- Elektromechanisches Stellwerk
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Ein elektromechanisches Stellwerk oder Kraftstellwerk (frühere Bezeichnung) ist eine Bahnanlage zum Stellen von Weichen und Signalen (siehe auch Stellwerk). Elektromechanische Stellwerke wurden in zahlreichen Ausführungsformen von verschiedenen Unternehmen, etwa von Siemens & Halske, AEG, Orenstein & Koppel oder Integra Signum AG (Schweiz) gefertigt.
In der Schweiz werden die elektromechanischen Stellwerke meist Schalterwerke genannt und unterscheiden sich stark von den älteren (deutschen) Ausführungen.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen und deutsche Ausführungen
Beschreibung und Funktionsweise
Im Stellbereich eines elektromechanischen Stellwerks werden die Stellvorgänge elektrisch ausgeführt. Dazu besitzen Weichen, Gleissperren und Formsignale einen elektrischen Antrieb, dessen Elektromotor vom Stellwerk aus über Erdkabel mit Stellstrom versorgt wird. Vielfach werden statt der Formsignale bereits Lichtsignale verwendet, sodass dann der elektrische Antrieb der Signale entfällt.
Bedient wird das elektromechanische Stellwerk mithilfe von Drehschaltern, seltener mit kleinen Stellhebeln, die den Stellhebeln des mechanischen Stellwerkes nachempfunden sind. In der Fachsprache heißen die Drehschalter ebenfalls Stellhebel. Die Stellhebel sind in einem Schalterwerk angeordnet. Mit ihnen verbunden ist ein Verschlussregister, das in seiner Funktion etwa dem Verschlusskasten eines mechanischen Stellwerkes entspricht. Allerdings sind hier die einzelnen Bauteile wesentlich kleiner. Das Verschlussregister schafft mechanische, das Schalterwerk über Relaisschaltungen mit Signalrelais auch bereits elektrische Abhängigkeiten, daher die Bezeichnung „elektromechanisches Stellwerk“. Elektrische Schaltungen mit derartigen Funktionen gibt es im mechanischen Stellwerk noch nicht.
Bei den neueren Bauformen des elektromechanischen Stellwerkes besitzen die roten Signalhebel eine Doppelfunktion. Sie wirken als Fahrstraßenhebel und als Signalhebel und werden deshalb Fahrstraßensignalhebel genannt. Außerdem gibt es blaue Weichen- und Gleissperrenhebel sowie grüne Befehls- und Zustimmungshebel. Mithilfe der Befehls- und Zustimmungshebel werden die Abhängigkeiten mehrerer Stellwerke untereinander hergestellt. Diese Stellhebel besitzen die Funktion eines Fahrstraßenhebels und gleichzeitig die entsprechende Funktion eines Bahnhofsblockfeldes (vgl. mechanisches Stellwerk) und werden deshalb auch Blockhebel genannt.
Ein Stellhebel und die von ihm bediente Einrichtung stehen in der Grundstellung, wenn der auf dem Stellhebel angebrachte Markierungsstrich senkrecht zeigt. Um einen Stellvorgang auszulösen, muss der Weichenwärter den Stellhebel ein kleines Stück aus seiner Arretierung hervorziehen. Dann kann er ihn entweder um 45 Grad oder um 90 Grad nach rechts oder links drehen. Lässt er den Stellhebel nach dem Drehen los, rastet er ein.
Anders als im mechanischen Stellwerk fehlt im elektromechanischen Stellwerk eine feste mechanische Verbindung zwischen dem Stellhebel und der Anlage vor Ort. Deshalb sorgt eine elektrische Überwachungseinrichtung dafür, dass die Hebelstellung im Stellwerk mit der Stellung der Außenanlage übereinstimmt. Ein vom Stellstromkreis unabhängiger Überwachungsstromkreis meldet die jeweilige Stellung über Kontakte im Antrieb an das Stellwerk. Dort wird der Zustand mit Farbscheiben oder mit Glühlampen angezeigt. Wegen der unterschiedlichen Anzeigeart unterscheidet man elektromechanische Stellwerke mit Glühlampenüberwachung von solchen mit Farbscheibenüberwachung.
Stimmt die Stellung des Stellhebels im Stellwerk nicht mit der Stellung der Anlage vor Ort überein, ist der Überwachungsstromkreis unterbrochen. Das wird im Stellwerk akustisch mit einem Störwecker und optisch durch das Aufleuchten einer roten Glühlampe bzw. einer roten Farbscheibe angezeigt. Während des Umstellens einer Weiche tritt dieser Zustand für einige Sekunden ein. Solange die Überwachungseinrichtung die Störstellung anzeigt, kommt die Fahrstraße nicht zustande, und das Hauptsignal kann nicht auf Fahrt gestellt werden.
Im elektromechanischen Stellwerk ist die Ordnungsanzeige der Überwachungseinrichtung eine wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen der Signalabhängigkeit.
Das Einstellen und Sichern einer Fahrstraße läuft im elektromechanischen Stellwerk im Prinzip genauso ab wie im mechanischen Stellwerk:
- Der Weichenwärter bringt alle Einrichtungen im Fahrweg und, soweit sie als Flankenschutz dienen, auch in den Nachbargleisen, mithilfe der Stellhebel in die richtige Stellung.
- Danach bewegt er den Fahrstraßensignalhebel nach rechts oder links. Erreicht dieser dabei die 30-Grad-Stellung, werden die Stellhebel mechanisch verriegelt.
- Bewegt er den Fahrstraßensignalhebel weiter bis in die 45-Grad-Stellung, wird die Fahrstraße blockelektrisch festgelegt.
- Dreht er den Fahrstraßensignalhebel weiter bis in die 90-Grad-Stellung, kommt das Hauptsignal auf Fahrt.
Zum Herstellen der Signalabhängigkeit werden alle vier Schritte durchlaufen, jedoch erfordern die Schritte 2., 3. und 4. nur eine Bedienungshandlung.
Entwicklung
Die Entwicklung des ersten elektromechanischen Stellwerkes bedeutete keine umwälzende Neuerung in der Entwicklung der Stellwerke insgesamt. Dennoch brachten diese Stellwerke einen Fortschritt, weil sie sich den elektrischen Strom zu Nutze machten und so die Bedienung wesentlich erleichterten.
Während in einem mechanischen Stellwerk vor allem das Stellen der Weichen körperlich durchaus sehr anstrengend sein kann, braucht der Wärter im elektromechanischen Stellwerk zum Bedienen der Anlagen keine große Körperkraft mehr. Das allein war Grund genug, die Entwicklung von Stellwerken mit elektrischem Antrieb der Außenanlagen in Angriff zu nehmen. Ziemlich früh, bereits im Jahre 1894, wurde das erste elektromechanische Stellwerk in Prerau in Mähren in Betrieb genommen.
Wie in der Entwicklungsgeschichte mechanischer Stellwerke gab es in den Jahrzehnten danach eine Vielzahl teils recht unterschiedlicher Detaillösungen und Bauformen verschiedener Hersteller. Im Wesentlichen waren es dieselben Unternehmen, die auch mechanische Stellwerke herstellten, etwa AEG oder Siemens & Halske. Nach und nach bildete sich aus den unterschiedlichen Bauformen das Einheitsstellwerk E43 (E43 = erstes Baujahr 1943) heraus, das in größerer Stückzahl gebaut wurde und immer noch im Einsatz ist.
Schon in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts begann man, Lichtsignale als Ersatz für die bis dahin auch in elektromechanischen Stellwerken ausschließlich angewendeten Formsignale einzubauen, zunächst bei Stadtschnellbahnen und wegen der Sichtbehinderung durch die Fahrleitungsmasten auf elektrifizierten Strecken. Die Schalteinrichtungen für die Lichtsignale wurden an geeigneten Stellen in die Abhängigkeitsschaltungen eingebunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Bemühungen vor allem bei der DR weitergeführt, die DB errichtete nur wenige derartige Anlagen und ersetzte die Stellwerke stattdessen sofort mit komplett neuen Gleisbildstellwerken. Die Optimierungsarbeiten wurden bei der DR bis 1990 fortgesetzt. Das Ergebnis war die auf der Bauform 1912 bzw. E43 beruhende Bauform E12/78 mit vielen Bauelementen der Gleisbildstellwerkstechnik, insbesondere der Bauform GS II. Ein gutes Unterscheidungsmerkmal zur Bauart E43 sind die nur bis 45° umlegbaren und in der Regel grünen Fahrstraßenhebel, die Signalfahrtstellung erfolgt nach der Fahrstraßenfestlegung selbsttätig.
Auch was die Größe des Stellbereichs angeht gelten für die elektromechanischen Stellwerke dieselben Grundsätze wie für mechanische Stellwerke. Einerseits lässt sich die Stellentfernung wegen des zu großen Spannungsabfalls im Stellstromkreis kaum wesentlich vergrößern, andererseits muss der Wärter auch hier den Fahrweg im Regelfall durch "Hinsehen" prüfen und deshalb seinen Stellbezirk übersehen können. Ebenso bleibt die Aufgabenteilung zwischen dem mit einem Fahrdienstleiter besetzten Befehlsstellwerk und dem mit einem Weichenwärter besetzten Wärterstellwerk erhalten (s. auch Bahnhofsblock). Mit selbsttätigen Gleisfreimeldeanlagen, der Nutzung von Dreiphasenwechselstrom für die Weichenumstellung und automatischem bzw. automatisiertem Streckenblock sind jedoch ähnliche Stellbereiche wie bei Relaisstellwerken erzielbar. Eine weitere Grenze bei der Größe der Anlage setzt allerdings die zunehmende Unübersichtlichkeit der Bedieneinrichtungen.
Schweizer Ausführungen (Schalterwerk)
Neben den klassischen Ausführungen der AEG und Siemens wurden auf dem Schweizer Schienennetz vor allem Schalterwerke der Integra AG (gehört heute Siemens Transportation Systems Schweiz) in Betrieb genommen. Einige von ihnen sind noch heute in verschiedenen Bahnstationen auf Nebenstrecken anzutreffen. Diese Schalterwerke unterscheiden sich erheblich von den anderen Ausführungsformen:
- Sämtliche Abhängigkeiten zwischen den Schaltern (Weichen und Fahrstrassensignalschalter sowie evtl. Block- und Barrierenschalter) sind elektrisch hergestellt. Dadurch sind keine Verschlusslineale nötig.
- Im allgemeinen sind mindestens die von Zugfahrten befahrenen Abschnitte mit Schienenstromkreisen ausgerüstet. Für die Einstellung und Auflösung einer Fahrstrasse ist daher im Normalfall keine Prüfung durch Hinsehen nötig (Ausnahme: Rangierfahrten und Streckenblock mit Handrückmeldung).
- Für sämtliche Rückmeldungen (Signalstellungen, Isolierungen, Sperren , Streckenblock, Weichenüberwachung, …) werden kleine Lampen verwendet. Diese sind mit wenigen Ausnahmen in einer auf dem Schaltwerk aufgebauten Tafel mit Gleisplan an der geographisch richtigen Stelle eingebaut.
- Die Auswahl der Fahrstrasse geschieht mittels den Stationsgeleisen zugeordneter Gleistasten. Diese müssen in der ersten Rast des Fahrstrassensignalschalters gedrückt werden. Dadurch wird nach Prüfung der korrekten Lage der Weichen die Freigabesperre des Fahrstrassensignalschalters erregt, wodurch dieser weitergedreht werden kann. Sind die Blockbedingungen, die Weichenüberwachung sowie weitere Bedingungen geprüft, wird auch die Kuppelstromsperre, die nur beim Einstellen des Schalters wirkt, erregt. Daraufhin können beide Kuppelstromsperrnocken überwunden und der Schalter bis 90° gedreht werden. Das Signal geht dabei automatisch auf den Fahrbegriff, den die Weichenstellung erlaubt.
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