Watt-Mechanismus

Watt-Mechanismus

Der Watt-Mechanismus setzt sich aus dem Wattgestänge und dem Watt-Parallelogramm zusammen. Diese funktionelle Trennung wurde lange Zeit verwischt, so dass in zahlreichen älteren Veröffentlichungen der Watt-Mechanismus als Watt-Parallelogramm bezeichnet wurde.[1]

Das Wattgestänge ist ein Maschinenelement zur Umwandlung einer rotatorischen Schwenkbewegung in der Ebene, in eine angenäherte geradlinige Bewegung. Die Funktion des Watt-Parallelogramms besteht in der Skalierung der Bewegung des Wattgestänges.[1]

Inhaltsverzeichnis

Historische Herleitung

Original Handzeichnung von James Watt in einem Brief an seinem Sohn vom 10. November 1808 über den Entwicklungsprozess zum Wattgestänge.[2][3]

Zur Leistungssteigerung der von ihm konstruierten Dampfmaschinen suchte James Watt nach Möglichkeiten den Zylinder seiner Maschinen nach einander von beiden Seiten mit Dampf anzuströmen, um so neben der damals üblichen aktiven Abwärtsbewegung des Zylinders, auch eine aktive Aufwärtsbewegung des Zylinders erzeugen zu können. Man spricht von einem doppelt wirkenden Zylinder. Hierfür benötigte Watt eine starre Kopplung des Zylinders mit dem Balancier, die übliche Kopplung mittels einer Kette konnte nur abwärts ziehende Kräfte des Zylinders übertragen. Der von Watt 1784 erfundene Watt-Mechanismus beinhaltet das sogenannte Wattgestänge, das die Rotationsbewegung des Balanciers in die geradlinige Bewegung des Zylinders anpasst. Hierbei bedarf es in die Regel einer Größenanpassung: Das Watt-Parallelogramm skaliert die Bewegung des Wattschen Gestänges derart, dass die Kolbenstange der Maschine mit dem um einen festen Drehpunkt hin- und herschwingenden Balancier verbunden werden kann.

James Watt schrieb über seine Erfindung: „Obwohl ich um Ruhm mich nicht sorge, bin ich doch auf die Parallelbewegung stolzer als auf irgendeine Erfindung, die ich gemacht habe.“[3]

Wirkungsweise

Wattsches Gestänge und Parallelogramm (Schema)
Wattgestänge (Animation)

Das Wattsche Parallelogramm besteht aus zwei miteinander gekoppelten Komponenten, dem Wattgestänge und dem Parallelogramm.[1]

Das Wattgestänge

Das Wattgestänge ist der eigentliche Mechanismus, der die Bewegung eines Punktes auf einem Kreisbahnabschnitt in eine Bewegung auf einer Lemniskate umsetzt. In einigen Einsatzbereichen wird das Wattgestänge deshalb auch als Lemniskatenlenker bezeichnet. Für kleine Auslenkungen ist die Bahn der Lemniskate annähernd geradlinig.

Im linken Diagramm besteht das Wattgestänge nur aus den beiden festen Punkte A und G, den beiden Hebeln AB und EG, die sich in A und G drehen können, und dem Hebel BE, der an seinen Endpunkten drehbar(!) mit den beiden genannten Hebeln verbunden ist. Wenn der Hebel AB hin- und hergedreht wird, bewegt sich Punkt F fast auf einer geraden Linie auf und ab.

Das rechte Diagramm zeigt den Bewegungsablauf eines Wattgestänges ohne das Parallelogramm. Hier bewegen sich die Endpunkte von L1 und L3 auf Kreisbahnen, der Punkt P auf einer Lemniskate.

Andere mechanische Konstruktionen, die eine rotatorische Schwenkbewegung in eine geradlinige Bewegung umsetzen, sind der Inversor von Peaucellier und das Tschebyschow-Parallelogramm.

Das Parallelogramm

Das Parallelogramm wird im linken Diagramm von den Punkten BCDE gebildet, wobei alle vier Eckpunkte drehbare Gelenke sind. Es hat die Funktion eines Pantografen - da die Punkte A, F und D bei passender Länge von CD auf einer Geraden liegen und der Abstand von A zu D immer proportional dem Abstand von A zu F ist, vollführt also D die gleiche Bewegung wie F, nur „vergrößert“. Wenn sich F auf einer (beinahe) geraden Linie bewegt, dann also auch D - der Punkt, der mit dem Kolben H verbunden ist.

Zum Betrieb einer Maschine wäre das Parallelogramm streng genommen nicht nötig - man könnte die Stange, die am Kolben H beginnt, auch direkt mit F verbinden. Das hätte aber zur Folge, dass der Kolbenhub sehr viel geringer wäre oder, um den gleichen Hub zu erzielen, die Punkte B, E und vor allem G sehr viel weiter nacht rechts wandern müssten, was den Platzbedarf der Maschine deutlich vergrößern würde.

Die Umsetzung der Bewegung durch das Wattgestänge und die Vergrößerung des Hubs durch ein Parallelogramm sind zwei also unabhängige Mechanismen, die auch separat verwendet werden können.

Anwendungen

Die Erfindung wirkte sehr schnell über die Technologie der Dampfmaschine hinaus, denn die Wandlung von Bewegungsarten hat ganz zentrale Bedeutung. So hat zum Beispiel die Achsschenkellenkung, die in jedem modernen Kraftfahrzeug einen wesentlichen Teil der Lenkung darstellt, ihren Ursprung im Wattschen Parallelogramm.

Das Wattgestänge (ohne das Parallelogramm) wird an manchen Autos mit Starrachse eingesetzt, um eine Seitwärtsbewegung der Achse zu verhindern. Die Vertikalbewegung der Achse entspricht damit sehr viel besser einer geraden Linie als z.B. bei Verwendung eines Panhardstabs.

Unter dem Namen Lemniskatenlenker wird das Wattgestänge bei Schienenfahrzeugen eingesetzt, um eine Bewegung der Radachsen in Längsrichtung des Zuges zu verhindern.

Einzelnachweise

  1. a b c Franz Reuleaux: Lehrbuch der Kinematik. Die praktischen Beziehungen der Kinematik zu Geometrie und Mechanik. 2, Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig 1900, S. 302ff. ((hier online), abgerufen am 7. August 2011).
  2. Franz Reuleaux: Theoretische Kinematik. Grundzüge einer Theorie des Maschinenwesens. 1, Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig 1875, S. 6 ((hier online), abgerufen am 26. April 2010).
  3. a b James Patrick Muirhead: The Life of James Watt. with Selections from his Correspondence. John Murray, Albemarle Street, London 1858, XIX, S. 294 ((hier online), abgerufen am 7. August 2011).

Weblinks


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