Ehemaliges Seebad Mariendorf

Ehemaliges Seebad Mariendorf

Von 1876 bis 1950 existierte ein Seebad in Berlin-Mariendorf. Mariendorf gehörte damals noch zum Kreis Teltow und wurde erst 1920 mit der Stadt Berlin zu Groß-Berlin eingemeindet. Heute sieht man nichts mehr von diesem Seebad. Es lag an der Ullsteinstraße zwischen dem Mariendorfer Damm und der Rathausstraße. Das Seebad wurde 1872 von Adolf Lewissohn gegründet, fast dreißig Jahre vor dem Bau des 1906 eröffneten Teltowkanals.

Entstehung

An dieser Stelle, wie auch an vielen Stellen des späteren Teltowkanals, befanden sich viele Tümpel und Teiche. Im Jahre 1871 kaufte Salomon Lewissohn, der Vater von Adolf Lewissohn, das Grundstück vom Rittergut Tempelhof. Das Grundstück am Grenzweg, später Burgherrenstraße, dann Ullsteinstraße und während der Nazizeit Zastrowstraße, hatte eine Größe von 9,5 Morgen, dies entspricht etwa 2,4 Hektar oder ca. 24.000 m².

Adolf Lewissohn (* 6. Juli 1852 in der Tempelhofer Dorfstraße, † 14. November 1927 in Mariendorf) ließ 1872 die von seinem Vater gekauften Wiesen- und Wasserflächen von Sumpfpflanzen reinigen und ausbaggern. Er hat erheblich zur Eröffnung der Anlage beigetragen.

Um 1872 wurde ein zweigeschossiges Wohnhaus neben dem Grundstück am Grenzweg errichtet und zu einem Restaurant ausgebaut. Im Sommer 1876 wurde dann die Badeanstalt eröffnet. Die dort befindlichen Teiche wurden in den Wintermonaten zur „Eisernte“ genutzt, das heißt, es wurde Natureis auf Vorrat gehalten. Während der „Eisernte“ waren die Lewisohn'schen Eiswagen eine alltägliche Erscheinung im Berliner Straßenbild. Als Höchstleistung sollen an einem Tag 500 Fuhren nach Berlin gerollt sein. Adolf Lewssohn war auch kommunalpolitisch tätig. Mehrere Jahrzehnte war er die erste Hand des Tempelhofer Bürgermeisters Musehl (1855–1912).

Fast jedes Jahr wurden die Wasserbecken und die Parkanlagen erweitert oder umgestaltet. Es wurde eine Sportbahn angelegt, die eine Länge von 130 Meter hatte, wie es den damaligen Wettkampfbestimmungen entsprach. Ein „Riesen“-Wasserbecken wurde gebaut und mit Beton umgeben. Außerdem wurde ein 80 Meter tiefer Brunnen angelegt. Der Brunnen hatte eine elektrisch betriebene Pumpe, was zur damaligen Zeit sehr beachtlich war. Es konnte auch während des Badebetriebes Frischwasser zu- und verbrauchtes Wasser abgeführt werden. Damals hieß es in der Werbung, dies sei die größte und schönste Badeanstalt von Groß-Berlin mit ständigem Zu- und Abfluss.

Geschichte

In den 1920er-Jahren wurden an heißen Sommertagen täglich bis zu 4000 Badegäste gezählt. Die Restaurant- und Saalbauten mit entsprechenden Kücheneinrichtungen ermöglichten die Durchführung von Verbandsfesten bis zu 7000 Personen.

In den Teichen der Parkanlage waren neben riesigen Goldfischen auch bis zu 60 Jahre alte und 30 Pfund (15 kg) schwere Karpfen, einige tummelten sich auch in den Schwimmabteilungen. Auf dem Karpfenteich waren auch Enten zu Hause. Die daneben angelegte Grotte und das sogenannte „Freiwild-Aquarium“ waren eine besondere Sehenswürdigkeit im Seebad Mariendorf.

Während des Ersten Weltkriegs wurden die Restaurant-Neubauten zu einem Kriegslazarett umgestaltet. Das Seebad diente nicht nur dem Freizeitvergnügen, es wurde auch von Schulen und Vereinen für Schwimmunterricht und Training, sowie Wettkampfveranstaltungen genutzt. Am 2. Juni 1912 fanden im Seebad Ausscheidungskämpfe für die Olympischen Spiele in Stockholm statt.

Zum 50-jährigen Bestehen des Seebades wurde am 7. Juli 1932 eine Festwoche durchgeführt. Es gab allabendlich unter anderem Rundfunkdarbietungen und Kinderfeste. Das Motto lautete „Seebad in Flammen“. Der Gründer des Seebades hat dies nicht mehr erlebt. Ihm zur Erinnerung war anlässlich seines ersten Todestages am 14. November 1928 im Privatpark der Familie ein Gedenkstein von seiner Tochter gewidmet worden. Der Verbleib des Steines ist heute unbekannt.

1933 wurde das Seebad arisiert. Es wurde von der NSDAP übernommen. Die Tochter des Gründers, Helene Lewinssohn, „verkaufte“ im Juli 1934 an den Gastwirt Hilgner, ein ca. 9.300 m² großes Grundstück (den östlichen Teil) mit allen Baulichkeiten und Maschinen für 115.000 RM. Nach Abzug aller Verbindlichkeiten, die aufgelaufen waren, erhielt Frau Lewissohn einen Betrag von 151,25 RM (in Worten: Einhunderteinundfünzig Reichsmark und fünfundzwanzig Pfennig). Das Restgrundstück ist vermutlich frei an die NSDAP übergegangen.

Neben dem Schwimmbad befand sich 1943 ein Zwangsarbeiterlager, das bei einem Luftangriff am 1. März beschädigt wurde. Der Bade- und Schwimmbetrieb ging trotz alledem bis ca. 1947 weiter.

Da das Rathaus Kriegsschäden aufwies, wurden im Gelände des Seebades viele Abteilungen untergebracht, sodass die Badeanstalt erst einmal schließen musste.

Im Juni 1950 wurde das gesäuberte Bad durch Bürgermeister Otto Burgemeister feierlich wiedereröffnet, endete aber mit dem Abbaden des in Tempelhof beheimateten Schwimmvereins „BSV Friesen 1895 e.V.“ im September 1950. Versuche, es wieder zu eröffnen, scheiterten. Auch der Antrag, die Gebäude zur Nutzung durch die Jugendförderung zu erhalten, hatten keinen Erfolg.

1953 wurden die Schwimmbecken und der Karpfenteich zugeschüttet und die Bauwerke der Badeanstalt abgerissen. Das Restaurationsgebäude blieb noch erhalten und wurde als „Margaretenheim“ für alte und kranke Menschen genutzt. Später wurde es abgerissen und das Gelände des Seebades als Grünfläche ausgewiesen, da es zur Bebauung als zu sumpfig angesehen wurde.

Ab 1954 wurde das Gelände – obwohl es noch genug Trümmergrundstücke in Berlin gab, die unbebaut waren – mit einer Wohnanlage und dem Krankenheim Tempelhof (Eröffnung am 19. Mai 2003) in der Ullsteinstraße 159 bebaut.

Die Grotte und der Karpfenteich sind noch auf dem Gelände des Krankenheims Tempelhof vorhanden.

Einzelnachweise

  • Rudolf Szagun: Das Seebad Mariendorf, 1989
  • Matthias Heisig: Tempelhofer Einsichten, 2002
  • Berliner Abendblatt: Krankenheim Tempelhof, Ausgabe vom 11. Juni 2003
  • Archiv des BSV Friesen 1895 e.V.

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