Der Fürst

Der Fürst

Das Buch Der Fürst (italienisch Il Principe) wurde, um 1513 von Niccolò Machiavelli verfasst, postum 1532 publiziert. Es gilt neben den Discorsi als sein Hauptwerk. Teilweise in der Tradition der mittelalterlichen Fürstenspiegel geschrieben, gilt es ebenfalls als eines der ersten – wenn nicht als das erste – Werk der modernen politischen Philosophie. Eine eigene Interpretation entstand im Machiavellismus bzw. Antimachiavellismus.

Cesare Borgia, Porträt wahrscheinlich von Giorgione, Bergamo, Galleria dell' Accademia Carrara

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Eines der Motive des Autors, eines überzeugten Republikaners, war, die Gunst der Medici zu erwerben, welche zu dieser Zeit Florenz regierten. Nach dem Sturz der Republik Florenz hatten ihn diese in den Kerker werfen und mehrfach foltern lassen. Er schrieb ihnen Bettelbriefe und musste nach seiner Freilassung ins Exil gehen. Das Buch gefiel den Medici allerdings nicht, und so konnte Machiavelli keinen Nutzen daraus ziehen. Er wurde erst 1521 als Bürger von Florenz rehabilitiert.

Machiavelli lebte in einer Zeit des Umbruchs. In Italien entstand die Renaissance, und der Absolutismus begann sich auszubreiten. Die italienische Renaissance war eine Zeit, in der die Menschen auf die Antike zurückblickten und sich diese zum Vorbild nahmen. Die Menschen begannen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und nicht, wie es im Mittelalter der Fall war, sich ihrem Schicksal zu ergeben.

Auch Machiavelli und seine Arbeiten sind stark von den Gedanken der Renaissance und des Renaissance-Humanismus geprägt. Zu Zeiten Machiavellis war Italien in zahlreiche Kleinstaaten und Fürstentümer zerfallen und ständig von seinen Nachbarn, Spaniern, Franzosen und Deutschen bedroht. Als innerste Triebfeder für Machiavellis Werk kann der Wunsch angesehen werden, politische Lösungen zur Bewältigung dieser politischen Krise und deren negativen moralischen Folgen auf den Einzelnen (Machiavelli nennt sie Verderbtheit) zu finden. [1] Machiavelli schrieb Il principe also nicht aus reinem Eigennutz, sondern träumte von einem italienischen Staat und hoffte, dass ein Fürst kommen würde, der die Kraft und das Können besäße, Italien zu einen und es zu seinem alten Ruhm zurückzuführen. Einen solchen sah er in dem für seine Grausamkeit berühmten Cesare Borgia, dessen Taten er zum Teil stark glorifizierte und ihn als „lebendes“ Beispiel für viele seiner Handlungsempfehlungen anführte. Einen weiteren Hoffnungsträger sah er im Fürsten Lorenzo II. de’ Medici, dem Enkel von Lorenzo I. de’ Medici, dem er sein Werk widmete. Ihm sollte es als eine Art politischer Leitfaden dienen. Dirk Hoeges geht davon aus, dass Moses „mehr als jeder andere“ dem Idealfürsten nahekommt.

Zum Titel

Die ersten Übersetzungen des Werkes in das Französische, Englische und Deutsche stammen aus Zeit und Vorstellungswelt des Barock, für welche der Träger der höchsten Gewalt im Staat selbstverständlich ein durch Abstammung legitimierter Herrscher sein musste. Für Machiavellis politische Vorstellungen macht es jedoch keinen prinzipiellen Unterschied, ob das Staatsoberhaupt durch Abstammung legitimiert war oder ein zur Herrschaft gelangter Adliger bzw. Bürger, Kirchenfürst oder Condottiere war. Für ihn ist der principe im Sinne des römischen princeps Träger der höchsten Gewalt im Staat, und die principati mehr oder minder monarchisch regierte Staaten. Allerdings behandelt er ausführlich die spezifischen Probleme mit denen die jeweiligen Herrschaftsformen konfrontiert sind (Kapitel II, III, VI, VII, IX, und XI). Es ist daher wohl richtiger, den Begriff principe im allgemeinen mit Herrscher und principati mit Herrschaft wiederzugeben. [2]

Inhalt

Das Buch ist in 26 Kapitel aufgeteilt, wobei Machiavelli zunächst von den verschiedenen Fürstentümern spricht und wie man sie erlangen kann, anschließend über die richtige Führung eines Heeres und abschließend über das richtige Verhalten eines Fürsten und welche Eigenschaften er aufweisen sollte. Hier liegt der Schwerpunkt des Buches. Bereits mit dem ausführlichen Inhaltsverzeichnis verdeutlicht Machiavelli seine Intention. Die Kapitelüberschriften sind nach der Übersetzung von Rudolf Zorn gehalten. [3]

  1. Von den Herrschaftsformen und den Mitteln zur Erwerbung einer Herrschaft
  2. Von den ererbten Herrschaften
  3. Vermischte Alleinherrschaften
  4. Warum das von Alexander eroberte Reich des Darius sich nach Alexanders Tod nicht gegen seine Nachfolger aufgelehnt hat
  5. Wie man Städte oder Herrschaften regieren muß, die vor ihrer Eroberung nach eigenen Gesetzen lebten
  6. Von neuen Herrschaften, die man mit eigenen Waffen und durch Tüchtigkeit erobert
  7. Von neuen Herrschaften, die man mit fremden Waffen und durch Glück erobert hat
  8. Vom Erwerb einer Herrschaft durch Verbrechen
  9. Von der Herrschaft eines Bürgers
  10. Wie die Stärke jeder Herrschaft feststellen kann
  11. Von geistlichen Herrschaften
  12. Von den Möglichkeiten der Heeres-Organisation und von Söldnern
  13. Über Hilfstruppen, gemischte Verbände und Volksheere
  14. Wie sich ein Herrscher zum Heerwesen zu verhalten hat
  15. Weshalb die Menschen und vor allem die Herrscher gelobt und getadelt werde
  16. Über Freigebigkeit und Sparsamkeit
  17. Über Grausamkeit und Milde; und ob es besser ist, geliebt oder gefürchtet zu werden oder umgekehrt
  18. Inwieweit Herrscher ihr Wort halten sollen
  19. Vor Verachtung und Hass muß man sich hüten
  20. Ob der Festungsbau und viele andere Vorkehrungen, die täglich von Herrschern angewendet werden, nützlich sind oder nicht
  21. Was sich für einen Herrscher zu tun schickt, um zu Ansehen zu kommen
  22. Von vertrauten Mitarbeitern, die die Herrscher in ihrer Umgebung haben
  23. Schmeichler muß man meiden
  24. Warum die Herrscher Italiens ihr Land verloren haben
  25. Was Fortuna in den Dingen dieser Welt vermag und wie man ihr begegnen soll
  26. Aufruf, in Italien die Macht zu ergreifen und es von den Barbaren zu befreien

Letztlich haben fast alle Ratschläge Machiavellis mit dem Schluss-Kapitel zu tun, mit der Befreiung Italiens von den „Barbaren“. Anhand vieler Beispiele listet er auf, was in der jüngeren Vergangenheit in Italien alles falsch gelaufen und das Land deshalb zerfallen war. Er stellt Vergleiche mit Situationen in der Antike an und beleuchtet unterschiedliche Kriegs- und Eroberungs-Szenarien, denn für den erfahrenen Diplomaten stand außer Frage, dass die Kriegskunst das Wichtigste sei, womit sich ein Fürst zu beschäftigen habe, und warnt: „Die Verachtung dieser Kunst ist die erste Ursache für den Verlust der Herrschaft; die Erfahrenheit in ihr ist das Mittel, sie zu erwerben.“ Einer der bekanntesten und umstrittensten Abschnitte des Buches behandelt die Frage, ob ein Herrscher lieber als grausam oder als barmherzig gelten solle.

Machiavelli beginnt das Kapitel mit der Aussage, dass ein Fürst immer versuchen soll, als barmherzig und nicht als grausam zu gelten. Ist dies allerdings nicht möglich, so ist es vorzuziehen, als grausam zu gelten. Auf keinen Fall darf ein Fürst es allerdings zulassen, verachtet zu werden. Dies begründet Machiavelli damit, dass die Menschen im Allgemeinen undankbar, wankelmütig, falsch und feige seien. Im Frieden und Glück würden sie zu einem stehen und einem mit ihrem Leben die Treue schwören. Wende sich allerdings das Glück, so könne man sich auf die Unterstützung des Volkes nicht verlassen, da es einem den Rücken zudrehe und einen im Stich lasse. Gelte ein Fürst allerdings als grausam, so fürchte das Volk seine Rache und traue sich nicht, ihn zu hintergehen. Im ersten Falle sei der Fürst also vom Wohlwollen des Volkes abhängig, wohingegen im letzteren der Fürst sich auch bei dessen Wegfall immer noch durch die von ihm ausgehende Drohung auf das Volk verlassen könne. Zu beachten sei allerdings, dass der Fürst, wenn er sich gefürchtet mache, nicht zugleich verhasst werde. Dies könne er dadurch verhindern, dass er sich nie am Hab und Gut seiner Untertanen vergreife und dass er, falls Blutvergießen nötig sei, immer einen triftigen Grund vorzuweisen habe oder die Ursache offensichtlich sei. Dies begründet Machiavelli damit, dass es weitaus menschlicher sei, das Blut einiger weniger zu vergießen, als Unruhen und Anarchie zuzulassen, welche der ganzen Gemeinschaft schaden. Befehligt ein Fürst allerdings eine Streitmacht, so ist es seine Pflicht, als grausam zu gelten, weil er nur so in der Lage ist, Unruhen und Aufstände unter seinen Truppen zu unterbinden und seine Feinde zu schlagen. Hier verweist Machiavelli als Vorbild auf Hannibal, der für seine Grausamkeit berühmt war, und obwohl er Tausende Soldaten aus verschiedensten Ländern in die Schlacht führte, niemals mit Unruhen oder gar einem Aufstand zu kämpfen hatte.

Der Fürst kann als eine Anleitung für nach persönlichem Erfolg und Macht strebende Politiker gelesen werden. Er macht seinem Leser unweigerlich klar, dass für einen Fürsten alle Mittel recht sind, um sein Land in Ruhe und Frieden zu führen. Diese Lesart des Fürsten widerspricht jedoch den Intentionen Machiavellis in seinem Hauptwerk Discorsi, in dem er sich als leidenschaftlicher Republikaner äußert: „Nicht das Wohl der einzelnen, sondern das öffentliche Wohl macht Staaten groß!“, sowie: „Republiken sind Staaten, in denen das Volk Fürst ist!“. Spätere Aufklärer wie Spinoza, Rousseau und Diderot waren der Auffassung, dass Machiavelli mit dem Principe in erster Linie einer korrupten Machtpolitik die ideologische Legitimation entziehen wollte. Da Machiavelli zur gleichen Zeit mehrere Komödien und Satiren geschrieben hat (z. B. Belfagor, La Mandragola) und Il Principe in einem Brief an seinen Freund Guicciardini (19. Mai 1521) als „Ghiribizzi“ (Phantastereien) bezeichnete, gibt es viele Interpretations-Spielräume. Der deutsche Politiker Carlo Schmid analysierte in seiner Machiavelli-Biographie:

„Wer glaubt, Machiavelli sage, Politik könne man nur mit Gift und Dolch, Lüge und Verbrechen machen, hat ihn gründlich missverstanden. Wo es ohne diese Dinge geht, darf man diese Mittel gar nicht anwenden, nicht aus moralischen Gründen, sondern weil es unpolitisch wäre, es zu tun. Wo aber, gewissermaßen von der Technik des Machtkampfes her, in einer bestimmten Lage Gift und Dolch, Lüge und Verbrechen nicht entbehrt werden können, um den Gegner zu überwinden, wenn es wirklich um Sein oder Nichtsein geht, dann ist einer als Staatsmann nur dann richtig am Platze, wenn er es über sich bringt, sich dieser Mittel zu bedienen, sei es als nihilistischer Zyniker, sei es als einer, der dem Staat „das Königsopfer seiner Seele“ bringt. Das ist der Sinn des Wortes von Machiavelli, dass ein Staatsmann auch böse handeln können müsse.“

Carlo Schmid

Aus den Ideen, welche Machiavelli in seinem Werk Der Fürst niederschrieb, bildete sich eine eigene politische Maxime, der Machiavellismus, welcher heute meist als abwertender Begriff verwendet wird. Die Ablehnung begann kurz nach Erscheinen des Werkes (Antimachiavellismus). Insbesondere das – von Machiavelli eher abgelehnte – Christentum kritisierte die einseitige Betonung des Diesseits ohne Rücksicht auf die für das Jenseits notwendigen Tugenden. Heute verbindet man Tyrannei, Ausbeutung und Gewissenlosigkeit mit diesem Begriff. Es ist allerdings zu beachten, dass ein Fürst, der sich, wie Machiavelli es rät, nicht am Besitz und den Frauen seiner Untertanen vergreift, für die Verhältnisse der Renaissance ein berechenbarer Fürst gewesen wäre, der relative Rechtssicherheit garantiert.

Literatur

Weblinks

 Wikisource: Der Fürst – Quellen und Volltexte

Fußnoten

  1. Panajotis Kondylis: Machiavelli, Akademie Verlag, 2007, Seite 20
  2. Einleitung von Rudolf Zorn in Machiavelli: Der Fürst "Il Principe", übersetzt und herausgegeben von Rudolf Zorn, Alfred Körner Verlag, Stuttgart, 1978, Seite IX
  3. Der Fürst "Il Principe", übersetzt und herausgegeben von Rudolf Zorn, Alfred Körner Verlag, Stuttgart, 1978

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