Einheitswurzel (Zeitreihenanalyse)

Einheitswurzel (Zeitreihenanalyse)

Von einer Einheitswurzel spricht man in der Ökonometrie, speziell in der Zeitreihenanalyse, wenn 1 eine Nullstelle des charakteristischen Polynoms ist. Ein stochastischer Prozess, der eine solche Einheitswurzel besitzt, ist nichtstationär, man spricht auch von einem stochastischen Trend. Das ist insbesondere deswegen wichtig, weil viele Statistische Schätzverfahren wie beispielsweise die Methode der kleinsten Quadrate stationäre Daten voraussetzen und unsinnige Ergebnisse liefern, wenn die zugrunde liegenden Reihen nicht stationär sind, wie zum Beispiel im Fall der spurious regression.

Inhaltsverzeichnis

Beispiel AR(p)-Prozess

Man betrachte als Beispiel einen zeitdiskreten stochastischen Prozess { y_{t},t=1,\infty}. Man nehme zusätzlich an, dass sich dieser Prozess als autoregressiver Prozess der Ordnung p darstellen lässt AR(p):

y_{t}=a_{1}y_{t-1}+a_{2}y_{t-2} + \cdots + a_{p}y_{t-p}+\varepsilon_{t}

In dem Fall ist { \varepsilon_{t},t=0,\infty} ein nicht autokorrelierter stochastischer Prozess mit dem Mittelwert Null und der konstanten Varianz σ2. Der Einfachheit halber nehme man an, dass y0 = 0. Wenn m = 1 eine Nullstelle des charakteristischen Polynoms

 m^{p} - m^{p-1}a_{1} - m^{p-2}a_{2} - \cdots - a_{p} = 0

ist, dann hat der stochastische Prozess eine Einheitswurzel oder, anders ausgedrückt, er ist integriert mit Ordnung 1, geschrieben I(1). Wenn m = 1 eine mehrfache Nullstelle der Ordnung r ist, dann ist der stochastische Prozess integriert mit Ordnung I(r).

Beispiel AR(1)-Prozess

Ein spezifischeres Beispiel ist das autoregressive Modell erster Ordnung AR(1): yt = a1yt − 1 + εt. Dieses hat eine Einheitswurzel, wenn a1 = 1. In diesem Fall ist das charakteristische Polynom ma1 = m − 1. Die Lösung der Gleichung ist m = 1. Wenn der Prozess eine Einheitswurzel hat, dann ist die Zeitreihe nichtstationär. Das bedeutet die Momente des stochastischen Prozesses hängen von t ab. Das ergibt sich wie folgt. In dem Falle einer Einheitswurzel ist der Prozess also

yt = yt − 1 + εt

sodass mehrfaches Substituieren  y_{t} = \sum_{j=1}^t \varepsilon_{j} ergibt. Folglich ist die Varianz von yt

\operatorname{Var}(y_{t}) = \sum_{j=1}^t \sigma^2=t \sigma^2

Weil \operatorname{Var}(y_{1}) = \sigma^2 aber  \operatorname{Var}(y_{2}) = 2\sigma^2 , hängt die Varianz von t ab.

Differenziert man eine mit n-ter Ordnung integrierte Zeitreihe n mal, erhält man einen stationären Prozess. Gegebenenfalls kann Kointegration vorliegen.

Wahrnehmung von Prozessen mit Einheitswurzel

Mehrere Realisationen eines in Null startenden Random Walks

William Feller gibt Wahrscheinlichkeiten dafür an, welche Zeitanteile ein Random Walk, der in Null startet, in den positiven oder in den negativen Zahlen verbringt und weist anhand dieses Beispiels auf eine mögliche Fehleinschätzung hin. Die Wahrscheinlichkeit, dass überwiegend positive oder überwiegend negative Zahlen angenommen werden, ist deutlich größer als die Wahrscheinlichkeit für ein ausgewogenes Verhältnis: Wird beispielsweise beim zwanzigfach wiederholten Wurf einer Münze die Anzahl der Wappen und die Anzahl der Zahlen notiert, ist die Wahrscheinlichkeit, dass im Zeitverlauf entweder Wappen oder Zahl mindestens 16 Mal in Führung liegt etwa 68,5%. Dagegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass am Schluss Wappen und Zahl gleich oft in Führung gelegen haben lediglich etwa 6%. Die intuitive Annahme, dass eine Verdopplung des betrachteten Zeitintervalls eine Verdopplung der Durchgänge durch Null mit sich bringt ist falsch. [1]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. William Feller: An introduction to probability theory and its applications, zweite Ausgabe, Wiley, 1968, ISBN 0471257087, S. 68. Hans Pécseli: Fluctuations in physical systems, Cambridge University Press, Cambridge 2000, ISBN 0521651921, S. 87.

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