Südvorstadt (Pirna)

Südvorstadt (Pirna)
Südvorstadt
Stadt Pirna
Koordinaten: 50° 56′ N, 13° 57′ O50.93388888888913.949722222222133Koordinaten: 50° 56′ 2″ N, 13° 56′ 59″ O
Höhe: 133 m ü. NN
Fläche: 67 ha
Einwohner: 1.500 (2010)
Postleitzahl: 01796
Vorwahl: 03501

Die Südvorstadt ist ein Stadtteil von Pirna, der Kreisstadt des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Blick in die Franz-Schubert-Straße mit ihren Wohngebäuden aus den 1930er Jahren
Anlagen im Geibeltbad Pirna

Die Südvorstadt liegt im Tal der Gottleuba, dessen Talsohle etwa 400 Meter breit ist. Die Gottleuba fließt dort am orografisch linken Talrand, die Südvorstadt liegt an ihrem rechten Ufer und dehnt sich in Nord-Süd-Richtung mehr als zwei Kilometer weit aus. Westlich der Südvorstadt erhebt sich der Kohlberg, am östlichen Hang zieht sich die bewaldete Viehleite entlang. Benachbarte Stadtteile sind die alte Obertorvorstadt im Norden, hinter dem Kohlberg Zehista im Westen und auf der Hochfläche im Nordosten Sonnenstein. Ebenfalls auf der Hochfläche liegen Krietzschwitz im Osten sowie der Struppener Ortsteil Ebenheit im Nordosten. Südwestlich benachbart ist der Dohmaer Ortsteil Goes.

Die Südvorstadt ist keine Vorstadt im eigentlichen Sinne. Sie liegt fernab von der Altstadt und ist nur teilweise zur Inneren Stadt Pirnas zu zählen. Der Nordteil gehört zur Gemarkung Pirna. Dort befinden sich zahlreiche ehemalige Kasernenbauten, die heute verschiedenen Zwecken dienen bzw. leerstehen. In einem dieser Kasernenbauten ist das DDR-Museum Pirna untergebracht. Außerdem liegt im nördlichen Teil der Südvorstadt das Geibeltbad Pirna. Der Südteil ab der Albrecht-Dürer-Straße gehört zur Gemarkung Rottwerndorf. Er ist ein Wohngebiet, dessen Gebäude größtenteils der Vereinigten Gemeinnützigen Wohnungsbau-Genossenschaft (VGWG) Pirna-Süd und der Wohnungsgesellschaft Pirna (WGP) gehören. Dort befindet sich auch das sogenannte Musikerviertel. Seinen umgangssprachlichen Namen erhielt es, weil fast alle dortigen Straßen nach Komponisten benannt worden sind, darunter Schubert, Bach, Beethoven, Mozart und Haydn. Am südlichen Ende des Stadtteils liegt der Sportplatz des SV Pirna-Süd.[1]

Wichtigste Straße im Stadtteil ist die Rottwerndorfer Straße, die als Staatsstraße S 174 im Gottleubatal die Verbindung ins Stadtzentrum und nach Neundorf herstellt. Entlang dieser Route verkehren mehrere Buslinien der OVPS, die im Stadtteilgebiet fünf Haltestellen bedienen. Geplant ist, das Tal im Bereich der Südvorstadt zu überbrücken. Über die Gottleubatalbrücke soll die Bundesstraße 172b als südlicher Stadtring um Pirna verlaufen.

Geschichte

Höllengut und Walkmühle

Blick auf das Höllengut

Zu den ersten Bauten im Bereich der späteren Südvorstadt zählt das ehemalige Vorwerk Hölle. Ein Ort „In der Hell“ wurde 1592/93 erstmals erwähnt. Die Grundherrschaft übten im 18. Jahrhundert anteilig Amt und Rat Pirna sowie das Rittergut Zehista aus. Im 19. Jahrhundert gehörte das Einzelgut zur Stadt Pirna und ging in deren Flur auf. Das Freigut hatte 1875 fünf Einwohner. Es befindet sich unmittelbar südlich des Geibeltbads.[2]

Abbruch der Walkmühle im Rahmen des Stadtumbaus Ost (Februar 2008)

Außerdem existierte unmittelbar nördlich des heutigen Geibeltbades die Walkmühle, die erstmals 1473 urkundlich genannt wurde. 1481 wurde sie als „meister moele der tuchmechir“ („Meistermühle der Tuchmacher“) erwähnt.[3] Im Zuge der Belagerung der Festung Sonnenstein durch schwedische Truppen im Dreißigjährigen Krieg erfolgte die Zerstörung der Mühle. Die Jahre nach dem Wiederaufbau waren durch rasche Besitzerwechsel geprägt. Zwischen 1646 und 1721 wechselte die Walkmühle 13 mal den Besitzer. Im 18. Jahrhundert reduzierte sich die Zahl der in Pirna ansässigen Tuchmacher auf vier Personen, die den Betrieb der Mühle nicht mehr sicherstellen konnten, so dass das Anwesen am 27. Januar 1775 nach etwa 300 Jahren vom Tuchmacherhandwerk in Privatbesitz verkauft wurde.[4] Zwischen 1824 und 1827 führte der Mühlenbesitzer Karl Gottlieb Häse unweit seiner Mühle am Kohlberg vergebliche Bergbauversuche auf Steinkohle durch.[5] 1887 erwarb die Stadt Pirna die Mühle samt dem Höllengut, um auf der umliegenden Flur Kasernenbauten zu errichten. Die Mühle wurde zuletzt zu Wohnzwecken genutzt und 2008 im Zuge des Stadtumbau Ost abgebrochen.[6] Auf der Rückbaufläche wurde 2011 der Neubau der Kita „Naseweis“ (vormals in der Mozartstraße der Südvorstadt) in Betrieb genommen.[7]

Kasernenareal

Historische Ansicht der „Grauen Kaserne“ des 1. Pionierbataillons Nr. 12 an der Rottwerndorfer Straße, rechts sind die Gleise der Gottleubatalbahn erkennbar
Blick auf die 1905/06 erbaute Rote Kaserne an der Rottwerndorfer Straße, links der Straße verlief die Gottleubatalbahn

Die Pirnaer Garnison bestand nach den Befreiungskriegen aus verschiedenen Abteilungen des Königlich-Sächsischen Gardereiter-Regimentes. Dieses wurde 1878 durch vier Batterien einer Artillerieabteilung ersetzt. Die Soldaten der Batterien wurden in verschiedenen Massenquartieren im ganzen Stadtgebiet untergebracht; die Bedingungen in den Quartieren waren von Anfang an unzureichend.[8] Laufende Truppenverstärkungen führten in den Folgejahren zur Planung eines geschlossenen Kasernenareals. Dafür erwarb die Stadt Pirna 1887 die Walkmühle samt dem Höllengut, um auf der umliegenden Mühlenflur Kasernen zu errichten. Entlang der Rottwerndorfer Straße entstand bis 1889 in unmittelbarer Nachbarschaft zur Walkmühle die „Graue Kaserne“ als Unterkunft für das 2. Feldartillerie-Regiment Nr. 28[9] (später ersetzt durch das 1. Pionierbataillon Nr. 12). Zwischen 1901 und 1906 wurde das Kasernenareal nach Süden um die Bauten der „Roten Kaserne“ für das 5. Feldartillerie-Regiment Nr. 64 erweitert. Der Name der Roten Kaserne leitet sich von den verwendeten roten Klinkern ab. Der entlang der Rottwerndorfer Straße entstandene Kasernenkomplex umfasste eine Fläche von etwa 1000 x 200 Metern. Er erstreckte sich in Richtung Süden bis zur Flurgrenze von Rottwerndorf.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Pirnaer Garnison entsprechend den Bestimmungen des Friedensvertrages von Versailles aufgelöst. Zur Linderung der damals herrschenden Wohnungsnot wurden in den Hauptgebäuden der Kasernen 190 Wohnungen eingerichtet, Nebengebäude wurden auch als Lagerräume genutzt. Im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht entstand in Pirna wieder eine Garnison. Dafür ordnete die Heeresverwaltung bereits 1934 die Räumung der Wohnungen in den Kasernen an. Die neuen Garnisontruppen, das Pionierbataillon Nr. 13, zogen am 3. Oktober 1935 wieder in Pirna ein.[10]

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Kasernen von der Roten Armee besetzt und bis zum September 1945 als Kriegsgefangenenlager genutzt.[11] Später dienten die Kasernen bis mindestens 1947 als Zwischenlager für Heimatvertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches.[12]

Mit der Aufstellung der NVA wurden Teile der Kasernen der Südvorstadt wieder militärisch genutzt. Hier waren seit 1956 das Pionierbataillon 7 „Arthur Thiermann“ und seit 1961 die Chemische Kompanie 7/Abteilung Chemische Abwehr 7 „Johann Eggert“ stationiert.[13] Beide Verbände unterstanden der 7. Panzerdivision (NVA). Die Division wurde im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung am 6. März 1991 aufgelöst. Damit endete die militärische Nutzung des Kasernenareals der Südvorstadt.

Andere Teile der Kasernen wurden nach Ende des Zweiten Weltkrieges der militärischen Nutzung entzogen und zu Wohnzwecken genutzt.

Wohngebiet Südvorstadt

Mit der militärischen Wiedernutzung der Kasernen entlang der Rottwerndorfer Straße hatte die Heeresverwaltung 1934 die Räumung der 191 in den Kasernen befindlichen Wohnungen angeordnet. Als Ersatz entstand ab 1935 in unmittelbarer südlicher Nachbarschaft das heutige Wohngebiet Südvorstadt. Erste Planungen sahen den Bau von 36 Sechsfamilienhäusern mit insgesamt 216 Wohnungen vor. Die ersten Wohnungen konnten bereits im Juni 1935 bezogen werden. Die Stadt Pirna und die Sparkasse förderten mit günstigen Krediten den Bau weiterer Wohnungen auch als Einfamilienhäuser. Insgesamt entstanden bis 1938 auf 239 Grundstücken 669 neue Wohnungen. Am 28. August 1938 erfolgte die offizielle Weihe des neuen Wohngebietes auf den Namen Hermann-Göring-Stadt.[14] Die neue Siedlung zählte 2.345 Einwohner, davon 772 Kinder unter 14 Jahren.[15]

Die neue Siedlung entsprach der Architektur im Nationalsozialismus. Die Einfamilien-, Doppel- und Gruppenhausbauten sind im Stil der Heimatschutzarchitektur errichtet. Sie orientieren sich an einem orthogonalen Straßennetz, dessen Hauptstraßen in Platzbildungen enden.[16] Weite Teile der Südvorstadt stehen heute als „Sachgesamtheit Südvorstadt“ unter Denkmalschutz.[17]

Im Zuge der Luftangriffe auf Dresden fielen am 15. Februar 1945 auch Bomben auf die Pirnaer Südvorstadt. Dabei wurden zwölf Wohngebäude total zerstört, weitere 39 Gebäude erlitten mittelschwere Beschädigungen. Bei den Angriffen kamen 47 Menschen ums Leben.[18]

Entwicklung seit 1990

In den 1990er Jahren wurden zahlreiche genossenschaftliche Wohngebäude saniert. Einige Häuser mussten 2007 wegen des hohen Leerstands, hervorgerufen durch Überalterung, Fortzug und Neubauwohnungen, abgerissen werden. Teile des Stadtteils stehen heute als Flächendenkmal „Ensemble der Musikersiedlung, Pirna-Südvorstadt“ unter Schutz.[19]

Wirtschaft und Infrastruktur

Im Jahre 1940 wurde in Höhe der Kasernen der Haltepunkt Pirna Ost der Gottleubatalbahn eingerichtet. Die Bahnstrecke war 1880 zur Bündelung des starken Güterverkehrs in Betrieb gegangen – das Gottleubatal war damals eines der Zentren der Gewinnung von Elbsandstein, der auf der Rottwerndorfer Straße in Richtung Pirna transportiert wurde. Bis 1970 gab es noch Personenverkehr. Im Jahre 1999 wurde der Streckenabschnitt stillgelegt, drei Jahre später baute man die Gleise ab.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. SV Pirna-Süd
  2. Hölle im Digitalen Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen
  3. Alfred Meiche: Historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna. Dresden 1927.
  4. Gottfried Hänel: Die Walkmühle in Pirna. In: Pirnaer Anzeiger 19(2008)8, S. 23/24.
  5. Beiträge zur Geologie der sächsischen Kreide. Informationsblatt März/April 2011, S. 23.
  6. Rückbauvorhaben an Rottwerndorfer Straße abgeschlossen, in: Pirnaer Anzeiger 19(2008)8, S. 6.
  7. Einweihung des Neubaus der Kita „Naseweis“, Pressemitteilung der Stadt Pirna vom 8. Februar 2011
  8. René Misterek: Pirna so wie es war. Droste Verlag, Düsseldorf 1996, S. 69.
  9. Hauptstaatsarchiv Dresden: Verbände und Truppenteile der Sächsischen Armee (Abruf 8. April 2011)
  10. René Misterek: Pirna so wie es war. Droste Verlag, Düsseldorf 1996, S. 71.
  11. Peter Brunner: Pirna im Zweiten Weltkrieg. Freital/Pirna 2005, S. 250ff.
  12. Peter Brunner: Pirna im Zweiten Weltkrieg. Freital/Pirna 2005, S. 242ff.
  13. Übersicht zu den wichtigsten Truppenteilen bzw. Einheiten der 7. Panzerdivision und ihrer Entwicklung (PDF, Abruf 9. April 2011)
  14. Hugo Jensch: Chronik Pirna 1933–1945 (Abruf 24. Mai 2011)
  15. Geschichte der VGWG Pirna-Süd
  16. Integriertes Stadtentwicklungskonzept der Stadt Pirna vom November 2002 (Abruf 24. Mai 2011)
  17. Kulturdenkmalliste der Stadt Pirna, Stand 14. August 2008 (Abruf 24. Mai 2011)
  18. Hugo Jensch: Chronik Pirna 1933–1945 (Abruf 24. Mai 2011)
  19. wg-pirna.de (PDF)

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