Stefan Selke

Stefan Selke

Stefan Selke (* 6. Oktober 1967 in Rheinfelden/Baden als Stefan Guschker) ist Professor für Soziologie an der Fakultät Digitale Medien der Hochschule Furtwangen University im Schwarzwald. Als Buchautor und Publizist wurde Stefan Selke zum zentralen Kritiker der sogenannten „Tafelbewegung“ in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Von 1987 bis 1991 studierte Stefan Selke Luft- und Raumfahrttechnik in Aachen. Zwischen 1991 und 1992 lebte er in Bauru/São Paulo (Brasilien). Danach studierte er von 1993 bis 1998 Soziologie, Philosophie, Anthropo-Geografie und portugiesischsprachige Literatur an der Universität Bonn. Zeitgleich zu einer Tätigkeit als Trainee und Projektleiter beim infas Institut für Sozialwissenschaften GmbH promovierte Stefan Selke im Fach Soziologie an der Universität Bonn an der Schnittstelle von Wissenssoziologie, Biografieforschung, Kultursoziologie sowie Visueller Soziologie mit der Fallstudie Bilderwelt und Lebenswirklichkeit. Eine soziologische Studie über die Rolle privater Fotos für die Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens.

Von 2004 bis 2006 vertrat Stefan Selke den Lehrstuhl Soziologie an der Fachhochschule Villingen-Schwenningen (Hochschule der Polizei). Zwischen 2006 und 2008 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe sowie an der Universität Karlsruhe am Institut für Regionalwissenschaften. Seit 2008 ist Stefan Selke Professor mit dem Lehrgebiet Soziologie an der Hochschule Furtwangen University. Thematische Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in der Kultur- und Gesellschaftskritik, der Technik- und Innovationsanalyse, der Medienanthropologie, sowie in der qualitativen Methodologie (insbesondere visuelle und ethnografische Methoden).[1]

Wirken

Grundlage der Arbeit von Stefan Selke ist die Frage nach den Chancen und Risiken menschlicher, insbesondere menschenwürdiger Existenz unter den Bedingungen technologischen, medialen, kulturellen und gesellschaftlichen Wandels. Ein Arbeitsfeld von ihm ist der Bereich Human Digital Memory – das heißt, die Frage nach dem Implikationen der Auslagerung des menschlichen Erinnerungsvermögens und Gedächtnisses in informationstechnische Systeme. Ziel hierbei ist es, die individuellen, sozialen, ethischen sowie rechtlichen Folgen alltagstauglicher „Lifelogging-Systeme“ (experimentell und theoretisch) abzuschätzen. Vor dem Hintergrund des Paradigmas der „Postmedialität“ wird dabei davon ausgegangen, dass hochgradig effiziente digitale Erinnerungsmedien einerseits neue Erinnerungsmärkte und -kulturen erschaffen, gleichzeitig aber auch das menschliche Erinnerungsvermögen technisch überformen beziehungsweise abschaffen.[2]

Seit 2006 ist ein zentrales Arbeitsfeld von Stefan Selke die gesellschaftskritische Begleitung der Tafelbewegung in Deutschland. Im Sinne einer Kritik institutionalisierter Bewertungssysteme (im Sinne von Michel Foucault) analysiert er dabei heterogene Praxisformen von Lebensmittelausgaben, die Selbstbilder der Akteure (Helfer, Ehrenamtliche, Spender) sowie Rationalitätsmythen und Legitimationsfassaden der Tafelbewegung. Der dabei verfolgte transdisziplinäre Ansatz geht auf eine ethnografische Studie zurück, die Stefan Selke von 2006 bis 2007 bei einer Tafel in Baden-Württemberg durchführte. Die daraus hervorgegangene, erste gesellschaftskritische Sozialreportage über die Tafelbewegung, „Fast ganz unten“, löste einen umfassenden Diskurs über Seiteneffekte der Tafelbewegung aus. Dies führte zu einem Paradigmenwechsel in der öffentlichen Wahrnehmung der Tafeln sowie einer umfassenden Kritik an der privatisierten Sozialindustrie.

Im Kern kritisiert Selke die mangelnde soziale Nachhaltigkeit der bei Tafeln geleisteten Hilfe, die lediglich versorgt, nicht aber aktiviert. Er fordert, dass sich die Tafeln selbst in Frage stellen müssen, um dabei eine irreversible Verstetigung einer Armutsversorgung ohne strukturelle Armutsbekämpfung zu verhindern. Grundsätzlich vertritt er die Perspektive der Nutzer von Tafeln und vergleicht deren Bewertung des tatsächlichen Gebrauchswertes von Tafeln mit dem sozial erwünschten Gebrauchswert.[3][4][5]

Mitgliedschaften

  • seit 2010: Institut für angewandte Forschung (IAF) der Hochschule Furtwangen (Arbeitsbereich “Innovation & Gesellschaft”)
  • seit 2010: Forschungsgruppe „Tafel-Monitor“ (Transdisziplinäre Forschung zu Lebensmitteltafeln und existenzunterstützenden Angeboten) - zusammen mit Prof. Dr. Katja Maar (Hochschule Esslingen)
  • seit 2009: European Regiowiki Society und Stadtwiki-Gesellschaft zur Förderung regionalen Freien Wissens e.V.
  • seit 2008: KIT – Karlsruhe Institute of Technology
  • seit 2006: Netzwerk Technikfolgenabschätzung

Ausgewählte Schriften

Monografien und Sammelbände

  • 2010: Kritik der Tafeln in Deutschland: Standortbestimmungen zu einem ambivalenten sozialen Phänomen. VS Verlag: Wiesbaden.
  • 2009: Tafeln in Deutschland. Aspekte einer sozialen Bewegung zwischen Nahrungsmittelumverteilung und Armutsintervention. VS-Verlag: Wiesbaden.
  • 2008: Fast ganz unten. Wie man in Deutschland durch die Hilfe von Lebensmitteltafeln satt wird. Westfälisches Dampfboot: Münster, 2. Auflage 2009, ISBN 978-3-89691-754-6.
  • 2007: Bild – Raum – Interaktion. Angewandte empirische Wirkungsforschung. Ergebnisse interdisziplinärer Zusammenarbeit. Furtwangen (Herausgabe zusammen mit Daniel Fetzner).
  • 2005: Selling Politics. Bildinhalte und Bildwirkung der agenda 2010-Kampagne. Ergebnisse des Forschungsprojekts „selling politics“. Furtwangen (Herausgabe zusammen mit Daniel Fetzner)
  • 2002: Bilderwelt und Lebenswirklichkeit. Eine soziologische Studie über die Rolle privater Fotos für die Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens. Frankfurt a. M.: Lang.

Artikel

  • 2010: Die Existenzsicherung wird privatisiert. In: neue caritas. Politik. Praxis. Forschung, Heft 6, 17–19.
  • 2010: Tafeln zwischen Mythos und Wirklichkeit. Wie Ernährungsergänzungshilfen unsere Gesellschaft verändern. In: Forum Sozial, Heft 1, 14–17.
  • 2009: Es ist angerichtet: Tafeln in Deutschland. In: Telepolis, 11. Juli 2009.

Ausgewählte Medienbeiträge (zum Thema Tafeln)

  • 2010: Süddeutsche Zeitung: Wir müssen das schlechte Gewissen der Sozialpolitik sein (Streitgespräch mit Gerd Häuser)
  • 2009: Bayern 2: Was hilft den Armen wirklich?
  • 2009: HR 3: Rechte oder Almosen?
  • 2009: SWR 2: Wird der Sozialstaat privatisiert?
  • 2009: ARD (Anne Will): Ehrenamtlich gegen Armut – Machen Suppenküchen satt und bequem?

Weblinks

Quellen

  1. Webseite von Prof. Dr. Stefan Selke: Zur Person Stefan Selke
  2. Webseite von Prof. Dr. Stefan Selke: Forschungsfeld: Digitale Gedächtnisse
  3. Selke, Stefan (2009): Der dritte Weg. Lebensmitteltafeln zwischen Lob und Kritik. die gesellschafter
  4. Selke, Stefan (2009): Es ist angerichtet: Tafeln in Deutschland! Telepolis
  5. Online-Portal: Tafelforum

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