- Dekumatland
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Agri decumates bzw. decumates agri (wörtlich wohl Zehntland), deutsch Dekumatland, ist bei Tacitus (Germania 29, 3) die Bezeichnung für ein Gebiet jenseits (also östlich bzw. nördlich) von Rhein und Donau, das nach seiner Aussage ursprünglich von Kelten bewohnt, jedoch bald auch von germanischen Sueben besiedelt wurde und zum Römischen Reich gehörte.
Tacitus im Jahr 98 über das Zehntland: "Nicht unter die Völker Germaniens möchte ich die Leute rechnen, die die agri decumates bearbeiten, obwohl sie sich jenseits von Rhein und Donau niedergelassen haben: die abenteuerlustigsten Gallier, die die Not kühn gemacht hat, haben den Boden, dessen Besitz umstritten war, besetzt; seitdem dann der Grenzwall angelegt und die Grenzwachen weiter nach vorn verlegt worden sind, bilden sie einen vorgeschobenen Posten unseres Hoheitgebietes und einen Teil der Provinz."
Gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. hatten die Römer unter Kaiser Vespasian das Gebiet besetzt und sicherten es seit Domitian durch eine Reihe von Befestigungsanlagen, die zuletzt unter Antoninus Pius vorgeschoben wurden (Obergermanisch-Raetischer Limes). Das Dekumatland gehörte seit Domitian zur Provinz Germania Superior. Unter römischem Schutz blühte das Land auf; es profitierte von der Anwesenheit der zahlungskräftigen Grenztruppen, die versorgt werden mussten. Dies scheint, wie ja auch Tacitus berichtet, viele Zuwanderer, insbesondere aus Gallien, ins Land gelockt zu haben. Erst im 3. Jahrhundert wurde es durch Einfälle der Alamannen erheblich verheert und ging zwischen 260 und 280 (spätestens nach dem Tod des Probus) endgültig an die Alamannen verloren (bzw. es wurde von römischen Truppen geräumt). Gegen Ende des Jahrhunderts gehörte es aus römischer Sicht zur Alamannia, wenngleich das Imperium nie formal auf seine Ansprüche auf das Dekumatland verzichtete und man noch bis weit ins 4. Jahrhundert hinein Feldzüge dorthin unternahm und die dortigen Fürsten zur Unterwerfung zwang (z. B. Julian Apostata).
Das Dekumatland nahm zumindest den Südwesten des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg ein. Ob auch die nördlich des Neckar gelegenen rechtsrheinischen Gebiete sowie die nördlich der Donau gelegenen Teile von Raetia zu den agri decumates zählten, ist unklar - Tacitus' knappe Notiz scheint eher dagegen zu sprechen. Die - soweit bekannt - einzige römische Ortschaft im Dekumatland, deren Einwohner bereits vor 212 das römische Bürgerrecht besaßen, war das municipium Arae Flaviae (Rottweil), das Kaiser Vespasian gründen ließ.
Die Herkunft des Namens agri decumates, den nur Tacitus erwähnt, ist umstritten. Oft wird er, wie gesagt, mit "Zehntland" übersetzt, und es wäre denkbar, dass es sich um ein dem römischen Kaiser tributpflichtiges Land handelte, das den zehnten Teil seiner Erzeugnisse abgeben musste. Doch einige Gelehrte sind der Ansicht, dass diese Erklärung etymologisch unmöglich sei. Es ist auch möglich, dass die Bezeichnung vielleicht von einem uns unbekannten Ort namens Decuma oder Decumum abgeleitet wurde; und auch weitere Möglichkeiten werden in der Forschung diskutiert.
Literatur
- H. Nuber: Decumates agri, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 5 (1984), S. 271ff.
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