Comes Illyrici

Comes Illyrici
Karte der illyrischen und der unteren Donauprovinzen im 2. Jahrhundert n Chr
Solidus des Flavius Constantius von 421. Am Revers wird der Kaiser als Heerführer dargestellt
Schildemblem der Lanciarii Comaginenses
Schildbemalung der Tertia Herculea
Schildbemalung der Legio Secunda Iulia Alpina
Schildzeichen der Tertiani

Ein Comes Illyrici (mitunter auch Comes per Illyricum; wörtlich: „Graf von Illyricum“) wurde im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. fallweise als Befehlshaber von spätrömischen mobilen Eingreiftruppen (Comitatenses) an der oberen und mittleren Donau eingesetzt.

Namentlich bekannte Comites:

  • Varronianus (4. Jahrhundert, der Vater des späteren Kaisers Iovian),
  • Aegidius (um 364 n. Chr.),
  • Vitalian (um 380 n. Chr.),
  • Romulus (um 488 n. Chr.)

Inhaltsverzeichnis

Definition und Funktion

Sein Verantwortungsbereich erstreckte sich im Wesentlichen auf die Provinzen des Illyricum occidentale:

  • Raetia I und II,
  • Ufer- und Binnennoricum,
  • Pannoniae I und II,
  • Valeria ripensis,
  • Savia,
  • Dalmatia und
  • Dacia.

Die Entwicklung der illyrischen Feldarmee lässt sich anhand von Vergleichen mit den Truppenlisten der östlichen Notitia (entstanden vor 395 n.Chr.) und der weströmischen Auflistung in der distributio numerorum (entstanden um 420 n.Chr.) verfolgen. Als ständige Einrichtung hat dieses Amt wahrscheinlich nie existiert. In der Notitia Dignitatum Occidentum findet er sich auch nicht in der Auflistung der übrigen Comites der westlichen Armee, sondern scheint nur unter dem Magister Peditum auf. Theodor Mommsen vertrat die Ansicht, dass er von diesem nur bei Bedarf ernannt wurde, z. B. als Spezialkommando für besondere Aufgaben oder in extremen Krisenzeiten. Der Magister Peditum konnte zwar diesen Titel nicht vergeben, sehr wohl aber einen Offizier mit den Befugnissen eines Comes vorübergehend einsetzen. Ammian schreibt,[1] dass im Jahr 364 n. Chr. ein Comes Aegidius das illyrische Aufgebot anführte, später wurde er in den Rang eines magister armorum per Illyricum erhoben.[2] Nach einem Bericht des Zosimos war um 409 n. Chr. ein Mann namens Generidus Befehlshaber der Truppen an der Donau, auch er wird als magister militum bezeichnet.

Für eine temporäre Einrichtung dieses Amtes spricht auch, dass der Comes Illyrici nicht im Index der anderen Comites limitium in der Notitia Dignitatum aufscheint und es in ihr keine Abbildungen von Städten oder Kastellen gibt, die er kontrollierte, noch sind irgendwelche andere Angaben vorhanden, dass ein Comes über einen längeren Zeitraum mobile Truppen in Illyricum befehligte. Die Forschung glaubt, dass dies auch ein Indiz dafür ist, dass die illyrische Feldarmee erst spät, um 420, unter Flavius Constantius aufgestellt worden ist (Illyricum war im übrigen noch vor 399 Teil des östlichen Imperiums und in dieser Zeit u. a. auch von den gotischen Föderaten des Alarich besetzt). Ihre Aufstellung war wahrscheinlich der Auftakt zum endgültigen Niedergang der Grenzsicherung am oberen und mittleren Donaulimes. Es ist bekannt, dass vor dieser Zeit noch andere Armeekommandanten (duces) in diesem Raum eingesetzt waren, deren Limitanei wurden im Ernstfall zuerst wohl auf andere Feldarmeen aufgeteilt und später in den Krisen des frühen 5. Jahrhunderts in der neuen illyrischen Feldarmee zusammengefasst. Constantius musste dafür alle noch verfügbaren Truppen zusammenkratzen um so die schweren Verluste des weströmischen Heeres auszugleichen, die es in den Kämpfen nach den Barbareneinfällen von 406 n.Chr. erlitten hatte.[3] Da er aus Geldmangel keine neuen Soldaten anwerben konnte, zog er die meisten dafür benötigten Einheiten aus den Limitanei heraus und stufte sie als Comitatenses ein. Trotz Abtretung der pannonischen Provinzen an Attila durch Aetius hat das Amt des comes illyrici wohl auch noch um die Mitte des 5. Jahrhunderts bestanden. Beim antiken Chronisten Priscos wird ein Mann namens Romulus aus Poetovio genannt, der als Mitglied einer Delegation hochrangiger Würdenträger 448 n. Chr. im Auftrag des Aetius an den Hof des Hunnenkönigs reist. Da Priscus auch erwähnt, dass Gesandtschaften überwiegend unter Führung der Heerführer der an das Hunnenreich angrenzenden Regionen standen, ist es möglich, dass Romulus das Amt des illyrischen Comes bekleidet haben könnte.

Unter Theodosius I. entsprach die Organisation der Armee nicht mehr dem althergebrachten System des Diokletian. Die meisten Heermeisterämter sowie die einzelnen Abschnittskommandos der Palast- und der mobilen Feldarmeen verschwanden, so vielleicht auch das Amt des Comes von Illyricum. Als Sicherungsmaßnahme für das von den Hunnen abgeschnittene Dalmatia richtete Aetius (neben einer vielleicht noch eine Zeit lang fortbestehenden comititiva illyrici) das Amt eines comes Dalmatiarum ein, das zunächst sein Vertrauter Marcellinus bekleidete. Einer seiner Nachfolger war später der gotische Truppenführer der Provinz Dalmatia, ein “comes primi ordinis“ im Rang eines vir illustris. Hierzu namentlich bekannt ist ein Mann namens Oswin dem unter Athanarich 526 n. Chr. u. a. die Truppen der Provinz Savia unterstanden. Zusätzlich weiß man von einem gewissen Comes Colosseus, ein Romane der in der Pannonia Sirmienses in Personalunion die Militär- und Zivilverwaltung leitete.

Truppen

Insgesamt 22 Einheiten werden in der Notitia Dignitatum unter dem Kommando des Comes Illyrici aufgelistet, die wiederum unter dem Oberkommando des Magister Peditum standen:

Auxilia palatina:

  • Sagittarii Tungri
  • Iovii iuniores
  • Sequani
  • Raeti
  • Sagittarii venatores
  • Latini
  • Valentinianenses felices
  • Honoriani victores ( auch Honoriani victores iuniores)
  • Seguntienses
  • Tungri
  • Mauri Honoriani seniores
  • Mattiarii Honoriani Gallicani

Legio Comitatenses:

Pseudocomitatenses:

  • Lanciarii Lauriacenses
  • Lanciarii Comaginenses
  • Secunda Iulia (auch Secunda Iulia Alpina)
  • Valentinianenses (aus Gallien)
  • Catarienses

Zuordnung der Einheiten

  • Bei den Valentinianenses handelt es sich wohl um die Valentinianenses iuniores, eine Einheit der auxilia Palatina. Andere Einheiten der Valentinianenses werden auch noch unter dem Magister Equitum in Gallien verzeichnet, von denen angenommen wird, dass sie ebenfalls mit den Valentinianenses iuniores identisch sind. Ihre Position in der Liste deutet entweder einen Rang als Pseudocomitatenses an oder eine völlig neu aufgestellte Einheit, die damals gerade erst in die Armee eingegliedert worden war. Bei einem Status als Palatinii wäre es allerdings sehr unwahrscheinlich, dass sie ursprünglich von den Limitanei abkommandiert wurden. In diesem Fall müsste dies eine Neuerung sein, die erst nach Valentinian III eingeführt wurde.
  • Die Catarienses dürften eine Einheit der Pseudocomitatenses sein (sie wurden wahrscheinlich ebenfalls kurze Zeit vorher in diesen Status angehoben). Sie ist mit hoher Wahrscheinlichkeit dieselbe Einheit, die durch einen Tribunus cohortis in Caratensis unter dem Dux Pannoniae Primae et Norici Ripensis befehligt wurden. Solche Abschreibfehler sind in der Notitia nicht selten.
  • Die Lanciarii Lauriacenses unter dem Comes Illyrici waren wohl ursprünglich Angehörige der Legio II Italica aus Lauriacum (Noricum ripense), dem heutigen Enns in Oberösterreich. Diese Einheit wurde vermutlich zwischen 395 und 420 in die illyrische Feldarmee eingegliedert.[4]
  • Die Seguntienses stammten ursprünglich aus Segontium (Caernarvon in Wales, Britannien) werden in der Notitia Dignitatum jedoch nicht mehr unter dem Dux Britanniarum angegeben. Es gibt archäologische Beweise für die Belegung dieses Kastells bis 390, darüber hinaus aber nicht mehr.
  • Wenn die o. g. Einheit ursprünglich aus Britannien gekommen war, dann höchstwahrscheinlich auch die der Tungri (dies passt zur römischen Gepflogenheit, Einheiten immer paarweise einzusetzen). In der Truppenliste des Dux Britanniarum wird auch tatsächlich ein Tribunus Tungrorum cohortis primae angegeben, stationiert bei Borcovicio (Vercovicium, heute Housesteads am Hadrianswall); in den vorangegangenen Jahrhunderten wurde sie noch als cohors millaria bezeichnet. Folglich scheint diese Einheit unter dem Comes Illyrici auf den Status von Palatinae (Gardetruppen) angehoben worden zu sein. Es ist hierbei, nebenbei bemerkt, auch eine Auffälligkeit in der Notitia, dass bei den Comitatenses keine Auxilia-Einheiten angegeben werden; sie werden entweder als Pseudocomitatenses oder Palatinae geführt. Wenn diese Truppe in der Zeit nach dem Tod Stilichos in Illyricum eingesetzt wurde, würde es auch reichlich Zeit für sie gegeben haben, sich zu bewehren und dafür in den Status von Palatinae befördert zu werden da sie dadurch auch ein Teil der italienischen Feldarmee wurde die als die beste in dieser Dekade galt.
  • Latini: Unter dem Befehl des Comes litoris Saxonici per Britanniam wird u.a. auch ein Praepositus militum Tungrecanorum in Dubris (Dover) angegeben, sie scheint, die gleiche Einheit wie eine andere britische Kohorte dieses Namens zu sein, die als equitata millaria civium Latinorum bei der cohors II Tungrorum genannt wird. Dessen letzte datierbare Erwähnung stammt aus dem Jahr 241 und gibt als Stationierungsort das ebenfalls am Hadrianswall gelegene Kastell Castleheads (Camboglana) an. Es sieht ganz danach aus, dass die Latini ebenfalls nach Illyricum versetzt und dort in den Palatinaestatus befördert wurden. Auch der Zusatz "civium Latinorum" ist ungewöhnlich; die übliche Bezeichnung für Kohorten römischer Bürger lautet civium Romanorum.
  • Die o.g. könnten gleichzeitig mit den Soldaten unter dem Praefectus numeri Pacensium (lt. Liste des Dux Britanniarum) abkommandiert und dann kurzerhand als Pacatienses eingetragen worden sein, obwohl es nicht der Norm entsprach, Auxiliaren mit einer Legionseinheit zu verschmelzen. Die Pacatienses werden in der Liste des Magister Peditum als Legiones-Comitatenses angegeben und dürften lange Zeit in Britannien gedient haben, bevor sie schließlich an den Comes Illyrici abgegeben wurden.

Die folgenden Einheiten der illyrischen Feldarmee wurden aus nordwestlichen Provinzen abgezogen:

  • Die Raeti dürften die Reste mittelkaiserzeitlicher rätischer Grenzeinheiten gewesen und schließlich als Cohors Raetorum unter einem Befehlshaber zusammengefasst worden sein.
  • Die Secunda Iulia Alpina ist eine Einheit, die ursprünglich aus dem westlichen Teil Italiens stammt. Deren Weiterbestehen wird in der Notitia in einer Kapitelüberschrift [6] angegeben, die zwar den Befehlsbereich aber weder Offiziere, Kastelle noch Städte angibt.

Literatur

  • Theodor Mommsen: Das römische Militärwesen seit Diocletian. In: Hermes. Band 24, 1889, S. 195–279 (zum comes Illyrici S. 264; online). Nachdruck in: Gesammelte Schriften. Teil 6, Band 3. 1910; 3. Auflage (Nachdruck) Olms, Hildesheim, 1994, ISBN 3-615-14646-8, S. 206–283 (S. 270).
  • Völkerverschiebungen im Ostalpen-Mitteldonau-Raum zwischen Antike und Mittelalter (375–600). In: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Band 39, Walter de Gruyter, 2003, ISBN 3-11-017855-9, S. 10, 17, 18 und 28.
  • Robert Grosse: Römische Militärgeschichte von Gallienus bis zum Beginn der byzantinischen Themenverfassung Weidmann, Berlin 1920; Nachdruck Ayer Publishing, 1975, ISBN 0-405-07083-7, S. 170–171,
  • Arnold Hugh Martin Jones: The Later Roman Empire. 284–602, a social, economic and administrative survey. Johns-Hopkins-Univ. Pr., Baltimore, Md,
  • Peter Heather: Der Untergang des Römischen Weltreiches, Rowohlt TB Verlag, Reinbeck b. Hamburg 2011, ISBN 978-3-499-62665-4.

Weblinks

Anmerkungen

  1. 26, 5, 3.
  2. Amm. 29, 6, 3.
  3. Peter Heather: 2011, S.472
  4. Peter Heather: 2011, S. 570 Anm. 48
  5. ND Occ.V 109, 110; 259; VII 58, 59
  6. VII. Qui numeri ex praedictis per infrascriptas provincias habeantur/Intra Italiam

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