Comitatenses

Comitatenses
Büste des Gallienus im Musée du Cinquantenaire, Brüssel. Gallienus (253–268 n. Chr.) setzte mit der Schaffung einer vom Grenzheer losgelösten Armee zu seiner besonderen Verfügung den ersten Schritt in Richtung der Comitatenses des 4. Jahrhunderts.

Die Comitatenses (lateinisch „Begleiter“) bildeten zusammen mit den Limitanei das römische Heer der Spätantike.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Die Comitatenses fungierten als schnelles und standortungebundenes Bewegungsheer. Sie wurden an strategisch wichtigen Punkten im Hinterland stationiert und bildeten den Kern der spätrömischen Armee. Bei einem feindlichen Durchbruch der Grenze war es ihre Aufgabe, so schnell wie möglich die Eindringlinge zu stellen und zu zerschlagen. Die Bezeichnung leitete sich vom sacer comitatus, dem „heiligen Gefolge“ des Kaisers, ab, das ihn ins Feld begleitete und zu seiner unmittelbaren Verfügung stand. Der Epitaph eines Reitersoldaten in Thyatira, der in Thrakien (Anchialus) stationiert war, weist darauf hin, dass die Bezeichnung comitatenses anscheinend schon seit dem späten 3. Jahrhundert in Gebrauch war.[1] Die oft einzige Quelle für diese Truppen bietet die Notitia Dignitatum (ND), die Organisation, Namen und Schildbemalung der einzelnen Truppen wiedergibt, etwa die der Minervii. Diese Art von rasch zusammengezogenen Heeren in Form separater Reiterverbände wurden auch schon von den Soldatenkaisern während der Reichskrise des 3. Jahrhunderts aufgestellt, aber erst Diokletian und vor allem Konstantin der Große führten die entscheidenden Reformen, die zu Etablierung einer neuen Teilstreitkraft führte, konsequent durch.

Entwicklung

Ursachen

Kaiser Valerian auf einem Aureus; auf dem Revers die Abbildung der Göttin Fortuna.

Die territorialen Erweiterungen unter Septimius Severus hatten die Reserven der römischen Armee über Gebühr ausgereizt. Überall an den Grenzen mangelte es an zusätzlichen Soldaten, hinzu kam, dass die Nachschubwege sehr lang waren und auch die Kommunikation zwischen den einzelnen Heeresverbänden am Limes nur schleppend funktionierte. Diese Situation ermutigte feindlich gesinnte Stämme jenseits der Grenzen zu immer massiveren Einfällen ins Reichsgebiet. Im Orient bahnte sich indessen eine weitere – noch größere – Katastrophe an. Die parthische Dynastie der Arsakiden wurde gewaltsam durch die der kriegerischen Sassaniden unter ihrem Gründer Schapur I. (241–271) abgelöst. 252 fiel er ins Reich ein, eroberte Armenien, große Landstriche Kleinasiens, Syriens und schließlich auch eine der wichtigsten Metropolen des römischen Ostens, Antiochia. Der neue Kaiser Valerian musste auf diese existenzielle Bedrohung der römischen Herrschaft im Osten rasch und nachhaltig reagieren. Er übertrug daher die Regierungsverantwortung für die westlichen Provinzen seinem ältesten Sohn Gallienus, um so seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Zurückschlagung der sassanidischen Expansion widmen zu können.

Zu diesem Zweck wurde u. a. auch große Kontingente der römischen Rhein- und Donauarmee in das Expeditionsheer Valerians eingereiht und Richtung Osten in Marsch gesetzt. Diese Praktiken sorgten seit 230 für eine schrittweise Verkleinerung der Garnisonen am Rhein-Donau-Limes, gleichzeitig stiegen die Vorstöße germanischer Plündererhorden immer mehr an und überforderten im zunehmenden Maße die Möglichkeiten der auf ihren Posten verbliebenen, im Umfang reduzierten römischen Einheiten. Die römische Militärorganisation war im Allgemeinen auf die neue Situation im Norden nur schlecht oder gar nicht vorbereitet. Die Armee verfügte über zu wenige schlagkräftige Reiterverbände, um schon über die Grenze gelangte Feinde auch im Reichsinneren rasch bekämpfen zu können, die fast ungehindert raubend und brandschatzend durch die Provinzen zogen, sobald sie den Limes hinter sich gelassen hatten. Gallienus verlegte daher einen Großteil der verfügbaren Truppen ins Hinterland und bestimmte Mailand zum Hauptquartier einer neu aufgestellten und berittenen Eingreiftruppe. Zusätzlich wurde um 260 das – wohl schon weitgehend verwüstete und entvölkerte – Dekumatenland aufgegeben, um die Grenzlinie zu verkürzen und diese wieder hinter den Schutz der großen Flüsse Rhein, Main und Donau zu verlegen.

Ausbau

Zur Zeit der Tetrarchie wurde überdeutlich, dass ein nur an den Grenzen aufgereihtes Heer für die Verteidigung des Reiches nicht mehr genügte und zudem auf lange Sicht unfinanzierbar wurde. Auch standen dafür nicht mehr genug Soldaten zur Verfügung. Anfang des 4. Jahrhunderts ging man daher dazu über, ein eigenes Feld- oder Bewegungsheer ohne feste Standorte zu schaffen, die im Bedarfsfall die Grenzeinheiten unterstützen und schon ins Reichsinnere eingedrungene Feinde verfolgen und schlagen sollten. Dies war bis dahin Aufgabe der Grenztruppen gewesen, was aber dadurch wiederum eine gefährliche Entblößung des Limes mit sich brachte. Außerdem konnten sie so auch bei Usurpationen rasch zum Einsatz gebracht werden, zu deren Bekämpfung dann wieder Limestruppen abgestellt werden mussten, was in weiterer Folge zum altbekannten Problem der unterbesetzten Grenzkastelle zurückführte und barbarische Invasoren und Plünderer zu neuen Einfällen ins Reich ermunterte. Wie viele dieser mobilen Einheiten unter den Tetrarchen aufgestellt wurden, ist allerdings unbekannt. Vermutlich wurden hierfür vor allem Vexillationen von unter Diokletian und Maximian aufgestellten neuen (kleineren) Elitelegionen verwendet (legio Herculiani bzw. legio Ioviani).

Konstantin I. (der Große) konnte sich nach langwierigen Kämpfen als Alleinherrscher über das gesamte Reich durchsetzen. Nach dem Sieg über Maxentius und der darauffolgenden Übernahme des gesamten westlichen Reichsteiles findet sich in den Quellen auch zum ersten Mal die Bezeichnung Comitatenses. Konstantin fügte je fünf Vexillationen von Legionstruppen und zehn Auxilia zu einem Verband namens comitatus zusammen. Sie hatten einen höheren Status als die Grenztruppen und innerhalb des Comitatus rangierte die Kavallerie höher als die Infanterie.

Konstantin I.
Büste im Kapitolinischen Museum, Rom.

Seine Armeereform, die die im Laufe des vorangegangenen Jahrhunderts improvisierten Maßnahmen konsequent in ein einheitliches System einband, sollte das römische Heer bis zu dessen Auflösung im Westen des Reiches maßgeblich und dauerhaft prägen. Die mobile Feldarmee erhielt nun eine feste Organisationsstruktur. Unter Konstantin kam auch erstmals eine neue Truppengattung (mit alter Bezeichnung) hinzu, die auxilia, eine schwer gepanzerte, größtenteils aus Germanen bestehende, Infanterie, die ebenfalls als Eliteeinheiten im Römischen Heer geführt wurden. Zum Unterschied der Frühzeit des Imperiums, als nur römische Bürger in den Legionen dienen durften, konnte nun jeder dafür fähige Mann in die auch politisch immens wichtigen Feldheere eintreten. Hier konnten sie bis in die höchsten Ämter aufsteigen. Das führte dazu, dass seit dem 4. Jahrhundert barbarische Generäle in den Chroniken der Hofpolitik auftauchen. Gelegentlich wurde ihnen unterstellt, auch nach dem kaiserlichen Purpur zu streben, aber meistens rangen sie mit zivilen Politikern um Macht und Einfluss im Schatten des Thrones. Die Quellen behaupteten oft, diese Männer seien illoyal zum Imperium, nichts weist jedoch daraufhin, dass dies so gewesen ist. Manche dieser „Barbaren“ hatten eine klassische Erziehung absolviert und waren Zuwanderer der zweiten Generation.[2] Mit Hilfe der Comitatenses konnte sich Konstantin auch wirksam gegen eventuelle politische Gegner verteidigen und seine Macht als alleiniger Kaiser Roms dauerhaft sichern. Außerdem erhielt er so auch die Unterstützung der Provinzen, die ihrerseits darauf hofften, mit Hilfe dieser neuen Streitkräfte mit ihren eigenen Problemen vor Ort besser fertig zu werden.

Die Unterbringung der Comitatenses in den Städten, oft weit im Inland des Reiches, die in manchen Fällen schon seit hundert Jahren keinen Soldaten mehr gesehen hatten, wird von Zosimus scharf kritisiert (II, 34). Die Bürger seien durch die Einquartierungen und die Reibereien, die zwangsläufig auftreten, wenn Militärs und Zivilisten aufeinandertreffen, ohne Not arg unter Druck geraten. Zudem gewöhnten sich die Soldaten sehr rasch an das bequeme Leben in ihren Stationierungsorten, wodurch angeblich ihre Kampfkraft litt. Der Vorwurf, Konstantin habe damit die Grenzverteidigung geschwächt, ist insofern unbegründet, da es ohnehin immer wieder zu Einfällen kam, die später nur dank der Comitatenses gestoppt oder eingedämmt werden konnten. Unter den Nachfolgern Konstantins wurde dieses System noch weiter ausgebaut. So wurden auch für besonders gefährdete Provinzen kleinere Bewegungsheere geschaffen. Als das Imperium unter Konstantins Söhnen und Nachfolgern zunächst in Teilherrschaften geteilt blieb, wurde der kaiserliche Comitatus auf die einzelnen Herrscher aufgeteilt.

Funktion und Taktik

Da die Comitatenses im Gegensatz zu den Limitanei nicht auf Dauer in einer bestimmten Grenzregion eingesetzt waren, wurden sie für gewöhnlich auch nicht für Polizei- und Verwaltungsaufgaben herangezogen. Die Schaffung weiterer mobiler Armeen in den Provinzen erwies sich später daher als notwendig, da die Palastarmee (Palatinii) nicht alleine mit gleichzeitig auftretenden Problemen in unterschiedlichen Provinzen fertig werden konnten.

Porphyr-Figurengruppe der Kaiser und Mitregenten der 1. Tetrarchie an der Kirche San Marco in Venedig. Die Augusti und ihre Caesaren sind in Feldherrenuniformen des späten 3. Jahrhunderts dargestellt.

Neu war auch die Verteidigungsstrategie, die sich im 4. Jahrhundert entwickelte. Die Limitanei hatten am Limes für Ruhe und Ordnung zu sorgen sowie kleinere Überfälle in Eigenregie abzuwehren. Bei einem größeren Einbruch sollten sie die wichtigsten Kastelle und Städte oder Schlüsselstellungen wie z. B. Passübergänge halten und dann zusammen mit den Comitatenses den Feind vernichten.

Die größte Schwierigkeit hierbei bestand darin, die meist kleinen Beutegemeinschaften aufzuspüren, um dann überraschend über sie herzufallen um sie mit geringstmöglichen Verlusten niedermachen zu können. Dafür war ein geschicktes Vorgehen der Spähtrupps (exploratores) und der Offiziere auf allen Kommandoebenen notwendig. Diejenigen Angreifer, die dennoch ohne größere Niederlagen wieder über die Grenze in ihr eigenes Territorium entkommen konnten, genossen danach großes Prestige bei ihren Stammesangehörigen und waren deswegen auch bald wieder zu neuen Aktionen bereit. Die Tatsache, dass die Römer meist erst eingriffen, wenn die Gegner sich schon tief im Inneren der Provinzen befanden, war wohl nicht das Ergebnis einer ausgeklügelten Strategie, sondern zeigt wohl vielmehr die Unfähigkeit der Armee, solche Durchbrüche schon im Ansatz zu ersticken. Hatten die Comitatenses aber einmal den Feind aufgespürt und die Verfolgung aufgenommen, hetzten sie oft auch die kleinste Gruppe systematisch bis auf den letzten Mann zu Tode. Bei diesen Kleinkriegen waren die Römer im Vorteil, da es ihre gut organisierte Logistik erlaubte, ihre Armeen zu jeder Jahreszeit ausreichend zu versorgen.

Die tägliche Marschleistung der Comitatenses darf man sich jedoch nicht als allzu groß vorstellen. Keine dieser Armeen konnte schneller sein als ihre Infanteristen oder, was eine noch größere Einschränkung bedeutete, der Tross. Abgesehen davon wurde ihre Einsatzfähigkeit durch die oft mit Schwierigkeiten verbundene Bereitstellung der erforderlichen Marschverpflegung für die Truppen noch weiter eingeschränkt. Größere Feldzüge erforderten eine Vorbereitungszeit von mindestens einem Jahr. Die Abkommandierung einer mobilen Feldarmee störte Wirtschaft und Verwaltungsbetrieb einer Region auch weitaus weniger als früher wenn eine ganze Legion aus ihrer angestammten Garnison abrückte.

Mit der Veränderung der Truppenorganisation ging auch eine Änderung in der Taktik einher. Kleinere Einheiten ermöglichten eine viel flexiblere Kriegsführung. Die meisten Feldzüge bestanden nun hauptsächlich aus überfallartigen Kommandoaktionen. Kam es doch zu einer größeren Schlacht, kämpften alle Einheiten in Reih und Glied und die Comitatenses fungierten wieder als schwere Linieninfanterie im klassischen Sinn. Einige Kohorten in den neuen Einheiten waren auch als leichte Infanterie ausgebildet. In der Schlacht fasste man sie dann so zusammen, wie man sie gerade benötigte. Solche Spezialisten waren z. B.:

  • sagittarii (Bogenschützen),
  • exculatores oder
  • lanciarii (Speerträger),
  • funditores (Schleuderer) und
  • balistarii (Feldartilleristen).

Kavallerie

Reiter der gallischen Comitatenses im späten 3. Jahrhundert

Die Kavallerie der Comitatenses bestand aus den vexillationes comitatenses. Über die genaue Stärke solcher spätrömischen Einheiten herrscht heute Ungewissheit, wahrscheinlich hat sie je nach Einsatzdauer stark geschwankt. Eine spätrömische vexillatio dürfte regulär 400–500 Mann gehabt und somit in etwa einer ala quingenaria der alten Auxiliarverbände entsprochen haben. Um 400 n. Chr. gab es im Westen des Reiches über 47 dieser vexillationes (davon alleine 23 in den nordafrikanischen Provinzen), im Osten insgesamt 43. Addiert mit den scholae palatinae ergäbe das für das Gesamtreich zusammen etwa 45.000–50.000 Mann comitatenses zu Pferd. Die Kavallerie müsste demnach also ungefähr ein Viertel der comitatenses ausgemacht haben. Ab dem 5. Jahrhundert errang die Kavallerie auch endgültig den Vorrang gegenüber der Infanterie und die pedes (Fußtruppen) wurden nicht mehr als Rückgrat der Armee angesehen.

Infanterie

Spätrömischer Offiziershelm (Kammhelm) vom Typ Berkasovo

Die Infanterie setzte sich aus den

  • legiones comitatenses, den
  • auxilia comitatensia und den
  • legiones pseudocomitatenses

zusammen. Die Sollstärke ist aus heutiger Sicht nur schwer einzuschätzen, wahrscheinlich zählte sie – für beide Reichsteile zusammengerechnet – ungefähr rund 150.000 Mann.

In der Spätantike wandelte sich das Erscheinungsbild der Legion grundlegend. Durch die Heeresreform Diokletians wurde die Anzahl der Legionen stark erhöht (auf etwa 60), wobei allerdings ihre Sollstärke herabgesetzt wurde. Die neuen Legionen dürften, wie schon oben erwähnt, aus etwa 1000 Mann bestanden haben, dies war wohl auch eine Folge der zahlreichen Reichsteilungen, die eine zunehmende Aufsplitterung der Verbände verursachten.

Die auxilia ähnelten nun größtenteils wieder denen der späten Republik oder auch den numeri der frühen Kaiserzeit. Es handelte sich hierbei vor allem um germanische „Fremdenlegionäre“, die nun den zahlreichsten und schlagkräftigsten Teil der comitatensischen Infanterie ausmachten.

Die legiones pseudocomitatenses (siehe auch Limitanei) waren Einheiten der Grenzarmee, die aufgrund guter Leistungen zwar ins Bewegungsheer übernommen wurden, sich aber dennoch mit einem niedrigeren Status begnügen mussten.

Liste der in der Notitia Dignitatum angeführten legiones comitatenses

Spätrömischer Legionär am Ende des 3. Jahrhunderts (Rekonstruktion)

Einheiten unter dem Oberbefehl des Magister Peditum

Einheiten unter dem Oberbefehl des Magister Militum per Orientem

Einheiten unter dem Oberbefehl des Magister Militum per Thracias

Schildzeichen einiger Comitatenses-Einheiten (Auxilia Palatina) unter dem Kommando des Magister peditum (Occ.V)

Gardetruppen

Reenactor, der einen Soldaten der Secunda Britannica (4. Jahrhundert) darstellt, eine Einheit der legiones comitatenses unter dem Oberbefehl des Magister peditum (ND Occ. V).

Auch aus dem aus der Kaisergarde und anderen, zumeist berittenen, Eliteverbänden gebildeten comitatus hatte sich schon im Laufe des 3. Jahrhunderts ein Vorläufer der Comitatenses entwickelt. Diese Einheiten, die scholae palatinae, traten um 320 n. Chr. an die Stelle der alten, 312 n. Chr. in der Schlacht an der Milvischen Brücke mit Maxentius untergegangenen Prätorianergarde. In der Notitia Dignitatum wird die Anzahl dieser scholae mit fünf für den West- und sieben für den Ostteil des Reiches angegeben. Die Mannschaftsstärke einer schola lag bei 500 Mann. Traditionell aus Germanenvölkern rekrutiert, waren sie fast ausschließlich beritten. Wie ihre Vorgänger, die Prätorianer und Equites Singulares Augusti, fungierten sie als Palastgarde und schnelle Eingreif- oder Polizeitruppe des Kaisers für besondere Einsätze sowie als Kriegsschule von Offizieren die auch für höhere Aufgaben am Hof oder in der Verwaltung vorgesehen waren und wurden palatinii („kaiserliche“) genannt. Sie rangierten zwar vor den regulären Einheiten, genossen deswegen aber keine besonderen Vorrechte. Am Ende des 5. Jahrhunderts degenerierten die scholae palatinae zu einer reinen Paradetruppe. Auch nach Konstantins Tod erhielten einige verdiente Einheiten noch den Ehrennamen Palatinii, ohne aber deswegen zu einer Gardetruppe aufgewertet worden zu sein.

Einheiten der Scholae

Westen (um 420)

  • Scola scutariorum prima
  • Scola scutariorum secunda
  • Scola armaturarum seniorum
  • Scola gentilium seniorum
  • Scola scutatorum tertia

Osten (um 390)

  • Scola scutariorum prima
  • Scola scutariorum secunda
  • Scola gentilium seniorum[3]
  • Scola scutariorum sagittariorum, berittene Bogenschützen,
  • Scola scutariorum clibanariorum, Panzerreiter, sog. clibanarii,
  • Scola armaturarum iuniorum
  • Scola gentilium iuniorum.

Einheitsbezeichnungen

Die Bezeichnungen „seniorum“ und „iuniorum“ weisen auf dieselbe Abstammung der jeweiligen Einheiten hin. Als das Reich 364 zwischen Valens und Valentinian I. aufgeteilt wurde, teilte man sich auch die Armee. Als seniores bezeichnete man die „älteren“ Stammeinheiten im Westen, während die iuniores ihre „jüngeren“ östlichen Abspaltungen waren.

Die meisten Einheiten waren aber, wie auch schon vorher, nach den jeweiligen Volksgruppen, aus denen sie angeworben wurden, benannt, häufig floss auch die spezielle Bewaffnung und aufgrund außerordentlicher Leistungen verliehene Ehren- und Kaisernamen in die Namensgebung ein.

Typische Zusatzbezeichnungen, die noch auf das 3. Jahrhundert zurückgingen, waren:

  • stablesiani (von stabulum „Stall“),
  • promoti (wörtlich: „Versetzte“, ursprünglich zum mobilen Heer abkommandierte Legionsreiterei),
  • scutarii („Schildträger“) und
  • sagittarii.

Diese Namen kamen auch bei Scholae- und Grenztruppen vor.

Offiziere und Dienstränge

Die gesamte Kavallerie befehligte anfangs der magister equitum, die Infanterie der magister peditum. Davon ausgenommen waren die scholae palatinae, die dem magister officiorum unterstanden. Später wurde diese Trennung aber aufgehoben, sodass ein magister militum alle Teilstreitkräfte unter seinem Kommando vereinigte.

Das Feldheer in der Provinz unterstand einem Comes. Ein Comes war in manchen Fällen auch für mehr als eine Provinz zuständig (z. B. der Comes Britanniarum) und im Kriegsfall auch gegenüber den Limitanei der Duces weisungsbefugt.

Eine Kavallerie-vexillatio wurde von einem tribunus angeführt, dem ein primicerius zur Seite stand. Der Kirchenvater Hieronymus zählte in einer seiner Streitschriften (Contra Ionam, 19) alle Kavalleriedienstgrade des späten 4. Jahrhunderts auf:

Römischer Follis mit dem Portrait des Diokletian, geprägt in Treveri (Trier) um 300 n. Chr. (Classic Numismatic Group, Inc. (CNG). Die strategische Reserven Diokletians und seines Mitregenten Maximianus waren zwar noch nicht so groß wie die Comitatenses des 4. Jahrhunderts, setzten sich aber aus besonders kampfkräftigen Einheiten zusammen, zu denen besonders Elitelegionen der Donauarmee zählten.
  • tiro (Rekrut),
  • eques,
  • circitor,
  • biarchus,
  • centenarius,
  • ducenarius,
  • senator,
  • primicerius,
  • tribunus.

Den Feldzeichenträger nannte man draconarius.

Die mobilen Feldarmeen im 5. Jahrhundert

Laut der Notitia Dignitatum gebot das Ostreich über fünf mobile Armeen, zwei waren dem kaiserlichen Hof direkt zugeteilt, während das Westreich insgesamt sieben hatte, darunter drei vergleichsweise kleine Armeen. Am Beginn des 5. Jahrhunderts verzeichnete die Notitia für das ganze Reich insgesamt 12 solcher Armeen, für den Osten.

  • eine Praesentalis-Armee

(d. h. die unmittelbar dem Kaiser zur Verfügung stand), kaserniert bei Konstantinopel, bestehend aus 12 Kavallerie- und 24 Infanterieeinheiten.

Zusätzlich gab es im Osten noch drei regionale Armeen stationiert in

  • Thrakien (7 Kavallerie- und 21 Infanterieeinheiten),
  • im östlichen Illyricum (2 Kavallerie- und 24 Infanterieeinheiten)
  • und in Orientum, d. i. Kleinasien und im Vorderen Osten (10 Kavallerie- und 21 Infanterieeinheiten).

Im Westen gab es zwei große Armeen:

  • in Gallien (12 Kavallerie- und 35 Infanterieeinheiten),
  • in Italia (7 Kavallerie- und 28 Infanterieeinheiten).

Regionale Armeen standen in

  • Britannien (6 Kavallerie- und 3 Infanterieeinheiten),
  • im westlichen Ilyricum (22 Infanterieeinheiten),
  • Spanien (16 Infanterieeinheiten),
  • Mauretania Tingitana (3 Kavallerie- und 4 Infanterieeinheiten)
  • und in Africa (19 Kavallerieeinheiten).

Einzelnachweise

  1. CIL 3, 405 = Tituli Asiae Minoris (TAM) 5, 2, 1122; vgl. Lee: War in Late Antiquity, 2007, S. 11.
  2. Peter Heather: 2010, S. 254.
  3. Mit ziemlicher Sicherheit dieselbe Einheit, die auch in der westlichen Armee aufscheint. Vermutlich wurde sie nach Abschluss der Listen der östlichen ND in den Westen transferiert

Literatur

  • John Casey: The Legions in the Later Roman Empire. National Museum of Wales, Cardiff 1991 (The Annual Caerleon Lecture, 4).
  • Terence Arnold Coello: Unit Sizes in the Late Roman Army. Tempus Reparatum, Oxford 1996, ISBN 0-86054-830-9 (BAR Int. Ser. 645).
  • Adrian Goldsworthy: Die Kriege der Römer. Brandenburgisches Verlagshaus, Berlin 2001, ISBN 3-89488-136-4.
  • Peter Heather: Der Untergang des Römischen Weltreiches. Rowolt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2010, 2. Auflage 2011, ISBN 978-3-499-62665-4.
  • Dietrich Hoffmann: Das spätrömische Bewegungsheer und die Notitia dignitatum. 2 Bde., Rheinland-Verl., Düsseldorf 1969–1970.
  • Arnold Hugh Martin Jones: The Later Roman Empire, 3 Bde., Blackwell, Oxford 1964 (mehrere Nachdrucke).
  • Karen Piepenbrink: Konstantin der Große und seine Zeit, 2. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007, ISBN 978-3-534-20905-7 (Reihe Geschichte Kompakt).
  • Sebastian Selle: Das Gallische Sonderreich unter Postumus, 260 - 269 n.Chr. Hausarbeit, Grin Verlag 2007, ISBN 978-3-638-76953-2.
  • Roger S. O. Tomlin: The army of the late Empire. In: John Wacher (Hrsg.): The Roman World. Bd. 1, Routledge & Kegan Paul, London 1987, ISBN 0-7102-0894-4, S. 107–133.

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