- Dux Britanniarum
-
Der Dux Britanniarum (wörtlich: „Herzog/Heerführer der Britannien“, d. h. aller britannischen Provinzen) war ein hoher Offizier in der spätrömischen Armee des Westens in Britannien. Das Amt wurde entweder durch Diokletian oder Konstantin I. im späten 3. oder frühen 4. Jahrhundert n. Chr. eingerichtet.
Namentlich bekannte Duces:
- Fullofaudes (bis 367),
- Dulcitius (ab 367),
- Coellius oder Coel Hen (frühes 5. Jahrhundert)
Inhaltsverzeichnis
Funktion
In der Notitia Dignitatum (ND) werden drei hohe Kommandostellen der Armee in Britannien aufgezählt, neben der des Dux Britanniarum die des
Der Dux Britanniarum war Befehlshaber über die Truppen der Nordregion und des Hadrianswalles. Am kaiserlichen Hof zählte der Dux zur höchsten Rangklasse der viri spectabiles.
Sein Zuständigkeitsbereich umfasste das Gebiet am Hadrianswall samt seinem Umland bis zum Fluss Humber im Südosten mit der Stadt Deva/Chester sowie das heutige Yorkshire, Cumbria und Northumberland bis zum Bergland der Southern Pennines. Das Hauptquartier befand sich in der Stadt Eboracum. Zweck dieser Pufferzone war es vor allem den wirtschaftlich wichtigen und wohlhabenden Südosten der Insel vor Angriffen der Stämme des schottischen Tieflands (Pikten) und vor irischen Plünderern (Scoten) zu bewahren.
Kastelle und Truppen
Der unruhige Norden der Insel wurde bis ins frühe 5. Jahrhundert vom Militär dominiert. Die Soldaten des Dux stammten vermutlich fast alle aus Britannien. Die Notitia Dignitatum listet mit den Besatzungen am Hadrianswall (zusammen mit einigen Stützpunkten an der Küste von Cumbria) insgesamt 38 Einheiten unter dem Kommando des Dux Britanniarum auf. Archäologische Funde zeigen, dass auch noch andere Einheiten hier stationiert gewesen sein müssen, die in der Notita allerdings nicht mehr genannt werden. Die meisten dieser Einheiten wurden während des 3. Jahrhunderts aufgestellt. Lange Zeit hielt man diese Truppenliste aufgrund der relativ großen Anzahl an mittelkaiserzeitlichen Einheitsbezeichnungen für antiquiert, nur aus einer Art Wunschdenken weiter in der Notita Dignitatum beibehalten, da Britannien offiziell nie von den Römern aufgegeben wurde.
Im Kapitel XL der Notita Dignitatum werden unter der Formel
sub dispositione viri spectabilis ducis Britanniarum (wörtlich: „zur Verfügung des höchst ehrenwerten Herzogs der britischen Provinzen“)
neben einem umfangreichen Verwaltungsstab (Officium) zuerst 14 Präfekten und ihre Einheiten mit ihren Stationierungsorten unter dem Kommando des Dux Britanniarum verzeichnet:
- Praefectus Legionis sextae
- Praefectus Numeri directorum, Verteris
- Praefectus Numeri exploratorum, Lavatres,
- Praefectus Equitum Dalmatarum, Praesidio,
- Praefectus Equitum Crispianorum, Dano,
- Praefectus Numeri defensorum, Barboniaco,
- Praefectus Equitum catafractariorum, Morbio,
- Praefectus Numeri Solensium, Maglone,
- Praefectus Numeri barcariorum Tigrisiensium, Arbeia,
- Praefectus Numeri Pacensium, Magis,
- Praefectus Numeri Nerviorum Dictensium, Dicti,
- Praefectus Numeri Longovicanorum, Longovicio,
- Praefectus Numeri Vigilum, Concangios,
- Praefectus Numeri supervenientium Petueriensium, Deruentione.
Die Garnisonen entlang des Hadrianswalles (item per lineam Valli):
- Cohortis quartae Lingonum, Segeduno,
- Tribunus Alae Petrianae, Petrianis,
- Praefectus Cohortis primae Cornoviorum, Ponte Aeli,
- Tribunus Alae primae Asturum, Cilurno,
- Praefectus Numeri Maurorum Aurelianorum, Aballaba,
- Praefectus Cohortis primae Frixagorum, Vindobala,
- Tribunus Cohortis secundae Lingonum, Segeduno,
- Tribunus Alae Sabinianae, Hunno,
- Praefectus Cohortis primae Hispanorum, Axeloduno,
- Tribunus Alae secundae Asturum, Aesica,
- Praefectus Cohortis secundae Thracum, Gabrosenti,
- Tribunus Cohortis primae Batavorum, Procolitia,
- Tribunus Cohortis primae Aeliae classicae, Tunnocelo,
- Tribunus Cohortis primae Tungrorum classicae, Borcovicio,
- Tribunus Cohortis primae Morinorum, Glannibanta,
- Tribunus Cohortis quartae Gallorum, Vindolana,
- Tribunus Cohortis tertiae Nerviorum, Alione,
- Tribunus Cohortis primae Asturum, Aesica,
- Cuneus Sarmatarum, Bremetenraco (kein Offizier angegeben)
- Cohortis secundae Dalmatarum, Magnis,
- Tribunus Alae primae Herculeae, Olenaco,
- Praefectus Cohortis primae Aeliae Dacorum, Amboglanna,
- Tribunus Cohortis sextae Nerviorum, Virosido,
- und eine unbekannte Einheit im Kastell Luguvallii.
Zuordnung der Truppen
Alle diese Einheiten sind Limitanei. Jedoch scheinen einige auch für den Comes Britanniarum zur Verfügung gestanden haben. Die letztgültige Liste des Dux Britanniarum wurde wohl noch vor der des Comes Britanniarum abgeschlossen. Sie dürfte jedoch nicht mehr auf der Originalausgabe der Notita Dignitatum beruhen; andernfalls müssten wir noch eine Einheit (Segontienses) vorfinden, die bei Segontium (Caernavon in Wales) stationiert war. Da es für Einheiten der Feldarmee unwahrscheinlich ist, dass sie nur als Verstärkung für abgelegene Garnisonen abgestellt worden sind, scheint es, dass stattdessen die britischen Limitanei immer weiter verringert wurden, um mit ihnen die gallische Feldarmee als Pseudocomitatenses aufzufüllen.
Der Comes Britanniarum ist in der Notita Dignitatum ebenfalls als Befehlshaber einer Einheit von Equites catafractarii iuniores angeführt, aber seltsamerweise werden in der Notita Dignitatum nicht (wie bei Comitatenseseinheiten sonst üblich) Einheiten von Equites catafractarii unter dem Oberbefehl des Magister Equitum verzeichnet; so nimmt man an, dass diese Einheit ein und dieselbe ist wie die, die laut Truppenliste des Magister Equitum in der Notita Dignitatum durch den Praefectus equitum catafractariorum befehligt wird. Diese Einheit scheint erst nachträglich - der gegen Ende der römischen Herrschaft in Britannien - aufgestellten Armee des Comes Britanniarum zugeordnet worden sein und verlor damit auch ihren festen Stationierungsort.
Der Cuneus Sarmatarum war eine Kavallerieeinheit, die sich aus Angehörigen des Reitervolkes der Sarmaten rekrutierte.
Die Equites Crispianorum dürften nach Crispus benannt worden sein, dem ältesten Sohn Konstantins I., der nach einer angeblichen Verschwörung im Jahre 326 auf persönliche Anordnung des Kaisers hingerichtet wurde. Das Weiterbestehen seines Namens in dieser Einheit (zusammen mit dem Auxilium Crispitienses unter dem Dux Daciae) zeigt, dass er wohl nicht unter die ansonsten rigoros gehandhabte damnatio memoriae (Nichtgedenken) fiel.
Die Männer unter dem Praefectus Numeri defensorum scheinen dieselben zu sein wie die Defensores seniores (eine pseudocomitatensische Einheit aus Gallien unter dem Befehl des Magister Equitum).
Die Männer unter dem Praefectus Numeri exploratorum waren Aufklärer und ebenfalls eine gallische Einheit der Pseudocomitatenses (mit dem Magister Equitum als Befehlshaber), die aber auch teilweise dem Comes Litoris Saxonici zur Verfügung stand.
Bei der Einheit der Legio sexta handelt es sich um eine der alten Stammlegionen Britanniens, die Legio VI aus Eburacum/York. Interessanterweise scheint sie in der Spätantike keine eigene Garnisonsfestung mehr gehabt zu haben. Man würde zudem erwarten, dass diese Legion (ihr voller Name war Legio VI Victrix Pia Fidelis Britannica) immer noch in York stationiert ist; diese Abwesenheit kann jedoch ein Beweis sein, dass die Einheit möglicherweise gerade an einen anderen Standort verlegt wurde, während die Liste des Dux Britanniarum in der Notita Dignitatum zusammengestellt wurde. Möglicherweise steht die VI. aber auch in Zusammenhang mit den historisch nicht faßbaren Primani iuniores in der Armee des Comes Britanniarum.
Die Männer unter dem Praefectus Numeri Solensium könnten laut A.H.M.Jones (1986) der Rest einer weiteren britischen Stammlegion - der Legio XX Valeria Victrix - gewesen sein. Sie ist die einzige, die nicht mehr in der Notita Dignitatum angeführt wird. Der letzte Beweis für ihre Anwesenheit in Britannien ist ihre Nennung auf Münzen des Usurpators Carausius, hundert Jahre bevor die Notita Dignitatum editiert wurde.
Literatur
- Alexander Demandt: Geschichte der Spätantike: Das Römische Reich von Diocletian bis Justinian 284-565 n. Chr. München 1998, ISBN 3-406-57241-3 (Beck Historische Bibliothek).
- Nick Fields: Rome’s Saxon Shore Coastal Defences of Roman Britain AD 250–500. Osprey Books, 2006, ISBN 978-1-84603-094-9 (Fortress 56).
- Arnold Hugh Martin Jones: The Later Roman Empire, 284-602. A Social, Economic and Administrative Survey. 2 Bde. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1986, ISBN 0-8018-3285-3.
- Simon MacDowall: Late Roman Infantryman, 236-565 AD. Weapons, Armour, Tactics. Osprey Books, 1994, ISBN 1-85532-419-9 (Warrior 9).
- Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum. de Gruyter, Berlin 2005, ISBN 3-11-018835-X.
- Fran & Geoff Doel, Terry Lloyd: König Artus und seine Welt, Aus dem Englischen von Christof Köhler. Sutton, Erfurt 2000, ISBN 3-89702-191-9.
- Guy de la Bedoyere: Hadrians Wall, History and Guide. Tempus, Stroud 1998, ISBN 0-7524-1407-0.
Weblinks
Kategorien:- Britannien (Römisches Reich)
- Militärgeschichte (Spätantike)
- Römische Militärgeschichte
Wikimedia Foundation.