- Comes Britanniarum
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Der Comes Britanniarum war ein hoher Offizier in der spätrömischen Armee des Westens und Inhaber einer der höchsten Kommandostellen im Aufgebot des spätantiken Britanniens des 4. bis 5. Jahrhunderts n. Chr. Es scheint sich dabei aber nicht um ein ständig bestehendes Amt gehandelt zu haben und wurde wohl nicht vor 368 dauerhaft besetzt.[1] Möglicherweise wurde es schon unter Constantius Chlorus, nach der Wiedereroberung Nordgalliens von Carausius, eingeführt. Im frühen 4. Jahrhundert wird Gratianus der Ältere, der Großvater des späteren Kaisers Gratian, als Amtsinhaber erwähnt. Wahrscheinlich hatte auch Konstantin III. vor seiner Ursurpation das Amt des obersten Heerführers der Provinzstreitkräfte bekleidet.
Namentlich bekannte Amtsinhaber:
- Gratianus der Ältere (ab 340 n. Chr.)
- Magnus Maximus (Ende des 4. Jahrhunderts)
- Konstantin (um 410)
Inhaltsverzeichnis
Definition und Funktion
Der Zuständigkeitsbereich des Comes Britanniarum erstreckte sich im Gegensatz zu seinen Kollegen, dem
über die ganze Insel und beinhaltete das Oberkommando über die Eliteverbände des Bewegungsheeres (Comitatenses). In der Notitia Dignitatum (ND) wird der Verantwortungsbereich des Comes Britanniarum nicht in bestimmten Städten oder Kastellen, sondern symbolisch als 'Castrum Britannia' dargestellt. Am kaiserlichen Hof gehörte er als vir spectabilis zur höchsten Rangklasse des Reichsadels.
Militär
Neben einem umfangreichen Verwaltungsstab (Officium) hatte der Comes Britanniae folgende Einheiten unter seinem Kommando:
- drei Infanterie-Einheiten (Oberbefehlshaber war der magister peditum):
- Victores luniores Britanniciani
- Primani luniores
- Secundani luniores
- zusammen mit sechs Kavallerie-Einheiten (unter dem Oberbefehl des magister equitum):
- Equites Catafractarii iuniores
- Equites Scutarii Aureliaci
- Equites Honoriani Seniores (eine Vexillation der Comitatenses)
- Equites Stablesiani
- Equites Syri
- Equites Taifali
- Die Forschung setzt die Britanniciani iuniores mit den Victores iuniores gleich, einer Einheit der auxilia Palatinae, von der eine Kohorte auch in Spanien stationiert war.
- Die Secundani iuniores scheinen, wie die Secunda Britannica, in der Liste der Notitia Dignitatum des Magister Peditum eine Einheit der Legiones comitatenses zu sein, die auch in Gallien vorkommt, wo sie Secundani Britones genannt wird. Das Secunda in ihrem Namen zeigt, dass sie wohl alle einst zu einer Einheit gehörten. Diese Einheit könnte eventuell auch eine Vexillation der Legio II Augusta unter Befehl des Comes Litoris Saxonici per Britanniam in Rutupiae (Richborough) gewesen sein.
Man weiß, dass die Identitäten der Infanterieeinheiten unter dem Befehl dieses Comes in der ND manchmal unsicher sind; dies gilt auch für die Kavallerie: obwohl die Kavallerieeinheiten unter dem Befehl des Comes Britanniarum angeführt werden, stammen sie ursprünglich aus der Armee des Magister Equitum; dies gilt besonders für die Equites Honoriani seniores. Eine Einheit dieses Namens findet sich auch in der Feldarmee Galliens; sie sind wahrscheinlich ein und dieselben.
Die folgenden Einheiten sind wesentlich schwerer zuzuordnen:
- Während die Equites catafractarii iunores in der ND nicht als unter dem Magister Equitum verzeichnet werden, findet man in der Liste des Dux Britanniarum jedoch einen Präfekten der Equites catafractarii, also steht die Anwesenheit solch einer Einheit in Britannien fest; sie scheint der Armee des Comes Britanniarum viel später zugeordnet worden zu sein und gab damit auch ihren festen Stationierungsort auf.
- Es gibt zwei Einheiten der Equites stablisiani (Gardereiterei), die beide ursprünglich unter dem Befehl des Magister Equitum, stationiert in Afrika, verzeichnet werden,
- die Equites italicani stablisiani und die
- Equites stablisiani seniores.
Die britische Einheit der Equites stablisiani ist vielleicht eine von diesen beiden, aber es ist viel wahrscheinlicher, dass deren Angehörige vom Praepositus equitum stablesianorum Gariannonensium befehligt wurden, ursprünglich unter dem Oberkommando des Comes Litoris Saxonici per Britanniam standen und dann in die neue Feldarmee des Comes Britanniarum abkommandiert wurden.
- Ähnlich scheint es bei den Equites Aureliaci scutarii zugegangen zu sein, es dürfte sich um dieselbe Einheit wie die Männer unter dem Numerus Maurorum Aurelianorum handeln, eine Limitaneieinheit befehligt von einem Praefectus unter dem Dux Britanniarum, dessen Einheitsbezeichnung noch von einem anderen epigraphischen Beispiel bekannt ist, eine Inschrift, die aus dem Kastell Burgh by Sans stammt (253–258), die einen Numerus Maur(o)rum Aur(elionorum) Valeriani Gallienia(ue) anführt. Der Begriff ,Numerus' unterscheidet aber nicht, ob es sich um Legionäre oder Nicht-Legionäre handelt, um Soldaten zu Fuß oder zu Pferd; es bezeichnet nur eine Anzahl oder größere Ansammlung von Soldaten. Gallienus stellte viele Einheiten der Kavallerie in den 250er-Jahren neu auf, diese ist offenbar eine von ihnen.
- Die Equites Syri sind in ihrer Zuordnung ebenfalls ein Problem, da wieder keine solche Einheit in der ND verzeichnet wird, die auch in der Armee des Magister Equitum zu finden ist; sie könnte eine der Einheiten sein, die auch unter dem Dux Britanniarum verzeichnet wird. Kirkby Thore interpretiert sie als (entsprechend einer Rekonstruktion des Textes) N(umerus) M(ilitum) S(yorum) S(agittariorum) (Bogenschützen); berittene Bogenschützen wären auch typisch für eine syrische Einheit, obgleich es seltsam ist, eine Einheit von sagittarii bei Kavallerieeinheiten zu finden, die noch dazu unter zwei britischen Limitaneikommandanten verzeichnet werden und als Equites beschrieben werden; dementsprechend könnten sie auch ehemalige Angehörige einer alten Ala sein.
- Möglicherweise sind sie anstatt der Männer unter dem Kommando des Praefectus Numeri barcariorum Tigrisiensium (wörtlich „Fährleute vom Tigris“) angeführt. Das ursprüngliche Rekrutierungsgebiet dieser Einheit war offenbar eine Region am Tigris, der aber nicht mehr als Teil des römischen Syrien angesehen wurde. Seltsam ist auch, dass eine Einheit von berittenen Bogenschützen ausgerechnet aus Flussschiffern rekrutiert worden sein soll. Möglicherweise haben die Equites Syri aber gar nichts mit solchen berittenen Bogenschützen zu tun (wenn man die Abschrift in der Notitia so interpretiert, dass die Kopisten vielleicht Syrien mit Sagittarii verwechselt haben), in diesem Fall könnten sie Reiter von den Ala-Einheiten sein, die unter dem Kommando des Dux Britanniarum erwähnt werden.
- Die Equites Taifali könnte vielleicht eine der Einheiten sein, die auch unter dem Dux Britanniarum verzeichnet wurden (es gibt sonst keinen schriftlichen Beweis für eine andere Taifaleneinheit in Britannien); sie sind vermutlich dieselben, die als die Equites Honoriani Taifali iunores unter dem Kommando des Magister Equitum in Gallien angegeben sind.
Die Truppenliste des Comes Britanniarum ist also auf den ersten Blick sehr verwirrend. Seine Armee war auch eine relativ neue Einrichtung und die für Britannien bestimmten Einheiten wurden wohl zur Gänze aus der gallischen Armee zusammengezogen. Man weiß, dass viele dieser Einheiten unter dem Befehl des Magister Equitum ursprünglich aus Gallien kamen und zuerst den Limitanei des Dux Britanniarum und des Comes Litoris Saxonici per Britanniam zugeteilt wurden, dann später aber (wegen der dortigen militärisch prekären Lage) wieder zurück nach Gallien geschickt wurden.
Vermutlich wurden also die Soldaten zuerst von den Limitanei in die britische Feldarmee des Comes Britanniarum eingegliedert (Pseudocomitatenses), um dann wiederum in die gallische Armee zurücktransferiert zu werden. Der Dienst in der britischen Feldarmee dürfte somit eine Art Bewährungsprobe für eine Aufwertung dieser Truppen (siehe Comitatenses/Limitanei) gewesen sein und zwar zwischen dem Zeitraum, als die Notitia in ihrer Erstfassung zusammengestellt wurde – also in den frühen 390er Jahren – und dem ihrer letzten Aktualisierung um 425. Dies erklärt auch, warum einige der Einheiten, die in der gallischen Armee verzeichnet werden, gleichzeitig auch bei der britischen Feldarmee vorkommen.
Literatur
- Arnold Hugh Martin Jones: The Later Roman Empire, 284–602. A Social, Economic and Administrative Survey. 1964. Nachdruck, 2 Bde., Johns Hopkins University Press, Baltimore 1986, ISBN 0-8018-3285-3, S. 1424.
Weblinks
Anmerkungen
- ↑ A. H. M. Jones, The Later Roman Empire, 284–602, S. 1424; Ammianus Marcellinus 28,8 I.
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