Vita apostolica

Vita apostolica

Die Vita apostolica ist ein christliches Lebensideal, das sich am Vorbild der Apostel orientiert. Zu ihren wichtigsten Kennzeichen gehören ein Leben in Armut und die Verkündigung des Evangeliums in der Form der Wanderpredigt. Im Laufe der Kirchengeschichte haben sich immer wieder einzelne Menschen oder ganze Gruppen auf dieses Ideal berufen und versucht, es zu realisieren. Durch eine buchstabengetreue Befolgung der neutestamentlichen Anweisungen wollten die Menschen ihr ewiges Heil sichern.

Inhaltsverzeichnis

Biblische Grundlagen

Als biblische Begründung gilt der „Missionsbefehl“ in (Mk 6,8–11 EU) (parr (Mt 10,5–15 EU) und (Lk 9,1–6 EU)). Die Jünger sollen sich auf den Weg machen ohne Vorrat und Vorratstasche, auch ohne Geld, ohne zweites Hemd, nur mit Sandalen an den Füßen; in keinem Haus und in keiner Stadt sollen sie sich länger aufhalten.

Wirkungen in der Kirchengeschichte

In den Kirchenreformen des 11. Jahrhunderts kam die Idee der Armut deutlich zum Ausdruck. So verlangten verschiedene Reformer unter den Bischöfen und Päpsten, dass Kanoniker „auf kanonische Weise ohne persönliches Eigentum nach den Regeln der heiligen [Väter]“ leben sollten. [1] Dieser Reformansatz „von oben“ traf auf das Reformbestreben der religiösen Laienbewegungen. Patarener, Waldenser und Katharer verlangten vom Klerus ein Leben in Armut und für sich selbst das Recht, die Vita apostolica zu praktizieren und als Wanderprediger das Evangelium zu verkünden. Beiden Ansätzen war letztlich kein Erfolg beschieden. Der Widerstand des Klerus gegen die Reformen, die vor allem von Gregor VII. betrieben wurden, war zu stark als dass sie durchschlagenden Erfolg gehabt hätten.

Von Seiten der Kirche wurde die Vita apostolica solange akzeptiert, wie sie in den gängigen Formen des Klosterlebens praktiziert wurde. Im 11., 12. und 13. Jahrhundert waren viele Menschen allerdings der Meinung, dass man auch innerhalb der Welt dieses Ideal leben könne.[2] Mit dieser Haltung stießen sie oft auf den erbitterten Widerstand des örtlichen Klerus. Dabei scheiterten die religiösen Laienbewegungen vor allem am Verbot der Laienpredigt. Wenn sie nicht zur kirchlich erlaubten Lebensform für Laien zurückkehrten, wurden sie oft in die Ketzerei abgedrängt. Dass das Ideal der Vita apostolica alles andere als eindeutig war, zeigt sich in der Geschichte des Franziskanerordens. Schon bald nach dem Tod des Gründers gab es heftigen Streit über die Frage wie das Ordensideal gelebt werden sollte. Im Armutsstreit zerfiel der Orden in die Konventualen (Vertreter der gemäßigten Richtung) und die Spiritualen (Vertreter der radikalen Richtung).

Katholische Interpretation

In der Form der Bettelorden (Franziskaner, Dominikaner, Karmeliten und Augustiner-Eremiten) gewann diese Lebensform eine dauerhafte, erlaubte und für die mittelalterlichen Kirche überaus wirksame Realisierung. Petrus von Amiens (1050–1115) gilt als maßgeblicher Vertreter dieser katholisch orientierten vita apostolica.[3] Dazu zählten weiter die Gesellschaft apostolischen Lebens (Societas vitae apostolicae); ebenso behauptete später der Benediktinerorden dieses Ideal.

Rezeption in der Literatur und im Film

Die Vita apostolica und der daraus resultierende Armutsstreit bekam von Umberto Eco in dem Roman Der Name der Rose ein literarisches Denkmal gesetzt. In einem fiktiven italienischen Benediktinerkloster kommt es zu einem Disput zwischen Vertretern der Franziskanerspiritualen und Vertretern der Kirche über die Frage, ob Jesus einen Geldbeutel besessen habe und ob die Kleider, die er trug, sein Eigen gewesen seien. Von dem Produzenten Bernd Eichinger wurde dieser Roman in einen Film umgesetzt mit Sean Connery in der Rolle des William von Baskerville.

Literatur

  • Gabriel Audisio: Die Waldenser. Die Geschichte einer religiösen Bewegung, C. H. Beck, München 1996
  • Uta-Renate Blumenthal: Gregor VII: Papst zwischen Canossa und Kirchenreform, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001
  • Arno Borst: Die Katharer, Herder, Freiburg i. Br. 1991
  • August Franzen: Kleine Kirchengeschichte, Herder, Freiburg i. Br. 1965, S. 199 ff
  • Henry Charles Lea: Die Inquisition, Deutsch von Heinz Wieck und Max Rachel. Revidiert und herausgegeben von Joseph Hansen. Verlegt bei Franz Greno, Nördlingen 1985, S. 389 ff

Einzelnachweise

  1. Blumenthal S. 106 ff
  2. F. Donald Logan: Geschichte der Kirche im Mittelalter, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, S. 217 f
  3. Theologische Realenzyklopädie, 1996, Band 26 Seite 281

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