- Alamannen
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Die Alamannen oder Alemannen waren eine antike und frühmittelalterliche Bevölkerungsgruppe, die dem westgermanischen Kulturkreis zugeordnet wird.
Alemannische Bevölkerungsgruppen werden sowohl anhand archäologischer Quellen (wie Bevölkerungssitten und Trachten) als auch anhand historischer Quellen (schriftliche Zeugnisse) identifiziert. Bleibende Kernräume ihrer frühmittelalterlichen Siedlungs- und Herrschaftsgebiete, der Alamannia (Alemannia), lagen vor allem im heutigen Baden-Württemberg und Elsass, in Bayerisch-Schwaben, der Deutschschweiz, Liechtenstein und Vorarlberg. Diese Gebiete teilten sie sich zumeist mit gallorömischen und rätischen Bevölkerungsgruppen.
Zwischen dem 6. und dem 9. Jahrhundert ging die Alemannia politisch und kulturell im Ostfrankenreich auf und wurden zwischen dem 10. und zum 13. Jahrhundert politisch nochmals vom staufischen Herzogtum Schwaben zusammengefasst.
Die neuzeitliche Dialektologie griff bei ihrer Einteilung der deutschen Dialekte auf die Alemannen zurück und gruppierte die westoberdeutschen Mundarten zu den „alemannischen Dialekten“.
Inhaltsverzeichnis
Begriffsgeschichte
Antike und Mittelalter
Lange Zeit wurde als erste Erwähnung der Alamannen der Bericht im Geschichtswerk des im 3. Jahrhundert n. Chr. schreibenden Historikers Cassius Dio angenommen, wonach die Germanen, die Kaiser Caracalla 213 bekämpfte, zu den Alamannen zu zählen seien. Allerdings ist diese Annahme in der neueren Forschung sehr umstritten; die Erwähnung bei Cassius Dio wird in der Regel als eine spätere Interpolation betrachtet, wenngleich es auch einige Gegenstimmen gibt.[1] Die Bedeutung des Namens, der erstmals 289 n. Chr. in seiner lateinischen Form Alamanni und später auch Alemanni erscheint, ist umstritten. Wahrscheinlich ist er germanischen Ursprungs und bedeutet „Menschen allgemein“ oder „alle (wehrfähigen) Männer“. Die Deutung des Namens als zusammengespülte und vermengte Menschen durch den römischen Historiker Asinius Quadratus, dessen Zeugnis nur bei dem spätantiken Autor Agathias (um 580) bewahrt wurde, könnte auf die Entstehung der Alamannen durch ein Zusammenwachsen von Gefolgschaften, Familiengruppen und einzelnen Menschen verschiedener Herkunft zurückgehen.
Der Ausdruck „Schwaben“ (abgeleitet von Suebi in frühen römischen Quellen) entwickelte sich im Frühmittelalter zu einem Synonym zu „Alemannen“ bzw. „Alemannien“/„Alamannien“ und ersetzte jene im Laufe des Mittelalters. Über die Herkunft der Doppelbenennung gibt es im Wesentlichen zwei Theorien:[2]
- Die Alamannen sind im Wesentlichen Elbgermanen, daher sei es möglich, dass sie zu großen Teilen aus Stämmen kamen, die sich den Sueben zurechneten. Der Name Sueben sei als Eigenbezeichnung erhalten geblieben und habe erst im Frühmittelalter die Fremdbezeichnung Alamannen wieder abgelöst.
- Im 5. Jahrhundert sind archäologisch Einflüsse aus dem Donauraum in Alamannien festzustellen. Es wurde vermutet, dass diese auf von dort zugewanderte Donausueben zurückzuführen seien, die ihren Namen mit zu den Alamannen gebracht hätten.
Bis um 500 wurden Alamannen und Sueben unterschieden, ab dem 6. Jahrhundert werden die beiden Namen dagegen ausdrücklich als gleichbedeutend überliefert. Der Sueben-Name setzte sich allerdings durch, als das Siedlungsgebiet der Alamannen, das bis dahin als Alamannia betitelt worden war, im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zum Herzogtum Schwaben wurde.
Neuzeit
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der historische Name zuerst in der eingedeutschten Form Allemannen für die Dialekte am Hoch- und Oberrhein wiedereingeführt. Die Sprachwissenschaft bezeichnete dann im Rückgriff auf die historischen Alemannen alle südwestoberdeutschen Dialekte (einschließlich Schwäbisch) als alemannisch. Entsprechend wurden auch regionale Hausbauweisen und einheimisches Brauchtum als alemannisch benannt, wie etwa die alemannische Fasnacht.[3]
Für den nordöstlichen Teil des alemannischen Dialektraums ist die Dialekt- und Eigenbezeichnung schwäbisch üblich geblieben, weshalb sich die dortige Bevölkerung meist als Schwaben bezeichnet. Die Bevölkerung um Hoch- und Oberrhein, mehr noch im Elsass, der Schweiz und Vorarlberg betrachtet sich nicht bzw. schon lange nicht mehr als Schwaben,[4] weshalb dort heute teilweise die Eigenbezeichnung als Alemannen verbreitet ist. In Baden-Württemberg grenzen sich zum Beispiel die Bewohner des ehemaligen Landes Baden oft als Alemannen gegen die Schwaben aus Württemberg ab; ähnlich verhält es sich bei Deutschschweizern, in Mittelschwaben und im Allgäu, vgl. Schwaben und Alemannen und Volksgruppe im Artikel Schwaben.
Die Verwendung der zwei Namensvarianten „Alamannen“ und „Alemannen“ ist gegenwärtig nicht einheitlich. Während für die mittelalterliche Bevölkerungs- und Kulturgruppe bundesdeutsche Archäologen, Denkmalschutzämter und Museen überwiegend die Bezeichnung „Alamannen“ gebrauchen, sprechen bundesdeutsche Historiker sowie Schweizer Archäologen und Museen überwiegend von „Alemannen“. Grundsätzlich gibt es aber keinen Unterschied in der Bedeutung der beiden Bezeichnungen.
«Alemannia» als Bezeichnung für «Deutschland»
Gegen Ende 13. Jahrhundert wird im Heiligen Römischen Reich die Bezeichnung regnum Alamanniae anstelle von regnum Theutonicum für den engeren Bereich des «deutschen» Königreiches gebräuchlich. Dies spiegelte die Verlagerung des politischen Schwerpunkt des Reiches auf den deutschen Süden wider. Vor dieser Zeit wurde der Ausdruck selten verwendet. Damit verschwindet auch die Verwendung von Alamannia als alte oder alternative Bezeichnung für das Herzogtum Schwaben und die bisherige Titulatur rex Romanorum des deutschen Königs allmählich. Dieser Wechsel in der Titulatur hatte auch politische Gründe und fiel mit dem Interregnum bzw. dem Königtum von Rudolf von Habsburg zusammen. Im Gegensatz zur Landesbezeichnung konnte sich deshalb der Wechsel in der Titulatur zu rex Alamanniae nicht durchsetzen. Die in dieser Zeit neu aufkommenden Mendikantenorden verwenden Alamannia dementsprechend für ihre deutschsprachigen Ordensprovinzen. Auch in England, Frankreich und Italien wird diese Titulatur übernommen als rei de Alemange, rois d'Allmaigne, rey d'Alamaigne.[5]
Im Reich selbst beginnt sich ab dem 14. Jahrhundert die Bezeichnung deutsche Lande durchzusetzen und die Verwendung von Alamannia verliert sich für Deutschland und wird nur noch außerhalb des Landes tradiert.[6] So blieb allemand bzw. Allemagne im französischen die Bezeichnung für deutsch bzw. Deutschland. Von dort übernommen sind los alemanes im Spanischen, os alemães im Portugiesischen, Almanlar im Türkischen, Elman oder Alman im Arabischen, Kurdischen und Persischen.
Alamannenstämme
Eine einheitliche Stammesführung der frühen Alamannen ist nicht nachweisbar. Stattdessen werden in den römischen Quellen des 3. bis 5. Jahrhunderts gelegentlich alamannische Teilstämme genannt, die ihrerseits eigene Könige hatten. Bekannte Alamannenstämme sind die Juthungen, die nördlich der Donau und Altmühl angesiedelt waren, die Bucinobanten (lateinisch Bucinobantes) im Mainmündungsgebiet bei Mainz, die Brisgavi, die, wie der Name bereits vermuten lässt, im Breisgau ansässig waren, die Rätovarier in der Umgebung des Nördlinger Rieses und die Lentienser, die im Umfeld des Linzgaus nördlich vom Bodensee vermutet werden.
Allgemeine Geschichte
Die Alemannia
Unter der Alemannia (bzw. Alamannia, Alemannien, Alamannien) verbergen sich verschiedene Vorstellungen. Darunter kann verstanden werden:
- archäologisch fassbare Siedlungsgebiete von Alemannen
- politisch-militärische Herrschaftsgebiete von Alemannen (darunter jene alemannischer Herzöge und Könige)
- Verbreitungsgebiet alemannischer Dialekte oder Sprachen.
Diese drei Gebietskonzepte sind keineswegs deckungsgleich, überlappten sich im Verlauf der Geschichte jedoch vermutlich in weiten Teilen.
Die Alemannen entwickelten sich im Verlauf des 3. Jahrhunderts n. Chr. vermutlich aus verschiedenen elbgermanischen, darunter wohl suebischen Stämmen, Heerhaufen und Gefolgschaften im Gebiet zwischen Rhein, Main und Lech.
Germanen am Limes - bis um 260 n. Chr.
Schon seit den Zeiten des suebischen Königs Ariovist im 1. Jh. v. Chr. wanderten suebische Verbände aus dem Elb-/Saalegebiet ins Rhein-/Main-/Neckargebiet. Nach Beendigung der römischen Germanenkriege im 1. Jahrhundert traten in der Oberrheinzone zwischen Mainz und Straßburg sowie im unteren Neckarland kleine germanische Siedlungsgruppen auf, für die der Name Suebi Nicrenses überliefert ist. Während sich diese Sueben auf römischem Reichsgebiet im Lauf der Zeit romanisierten, traten zu Anfang des 3. Jahrhunderts vor dem römischen Limes neue Germanengruppen auf, die ab 213 immer wieder auf Plünderungszügen in die römische Provinz eindrangen. Ob diese Gruppen damals schon als Alamanni bezeichnet wurden, ist nicht sicher. Auch ob diese Verbände sich selbst als Alamannen bezeichneten oder die Römer diese Bezeichnung für die germanischen Gruppen am Ober- und Mittelrhein zur Unterscheidung von anderen germanischen Verbänden verwendeten, ist unklar.
Die früher oft geäußerte Vermutung, die Alamannen hätten sich im Inneren Germaniens gebildet, gilt heute als überholt. Gesicherte Erkenntnisse darüber gibt es keine, da nur archäologische Funde und keine schriftlichen Quellen vorliegen. Die Herkunft der Neusiedler kann jedoch anhand der von ihnen mitgebrachten archäologischen Sachkultur bestimmt werden, die sich am besten vergleicht mit dem elbgermanischen Raum zwischen Ostniedersachsen und Böhmen, vor allem zwischen Nordharz, Thüringer Wald und Südwest-Mecklenburg.
Das Ende des Limes
→ Hauptartikel: Limesfall
Größere Angriffe sind 213 und 233/234 überliefert. Der Einfall von Alamannen nach Gallien unter dem König Chrocus in den 50er Jahren des 3. Jahrhundert soll nach dem späteren Bericht von Gregor von Tours (Decem Libri Historiarum, 1, 32–34) das Land völlig verwüstet haben. Kaiser Gallienus gelang es 260 bei Mailand, die Alamannen zu bezwingen, ebenso konnten römische Truppen bei Augsburg einen Sieg über die Juthungen erringen (siehe Augsburger Siegesaltar), dennoch konnte das durch Bürgerkriege und äußere Invasionen erschütterte Römische Reich, das zu dieser Zeit eine schwere Krisenzeit (Reichskrise des 3. Jahrhunderts) durchlebte, den Limes und damit das Gebiet nördlich und östlich des Rheins in Süddeutschland, das Dekumatland, nicht mehr halten. Nachdem mehrfach Truppen für innerrömische Kämpfe von der Grenze abgezogen worden waren, muss zumindest der militärische Schutz dieser Provinz um 260 aufgegeben worden sein.
In der Folge des Limesfalls konnten sich germanische Gruppen in dem ungeschützten Gebiet niederlassen, das danach von den Römern bis hin zum Main Alamannia genannt wurde. Danach häuften sich auch die römischen Berichte über die Alamannen als Bezeichnung für die germanischen Verbände im oben genannten Gebiet. Die althistorische und archäologische Forschung ist heute mehrheitlich der Ansicht, dass erst nach Besiedlung des Dekumatlands sich aus verschiedenen germanischen Siedlergruppen langsam der Stamm oder die Stammesgruppe der Alamannen gebildet habe. In jüngster Zeit wird zudem die These diskutiert, das Eindringen der germanischen Stämme sei mit Zustimmung Roms erfolgt, das den Neuankömmlingen die Vorfeldsicherung übertragen und diese durch foedera an sich gebunden habe. Zudem ist zu bedenken, dass strenggenommen nicht von den Alamannen gesprochen werden kann, da den zahlreichen Kleingruppen lange eine einheitliche Führung fehlte.
Am 21. April 289 n. Chr. hielt Mamertinus in Augusta Treverorum (Trier) eine Lobrede auf Kaiser Maximianus und erwähnte dabei die Alamanni. Dies ist die erste zeitgenössische Erwähnung der Alamannen. Ab diesem Jahr ist für das Gebiet nördlich des Rheins auch die Bezeichnung Alamannia nachweisbar. Eine erste Nennung der Alamannen zum Jahr 213, als nach dem Bericht des römischen Historikers Cassius Dio (um 230) Kaiser M. Aurelius Antoninus Caracalla nach einem Sieg über die Alamannen den Beinamen Alamannicus angenommen haben soll, ist, wie bereits eingangs erwähnt, in ihrer Zuverlässigkeit inzwischen sehr umstritten.
Etwa um das Jahr 260 n. Chr. wurde der Limes auf eine neue Linie, den Donau-Iller-Rhein-Limes zurückgenommen, der nur noch die römische Provinz Rätien (etwa heutiges Allgäu und Schweiz) schützte. Dieser wurde zu Beginn des 4. Jh. stark befestigt. Die neue Grenzlinie zu den Alamannen konnte die römische Grenze bis 401 n.Chr (Abzug der römischen Legionen) bzw. 430 n.Chr. (Abzug der Burgunden, die als foederatii den Grenzschutz übernahmen) verteidigen. Einbrüche der Alamannen (genauer Juthungen) in den Jahren 356 und 383 konnten so noch abgewehrt, bzw. in den Jahren 430 und 457 erst in Italien zurückgeschlagen werden.
Ansiedlung
Die frühen alamannischen Ansiedlungen entstanden oftmals in der Nähe der Ruinen der römischen Kastelle und Villen, jedoch nicht in deren Gebäuden. Die Steingebäude der Römer wurden nur selten noch eine Weile weiterbenutzt (z. B. durch Holzeinbauten in einem Badegebäude der Villa bei Wurmlingen). Meistens errichteten die frühen Alamannen traditionelle Pfostengebäude mit lehmverputzten Flechtwerkwänden. Die Fundlage zu den frühen Alamannen ist jedoch dünn. Siedlungsfunde wie von Sontheim im Stubental sind die Ausnahme. Selbst Grabfunde wie ein Frauengrab bei Lauffen am Neckar oder das Kindergrab von Gundelsheim sind relativ selten. Vermutlich wurde das Gebiet nur langsam von einsickernden Germanengruppen besiedelt. Nur in bestimmten Gegenden, etwa im Breisgau, sind schon früh Siedlungskonzentrationen festzustellen, die vielleicht im Zusammenhang stehen mit gezielter Ansiedlung durch die Römer zum Schutz der Rheingrenze. Schon im 4. Jahrhundert bestanden alamannische Höhenburgen wie auf dem Glauberg und Runden Berg bei Bad Urach.
Die Bevölkerung Südwestdeutschlands in römischer Zeit bestand wohl vor allem aus romanisierten Kelten, im Nordwesten auch romanisierten Germanen (z. B. die Neckarsueben) und Zuwanderern aus anderen Teilen des Reiches. In welchem Umfang Teile dieser Bevölkerung nach dem Abzug der römischen Verwaltung im Land zurückblieben, ist nicht genau bekannt. Die Kontinuität einiger Fluss-, Orts- und Flurnamen lässt aber vermuten, dass auch provinzialrömische Bevölkerungsanteile in den Alamannen aufgegangen sind. So wird im mittleren Schwarzwald das Fortbestehen einer romanischen Sprachinsel möglicherweise bis ins 9./10. Jahrhundert angenommen.[7]
Spätantike
Die historischen Quellen über die frühen Alamannen sind ähnlich spärlich wie die archäologischen. Die Berichte des Ammianus Marcellinus beleuchten Teile des 4. Jahrhunderts etwas besser. Vor allem zur Untergliederung in Teilstämme und für Folgerungen zur politischen Struktur ist er die wichtigste Quelle.
Vom ehemaligen Dekumatland aus unternahmen Alamannen wiederholt Raubzüge in die angrenzenden Provinzen des römischen Reiches Raetia und Maxima Sequanorum, aber auch bis weit nach Gallien hinein. Sie erlitten dabei wiederholt Niederlagen gegen römische Heere, so durch Kaiser Constantius 298 bei Langres und bei Vindonissa (Windisch). Nach der verlustreichen Schlacht bei Mursa 351 zwischen dem gallischen Usurpator Magnentius und Kaiser Constantius II. durchbrachen die Franken und Alamannen gemeinsam die Rheingrenze. Die Alamannen besetzten die Pfalz, das Elsass und die Nordostschweiz. Erst der Sieg des Caesar (Unterkaisers) Julian in der Schlacht von Argentoratum (Straßburg) 357 gegen die vereinigten Alamannen unter Chnodomar sicherte die Rheingrenze erneut. Die alamannischen Kleinkönige mussten sich (erneut?) vertraglich an Rom binden. Während der Regierungszeit Kaiser Valentinians I. gelang es alamannischen Gruppen zweimal, 365 und 368, ins Reichsgebiet einzudringen und unter anderem Mogontiacum (Mainz) zu plündern. Nach einem Vergeltungsfeldzug, der Valentinian I. 369 den Beinamen Alamannicus einbrachte, ließ er die Rheingrenze durch eine neue Reihe von Kastellen sichern, so in Altrip, Breisach am Rhein und gegenüber von Basel. Die Grenze am Hochrhein wurde mit einer Kette von Wachtürmen (burgi) verstärkt. 374 schlossen Alamannen unter ihrem Teilkönig Makrian einen dauerhaften Frieden mit Valentinian I. Dennoch musste sein Nachfolger, Kaiser Gratian, 378 wiederum einen Feldzug gegen Alamannen führen, der als letzter Vorstoß römischer Truppen über die Rheingrenze gilt. Danach standen die Alamannen längere Zeit in einem Foederaten-Verhältnis zum Römischen Reich.
Schlachten zwischen Alemannen und Römern:
- 259 – Schlacht von Mediolanum – Kaiser Gallienus rettet Rom.
- 260 – Schlacht bei Augusta Vindelicorum (Augsburg) – Raetischer Statthalter siegt.
- 268 – Schlacht am Lacus Benacus (Gardasee) – Kaiser Claudius II. siegt
- 271 – Schlacht von Placentia – Kaiser Aurelianus verliert
- 271 – Schlacht bei Fano – Kaiser Aurelianus siegt
- 271 – Schlacht von Pavia – Kaiser Aurelianus vernichtet ein juthungisches Heer
- 298 – Schlacht von Lingones – Caesar Constantius Chlorus siegt
- 298 – Schlacht von Vindonissa – Constantius siegt
- 356 – Schlacht von Reims – Caesar Julianus verliert
- 357 – Schlacht von Straßburg – Julianus vertreibt die Alemannen aus dem Elsass
- 367 – Schlacht bei Solicinium – Kaiser Valentinian I. siegt
- 378 – Schlacht bei Argentovaria – Kaiser Gratian siegt
Die Usurpation durch Magnus Maximus in Britannien und der Krieg mit den Franken erlaubte 383 einen Einbruch der Alamannen in Rätien, das Kaiser Valentinian II. nur mit Unterstützung der Alanen und der Hunnen wieder sichern konnte. Weitere interne römische Machtkämpfe unter Kaiser Theodosius I. schwächten die römische Position am Rhein. Dem Heermeister Stilicho gelang es zwar 396/398, die Verträge mit den Alamannen zu erneuern, dennoch musste er zum Schutz Italiens vor den Goten ab 401 die römischen Truppen von der Reichsgrenze abziehen. Es scheint nach neuesten Erkenntnissen danach jedoch nicht zu einem sofortigen „Alemannensturm“ in die ehemals römischen Gebiete gekommen zu sein. Archäologische Funde weisen darauf hin, dass die föderierten Alamannen zumindest noch eine ganze Zeitlang die Grenze schützten. Insbesondere Rätien wurde als „Schutzschild Italiens“ noch bis Mitte des 5. Jahrhunderts verteidigt: Römische Truppen wehrten 430 unter Flavius Aëtius und 457 unter Kaiser Majorian allerdings alamannische Einfälle nach Rätien und Italien ab. Gallien war den Plünderungszügen der Alamannen mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert und wurde gemäß dem (späten) Chronisten Fredegar nach 406 wiederholt verwüstet.
Wechsel in den Begräbnissitten
Mitte des 5. Jahrhunderts setzte sich bei den Alamannen – wie auch bei den benachbarten Westgermanen – eine neue Bestattungsform durch. Bisher waren in elbgermanischer Tradition Brandbestattungen in kleinen Grabgruppen oder gar isolierten Gräbern üblich. Archäologisch sind solche Gräber schwer zu erfassen und durch die Verbrennung auch schlecht auszuwerten. Schon in der Frühzeit gab es daneben eine zunehmende Anzahl von Körperbestattungen. Mit dem Wechsel zur Reihengräbersitte, wie z.B. im Gräberfeld von Stuttgart-Feuerbach, ändert sich für die Archäologie die Quellenlage aber dramatisch. Nun werden große Friedhöfe angelegt, in denen die Toten unverbrannt in Ost-West-Richtung in Reihen dicht nebeneinander bestattet werden. Ab dieser Zeit (bis um 800 die Reihengräberfelder wiederum zugunsten der Bestattung um die Kirche aufgegeben werden) werden detailreichere Aussagen zu Sachkultur, Handwerk, Bevölkerungsstruktur, Krankheiten, Kampfverletzungen und Sozialstruktur möglich.
Expansion und Unterwerfung
Ab 455 setzte eine West- und Ostexpansion von Alamannen nach Gallien und Noricum ein, über die nur ungesicherte Informationen vorliegen. Archäologisch sind die erwähnten Expansionen kaum nachzuvollziehen. In Sachkultur und Bestattungssitten lassen sich innerhalb der Reihengräberkultur etwa zu den Franken nur fließende Übergänge, kaum aber deutliche Kulturgrenzen ausmachen. Noch weniger Unterschiede gibt es zu den östlich benachbarten Germanen, den späteren Bajuwaren. Aussagen darüber sind im Wesentlichen aus Schriftquellen erschlossen. Besiedlung durch alamannische Bevölkerungsgruppen oder auch nur zeitweise alamannische Oberherrschaft reichen nördlich bis in die Gegend um Mainz und Würzburg, südlich bis zu den Voralpen, östlich bis zum Lech bzw. entlang der Donau bis fast nach Regensburg, westlich bis an den Ostrand der Vogesen, jenseits der Burgundischen Pforte bis um Dijon sowie südwestlich im Schweizer Mittelland bis an die Aare.
Ein Konflikt mit den benachbarten Franken führte nach Gregor von Tours irgendwann zwischen 496 und 507 zu entscheidenden Niederlagen der Alamannen gegen den fränkischen König Chlodwig I. aus dem Geschlecht der Merowinger. Dieser soll in Zusammenhang mit dem Sieg nach einer entscheidenden Schlacht den christlichen (katholischen) Glauben angenommen haben. Die Entscheidungsschlachten waren möglicherweise die Schlacht von Zülpich sowie die Schlacht bei Straßburg (506). Die nördlichen alamannischen Gebiete kamen dadurch unter fränkische Herrschaft. Der Ostgotenkönig Theoderich gebot der fränkischen Expansion zunächst Einhalt, indem er die südlichen Teile Alamanniens unter ostgotisches Protektorat stellte und Flüchtlinge der besiegten Alamannen unter seinen Schutz nahm. Aber schon 536/537 überließ der von byzantinischen Truppen bedrängte Ostgotenkönig Witigis dem Frankenkönig Theudebert I. unter anderem Churrätien und das Protektorat über "die Alamannen und andere benachbarte Stämme", um sich die Unterstützung der Merowinger zu erkaufen. Damit befanden sich alle Alamannen unter fränkischer Herrschaft.
Mit der Unterwerfung der Alamannen durch die Franken endete deren Souveränität, und es wurden unregelmäßig durch die fränkischen Könige Herzöge für das alamannische Gebiet eingesetzt. Eine lückenlose lineare Liste zu erstellen ist aufgrund der Quellenlage jedoch nicht möglich. Man geht davon aus, dass fränkische Adlige an strategisch wichtigen Orten angesiedelt wurden, um die Kontrolle des Landes zu sichern. Das bestätigt sich in Grabfunden mit fremden Schmuck- und Waffenformen, die aus dem westfränkischen Raum oder dem Rheinland stammen. Auch Angehörige anderer Völker des Frankenreichs wurden im alamannischen Gebiet angesiedelt, was sich bis heute in Ortsnamen wie Türkheim (Thüringer), Sachsenheim oder Frankenthal niedergeschlagen hat. Erst nach Einbeziehung ins Frankenreich wurde eine weitere Besiedlung bzw. Germanisierung der südlich angrenzenden romanischen Gebiete möglich. Nach den Erkenntnissen der neueren archäologischen Forschung[8] hat die alamannische Siedlungstätigkeit in der heutigen Deutschschweiz nicht vor Ende des 6. Jahrhunderts eingesetzt.
Alemannien unter den Merowingern und Karolingern
Alamannien wurde durch seinen autonomen Status im Frankenreich als Herzogtum in einem Gebiet gefestigt, das wohl größtenteils mit dem späteren Herzogtum Schwaben übereinstimmt. Das Elsass wurde jedoch meist als eigenes Herzogtum geführt und gehörte eigentlich nicht zu Alamannien. Der Schwerpunkt des fränkischen Herzogtums Alemannien lag im Gebiet südlich des Hochrheins und im Bodenseegebiet. Die Herzöge stammten verschiedentlich noch aus vornehmen alamannischen Familien und standen nicht immer in Konkurrenz zu fränkischen Adligen. So gründete zum Beispiel ein alamannischer Herzog zusammen mit dem fränkischen Hausmeier das Kloster Reichenau. Die relativ autonomen Herzöge des Frankenreichs versuchten oft, sich aus der Abhängigkeit vom fränkischen König zu lösen. So musste dieser auch wiederholt gegen aufständische alamannische Herzöge ins Feld ziehen. Im sogenannten Blutgericht zu Cannstatt 746 wurde der Widerstand endgültig gebrochen: Das Herzogtum Alamannien wurde aufgehoben und direkt von den Franken beherrscht. Damit verschwand der alamannische Herzogstitel für längere Zeit. Allerdings versuchte Kaiser Ludwig der Fromme, seinem Sohn Karl II. zwischen 829 und 838 ein Königreich Alemannia zu schaffen.
Im 7. Jahrhundert begannen Teile der Oberschicht, nicht mehr auf den Reihengräberfeldern, sondern beim Herrenhof ihre Toten zu bestatten. Steinkisten zeichnen in dieser Zeit die Gräber häufig aus. Durch die Christianisierung wurden Anfang des 8. Jahrhunderts die Reihengräberfelder ganz aufgegeben und die Friedhöfe künftig um die Kirche herum angelegt. Damit entfällt auch die wichtigste Quelle für die Archäologie der Alamannen.
Im 10. Jahrhundert wurde das ostfränkisch/deutsche Herzogtum Alamannien gegründet. Dieses Herzogtum lässt sich einigermaßen eingrenzen, auch ist seine fränkische Gaueinteilung halbwegs gesichert. Nach dem Investiturstreit wurde 1079 das Herzogtum faktisch geteilt. Der Thurgau, der Schwarzwald, der Breisgau und die Ortenau, die ebenfalls zum Herzogtum gehörten, blieben stets unter Zähringischer Vorherrschaft. Wurde das Herzogtum bis dahin noch als Herzogtum Alamannien bezeichnet, verschwand nun diese Bezeichnung und wurde fortan als Herzogtum Schwaben bezeichnet.[9]
Umstrittene Gebiete waren nach wie vor das Elsass und der Aargau, die vom benachbarten Herzogtum Lothringen bzw. vom Königreich Burgund beansprucht wurden. Der Name Alemannien geriet außer Gebrauch und wurde mit der Zeit nur noch als gelehrte historisierende Bezeichnung verwendet.
Siehe auch: Spätantike, Fränkisches Reich, Geschichte der Schweiz, Liste der Gaue von Alamannien/Schwaben, dem Elsass und von Hochburgund
Alamannische HerrscherKönige und Kleinkönige: Chrocus | Mederich | Chnodomar | Vestralp | Ur | Agenarich | Suomar | Hortar | Gundomad | Ursicinus | Makrian | Rando | Hariobaud | Vadomar | Vithicab | Priarius | Gibuld
Herzöge unter fränkischer Oberhoheit: Butilin | Leuthari I. | Haming | Lantachar | Magnachar | Vaefar | Theodefrid | Leutfred I. | Uncilin | Gunzo | Chrodobert | Leuthari II. | Gotfrid | Willehari | Lantfrid | Theudebald
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