herkömmliche Viertakt-Motoren benötigen mit einem Zylinder zwei Umdrehungen, um einen Arbeitszyklus zu vollenden. Der Druck im Verdichtungszylinder und Überleitungskanal liegt im aktuellen Prototyp bei über 50 bar (725 psi). Luft mit derart hohem Druck sorgt beim Eintritt in den Arbeitszylinder für große Verwirbelungen. Die Verwirbelung wird noch weiter erhöht, indem die Ventile während der Verbrennung so lange wie möglich offen gehalten werden. Dies führt zu einer sehr schnellen Vergasung des Kraftstoffs, was eine hohe Flamm- bzw. Verbrennungsgeschwindigkeit bewirkt. Nach Angaben der Scuderi Group ist es dadurch möglich, nach dem oberen Totpunkt zu zünden und damit eine besonders effiziente und saubere Verbrennung zu erzielen. Die Kombination aus hohem Anfangsdruck und hoher Flammgeschwindigkeit ermöglicht einen Verbrennungsbeginn zwischen 11 und 15 Grad nach dem oberen Totpunkt und ein Ende bei 23 Grad nach der Zündung. Das Resultat ist nach Informationen der Scuderi Group ein Saug-Motor mit geringerem Verbrauch, geringeren Emissionen, besserem Wirkungsgrad, einem höheren Drehmoment und höherer Leistung.

Anfang Juli 2009 teilte das Unternehmen mit, dass der Scuderi-Motor erste Tests bestanden habe. Mittlerweile zeigt der Prototyp eine konsistente Verbrennung. Besondere Bedeutung für die Stabilität des Motorlaufs und seiner Emissionen kommt dem sogenannten COV-Wert zu. COV steht für „coefficient of variability" (Variabilitäts- oder auch Streuungskoeffizient). Der Streuungskoeffizient gibt an, wie groß die Abweichungen zwischen den einzelnen Verbrennungstakten sind. Er ist ein Mittelwert zahlreicher hintereinander liegender Verbrennungszyklen und drückt die Gleichmäßigkeit des Motorlaufs aus. Je kleiner der Wert, desto höher der Wirkungsgrad und desto besser und vollkommener ist der Verbrennungsprozess. Die vom renommierten Southwest Research Institute in San Antonio, Texas, durchgeführten Prototypentests bei Teillast und geringer Drehzahl (weniger als 2 bar und 700 min-1 bis 4 bar und max. 1.600 min-1) haben gezeigt, dass sich ein Streuungskoeffizient von lediglich 1,4 Prozent erzielen lässt, wenn man einen der beiden Überleitungskanäle deaktiviert. Bei herkömmlichen Ottomotoren liegt dieser Wert in der Regel zwischen 2,5 und 4,0 Prozent. Damit wird auch eine weitere Verbesserung des Wirkungsgrads erzielt.

In einer nächsten Ausbaustufe wird der Scuderi-Motor mit einem Turbolader ausgestattet, der zu einer weiteren Steigerung von Drehmoment und Wirkungsgrad führen soll. Der Druck im Verdichtungszylinder und Überleitungskanal wird nach Berechnungen der Scuderi-Entwicklungsingenieure auf über 130 bar (1.885 psi) steigen. Mit der Ergänzung eines Druckluftspeichers kann der Scuderi-Motor zu einem Druckluft-Hybrid-Motor ausgebaut werden. Unterschiedliche Motorsteuerungskonzepte wie eine Motorabschaltung im Leerlauf, ein Fahren ausschließlich mit Druckluft sowie regeneratives Bremsen sollen den Motor noch effizienter machen.

Scuderi Group

Seit 2001 entwickelt die Scuderi Group aus West Springfield Massachusetts, USA, mit zahlreichen Automobilzulieferern und dem unabhängigen Forschungsinstitut Southwest Research Institute, San Antonio, Texas, die Technologie des Motors mit geteilten Taktzyklen. Das Unternehmen hält mittlerweile über 476 Patente (Stand Januar 2011); 154 davon sind in über 50 Ländern eingetragen. Seit März 2008 hat die Scuderi Group die Forschung und Entwicklung des ersten Split-Cycle-Saugmotors zunächst aus eigenen Mitteln finanziert. Der 1-Liter-Prototyp mit zwei Zylinderpaaren wurde nach Firmenangaben im Januar 2009 fertiggestellt. Scuderi ist überzeugt, dass sowohl der Wirkungsgrad im Vergleich zu herkömmlichen Ottomotoren erhöht und der Ausstoß von Schadstoffen signifikant reduziert werden können. Bereits in der Basisversion des Saug-Motors ohne zusätzliche Aufladung kann unter Vollast mit einem 15-prozentigen Wirkungsgradvorteil gerechnet werden. Der Motor produziert potenziell bis zu 80 Prozent weniger Stickoxide als ein herkömmlicher Ottomotor.

14 der 20 größten Automobil- und Motorenhersteller prüfen derzeit die Konstruktion und es seien zahlreiche Vertraulichkeitsvereinbarungen unterzeichnet. Seitens der Automobilbranche fehlen aber offizielle Statements zu den Kontakten mit der Scuderi-Group. Die Scuderi-Technologie soll Herstellern weltweit die Chance bieten, in kurzer Zeit die zukünftigen internationalen Emissions- und Verbrauchsstandards zu erfüllen, ohne die bestehenden Produktionsprozesse tiefgreifend und kostenintensiv verändern zu müssen. Die Scuderi Group erwartet weitere Technologiefortschritte und Effizienzsteigerungen des Motors, wenn die Entwicklungsingenieure der Automobilhersteller weltweit mit dem Motor arbeiten und mit ihrem Know-how spezifische Modifikationen und Optimierungen vornehmen.

Der Prototyp wurde im April 2009 auf dem SAE World Congress in Detroit (Society of Automotive Engineers) vorgestellt.

Geschichte

Dipl.-Ing. Carmelo J. Scuderi war ein US-amerikanischer Erfinder, Konstrukteur und Ingenieur für Thermodynamik und Strömungslehre. Fast fünfzig Jahre lang beschäftigte er sich mit der Erfindung, Entwicklung, Erprobung und kommerziellen Nutzung neuer Technologien. Zeit seines Lebens war Carmelo J. Scuderi Entwicklungspartner für große Technologieunternehmen. 1992 entwickelte er eine Kompressortechnologie für den Einsatz in Kühlaggregaten. Diese Konstruktion ermöglichte erstmals den Verzicht auf Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) als Kältemittel. Sein ölfreier Kompressor wurde in nur sechs Monaten konstruiert und errang auf dem Markt für Klima- und Kältetechnik innerhalb kurzer Zeit einen Marktanteil von 70 Prozent. Heute ist Scuderis Technologie der Branchenstandard und wird weltweit in Kühlschränken bis hin zu großen Kühlhäusern eingesetzt.

Den größten Teil seines Lebens forschte Carmelo Scuderi über die Effizienzverluste des herkömmlichen Ottomotors. Von 1994 bis zu seinem plötzlichen Tod 2002 arbeitete er an der Optimierung des Verbrennungsmotors und widmete von 1998 an seine gesamte Zeit der Konstruktion des Scuderi-Motors mit geteiltem Taktzyklus. Scuderis Konstruktion wurde 2001 fertiggestellt. Mit der Hilfe seiner Kinder begann er, seine Erfindung zu patentieren, sich mit Laboratorien und Lizenzvergabeexperten in Verbindung zu setzen und bei Investoren Gelder einzuwerben, um diesen völlig neuen Verbrennungsmotor zu realisieren. Nach Angaben des Unternehmens wurden bis Juli 2009 bereits 35 Mio. US$ investiert.

Mögliche objektive Vorteile

Der Scuderi Motor mit Druckluftspeicher entspricht praktisch einem Kompressor-Motor mit geringer Ladeluftkühlung. Pro Zylindervolumen kann eine höhere Leistung als in herkömmlichen Zweitakt-Ottomotoren erreicht werden, da durch die Voraufladung mehr Luftmasse in den Verbrennungszylinder gelangen kann. Im Umkehrschluss könnte man somit bei gleicher Leistung den Hubraum und die Reibung verkleinern. Computersimulationen und Tests zeigen, dass der Scuderi-Motor als Saug-Benziner in einem Mittelklassewagen 25 Prozent weniger Treibstoff verbraucht als konventionelle Ottomotoren. Als Druckluft-Hybrid-Motor sogar 30 bis 36 Prozent weniger.[1]

Kritik

  • Praktisch kann jeder Ottomotor oder Dieselmotor nach dem oberen Totpunkt gezündet werden. Zündung nach OT ist aber immer ein Verlust an Wirkungsgrad (siehe Gleichraum- und Gleichdruckprozess).
  • Die Abgastemperatur kann steigen. Der Wirkungsgrad einer Wärmekraftmaschine wird durch die maximale Temperatur nach der Verbrennung (nach dem oberen Totpunkt) und die minimale Temperatur am Ende des Gasausdehnungs- oder Arbeitsprozesses (am unteren Totpunkt) bestimmt.
  • Der Arbeitszylinder wird thermisch höher belastet. Es können Probleme mit dem heißen Zylinder und der Temperaturspannung zwischen dem heissen und kalten Zylinder auftreten.
  • Die Luftüberleitungsrohre können erhebliche Strömungs- und Reibungsverluste erzeugen und damit die Voraufladung der Arbeitszylinder reduzieren.
  • Kompression und Dekompression von Luft als Energiespeicherungsvorgang erreicht nur geringe Wirkungsgrade und wären z. B. dem elektrischen Hybrid-System unterlegen. Es wird in Frage gestellt, ob der Druckluft-Hybrid mit der beschränkten Luftspeicherkapazität und den zusätzlichen Motorenteilen und den Verlusten in der Energiewandlung eine nennenswerte Effizienzsteigerung erreicht.

Die Scuderi Group gibt an, dass die technischen Bedenken entkräftet und die Probleme gelöst und die Zuverlässigkeit durch zahlreiche patentierte Entwicklungen sichergestellt seien.

Bisher sind jedoch keine namhaften Veröffentlichungen oder andere wissenschaftlich exakte und überprüfbare Aussagen zu diesem Motor bekannt.

Weblinks

Einzelnachweis

  1. FAZ vom 5. Februar 2011, RheinMainMarkt, Seite 9: Italo-Amerikaner als Sparwunder

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