Clemens Peter Freiherr von Pirquet

Clemens Peter Freiherr von Pirquet
Clemens von Pirquet

Clemens Peter Freiherr von Pirquet (* 12. Mai 1874 in Hirschstetten bei Wien; † 28. Februar 1929 in Wien) war ein österreichischer Kinderarzt und Universitätsprofessor. Er ist bekannt durch seine Forschungen auf den Gebieten der Bakteriologie und Immunologie.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Clemens von Pirquet stammte aus einer Familie niederen Adels. Er absolvierte seine Schulausbildung im Schottengymnasium in Wien, im Kollegium Kalksburg und am Wiener Theresianum, wo er 1892 maturierte. Mit der Absicht Jesuiten-Pater zu werden, studierte er zunächst zwei Jahre Theologie an der Universität Innsbruck und ab 1893 Philosophie in Löwen. Er schloss seine Studien mit einem Magister ab, wechselte aber seinen Berufswunsch und begann 1895, sehr zum Missfallen seiner Eltern, mit dem Studium der Medizin in Wien, das er in Königsberg und dann in Graz fortsetzte, wo er 1900 promovierte. Er wurde 1902 am Wiener St. Anna Kinderspital Assistenzarzt unter Theodor Escherich. Gleichzeitig arbeitete er unter Rudolf Kraus am Universitätsinstitut für Serotherapie. Nach seiner Habilitation 1908 war er bereits so bekannt, dass er einen Ruf nach Amerika erhielt, wo er als Professor der Kinderheilkunde an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore zwei Jahre lang wirkte.

1910 wechselte er an den Pädiatrie-Lehrstuhl in Breslau. 1911 wurde er Nachfolger des verstorbenen Theodor Escherich und übernahm den Lehrstuhl für Kinderheilkunde an der Wiener Universitäts-Kinderklinik, wo er bis zu seinem Tode wirkte. Ende der 1920er Jahre war Clemens von Pirquet eine derart prominente und geschätzte Persönlichkeit, dass er zum Präsidentschaftskandidaten der Ersten Republik nominiert wurde, was er selbst eher als Ehrerbietung denn ernst gemeint auffasste. Es kann vermutet werden, dass sein Privatleben weniger glücklich verlief, denn seine Frau wurde von seiner Familie nicht akzeptiert, war psychisch krank und Barbiturat-abhängig. Am 28. Februar 1929 nahm sich Clemens Freiherr von Pirquet im Alter von 54 Jahren und am Höhepunkt seiner Karriere gemeinsam mit seiner Frau in Wien das Leben durch Zyanidvergiftung.

Leistungen

Bereits 1903 hinterlegte Clemens von Pirquet bei der k. u. k. Akademie der Wissenschaften seine Arbeit „Zur Theorie der Infektionskrankheiten“. Er beschrieb 1905 gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Béla Schick erstmals die Serumkrankheit. In ihrer klassischen Monographie „Die Serumkrankheit“ beschäftigten sie sich auch intensiv mit dem „Zeitfaktor“ (Inkubationszeit), der zwischen der ersten Injektion eines Antiserums und dem Auftreten der Serumkrankheit liegt. 1906 führte Clemens von Pirquet den Begriff „Allergie“ in die medizinische Fachsprache ein. Er erkannte dabei als erster, dass Antikörper nicht nur schützende Immunantworten vermitteln können, sondern auch Ursache von Überempfindlichkeitsreaktionen sein können. Im Jahr 1907 entwickelte von Pirquet eine Methode zur (Früh-)Diagnose der Tuberkulose, den Tuberkulin-Hauttest, der auch als Pirquet-Reaktion bezeichnet wurde. Für diese Leistung wurde er fünf Mal für den Nobelpreis nominiert[1], den er aber niemals erhalten hat. 1911 übernahm Clemens von Pirquet die neuerbaute Universitäts-Kinderklinik in Wien, an der er im selben Jahr eine heilpädagogische Abteilung gründet, die sich als erste weltweit mit der klinischen Forschung und Behandlung von hirnorganischen Schädigungen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern beschäftigte. Aufgrund seines Interesses für Fragen der Säuglingsernährung und seinen guten Kontakten organisierte er zwischen 1919 und 1921 österreichweit die Ausspeisungen der amerikanische Kinderhilfsorganisation und wurde Vorsitzender des Völkerbundkomitees für Säuglingsfürsorge.

Werke

  • mit Béla Schick: Die Serumkrankheit. F. Deuticke, Wien 1905.
  • Allergie. In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 30, 1906, S. 1457–1458 (die erste Erwähnung des Begriffs „Allergie“)
  • Klinische Studien über Vakzination und vakzinale Allergie. In: Münchener medizinische Wochenschrift. 1906, S. 53.
  • Tuberkulindiagnose durch cutane Impfung. In: Berliner Klinische Wochenschrift. Band 44, 1907, S. 644–645.
  • Kutane Tuberkulinreaktion. 1908
  • System der Ernährung. 1917–1920
  • Lehrbuch der Volksernährung. 1920
  • mit E. Mayerhofer: Lexikon der Ernährungskunde. 1923–1925
  • Allergie des Lebensalters. 1930

Literatur

  • Gabriele Dorffner: Clemens Freiherr von Pirquet. Ein begnadeter Arzt und genialer Geist. Vier-Viertel-Verlag, Wien 2004, ISBN 3-902141-10-7
  • Elsbeth Hoff: Das Leben und Wirken des Wiener Klinikers Clemens Freiherr von Pirquet. Nolte-Verlag, Düsseldorf 1938 (zugl. Dissertation Düsseldorf vom 20. November 1937)
  • Erna Lesky: Clemens von Pirquet. In: Wiener Klinische Wochenschrift. Band 67, 1955, S. 638.
  • Richard Wagner: Clemens von Pirquet. His life and work. Hopkins Press, Baltimore, Md. 1968

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Nominierungen auf nobelprize.org

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