Die vier edlen Wahrheiten

Die vier edlen Wahrheiten

Die Vier Edlen Wahrheiten (Pali: cattāri ariyasāccani, Sanskrit: catvāri āryasatyāni) bilden den Kern und die Grundlage von Buddhas Lehre. Sie sind Gegenstand seiner ersten Lehrrede in Sarnath, und stellen somit den Beginn der „Drehung des Rades der Lehre“ (Dharmacakrapravartana) dar.

Die vier Edlen Wahrheiten lauten:

Name Beschreibung
1. Dukkha Das (unerleuchtete) Leben im Daseinskreislauf ist leidvoll: Geburt ist Leiden, Altern ist Leiden, Tod ist Leiden; Kummer, Lamentieren, Schmerz und Verzweiflung sind Leiden. Gesellschaft mit dem Ungeliebten ist Leiden, das Gewünschte nicht zu bekommen ist Leiden. Kurz, die fünf Aneignungen (skt. skandha, p. khandhah) sind Leiden.
2. Samudaya Die Ursachen des Leidens sind Begehren, Abneigung (negatives Begehren) und Unwissenheit (über die Natur des Leidens): Das Verlangen/Durst (pali: tanhā), - begleitet von Leidenschaft bzw. Wonne, genossen eben hier und eben da - nämlich das Verlangen nach Sinneslust, das Verlangen nach Werden, das Verlangen nach Nicht-Werden.
3. Nirodha Durch das Erlöschen der Ursachen erlischt das Leiden: Das restlose Vergehen bzw. Enden, Abkehren, Abtreten, Aufgeben und Loslassen genau dieses Verlangens (tanha)
4. Magga Erlöschen des Begehrens (und damit des Leidens) ist möglich. Zu diesem Erwachen führt der „Edle Achtfache Pfad“: Rechte Sicht, rechte Entschlossenheit, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechter Lebensunterhalt/-erwerb, rechtes Bemühen, rechte Aufmerksamkeit/Achtsamkeit, rechte Konzentration.

Der genaue Wortlaut der Wahrheiten kann je nach Autor bzw. Übersetzer variieren. Die hier verwendete Kommentierung richtet sich nach dem Pali-Kanon.

Dukkha wird meist mit „Leiden“ übersetzt. Da der Begriff „Dukkha“ jedoch umfassender ist als der deutsche Begriff „Leiden“, werden in der deutschsprachigen Literatur zusätzliche Umschreibungen wie „unbefriedigend“, „unvollkommen“ und „ungenügend“ verwendet. Der Religionswissenschaftler Michael von Brück vergleicht ausführlich buddhistische und christliche Glaubensvorstellungen. Im Gegensatz zum christlichen Missverständnis sei „nicht das Dasein als solches, sondern die verfehlte Haltung des Menschen zum Dasein dukkha“.[1] Dukkha sei also nicht einfach „Leiden“, sondern „die Frustration daran, dass die eigenen begrifflichen Projektionen nicht stimmen."

Als ursprünglichen Leidensgrund führt ein Großteil buddhistischer Schulen das Nichtwissen (skt. avidyā, p. avijjā) an, welches auch Teil der zwölfgliedrigen Kette des bedingten Entstehens ist. Nichtwissen um die Verbundenheit aller Dinge führe zur falschen Wahrnehmungen und falschem Handeln, was nach den kausalen Gesetzen des Karma zu leidvollen Erfahrungen führe. Eine diese falschen Wahrnehmungen ist die Identifikation eines Egos bzw. Selbsts mit Objekten der materiellen Welt.

Die vier edlen Wahrheiten basieren auf durch den historischen Buddha erweiterte Prinzipien von damals bereits entwickelten indischen Traditionen der Meditation. Diese führten ihrem Zweck nach meist zur Entwicklung von Achtsamkeit.

Diese führt nun nach Buddha zur Fähigkeit des tiefen Schauens, diese wiederum zur Realistation der Leere, diese wiederum zu Einsicht in die So-heit (Tathata). Dies beschreibt ein über das Alltagsbewusstsein hinausgehendes, intuitives Verständnis von der Natur aller Dinge (Dharmas). Letztendlich mündet die konsequente Praxis in der Entfaltung universellen Mitgefühls.

Inhaltsverzeichnis

Siehe auch

Quellen

Die hier verwendete Formulierung der vier edlen Wahrheiten folgt weitgehend dem Konsens des buddhistischen Bekenntnisses, wie es 2004 von der Deutschen Buddhistischen Union veröffentlicht wurde.[2]

Man findet Erläuterungen zu den Vier Edlen Wahrheiten an verschiedenen Stellen. Eine sehr deutliche Darstellung findet man im Dhammacakkappavattana-Sutta (skt. Dharmacakrapravartana-Sutra, Sutra des In-Bewegung-Setzen des Rades).[3][4]

Im Saccavibhanga Sutta (Sutra der Erklärung der Wahrheiten, Tripitaka: Majjhima Nikaya 141. XIV,11) erklärt Sariputta, einer der Schüler Buddhas, die Vier Edlen Wahrheiten.[5]

Literatur

  • Klaus Mylius (Hg.): Die Vier Edlen Wahrheiten. Texte des ursprünglichen Buddhismus. Bechtermünz Verlag Augsburg, 2000. ISBN 3-8289-4843-X
  • Dalai Lama: Die Vier Edlen Wahrheiten. Die Grundlagen des Buddhismus. Krüger Verlag Frankfurt am Main, 1999. ISBN 3810511374
  • Alfred Weil: Morgenröte und heller Tag - Die vier befreienden Wahrheiten des Buddha. Verlag Beyerlein & Steinschulte, 2006. ISBN 9783931095611
  • Atem, Gen (2006): Die Vier Edlen Wahrheiten. Eine Einführung in den Buddhismus. Vier Jahreszeiten Verlag.
  • Geshe Kelsang, Gyatso (2005): Wie wir unsere Probleme lösen. Die Vier Edlen Wahrheiten. Tharpa.
  • Küng, Hans (2006): Spurensuche. Schuber; Tl 4. Buddhismus: Komplett-Media.
  • Rinpotsche, Gonsar (Hg.) (2007): Buddhas erste Unterweisung. Die Vier edlen Wahrheiten. Die erste Lehrrede, die Buddha seinen ersten fünf Schülern gab. Edition Rabten.
  • Risi, Armin (2008): Unsichtbare Welten. Kosmische Hierarchien und die Bedeutung des menschlichen Lebens. Govinda / Mare-Versand.
  • Zechner, Frank (2005): Die vier edlen Wahrheiten des Buddha. Einführungen in den Buddhismus. OCTOPUS Verlag Wien.

Einzelnachweise

  1. Michael von Brück, Whalen Lai: Buddhismus und Christentum. Geschichte, Konfrontation, Dialog. Verlag C. H. Beck, München, 2000. ISBN 3406467962 (S. 370ff.)
  2. Deutsche Buddhistische Union e.V.: Buddhistisches Bekenntnis (PDF)
  3. Dhammacakkappavattana Vagga (Samyutta-Nikaya 56,11) (online)
  4. Dhammacakkappavattana-Sutta (Vinayapitaka Mahāvagga I 1,6) (online)
  5. Saccavibhanga Sutta "Access To Insight"-Fassung auf Englisch von Piyadassi Thera, 1999

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