Elitensoziologie

Elitensoziologie

Die Elitesoziologie beschäftigt sich als Teilbereich der Soziologie mit dem Phänomen der Eliten. In der Elite-Soziologie lassen sich drei Ansätze sowohl inhaltlich als auch zeitlich von einander unterscheiden: die vor dem Nationalsozialismus etablierte Elitesoziologie, die Soziologie der Funktionseliten und die kritische Elite-Soziologie.

Inhaltsverzeichnis

Differenzen in der Elitesoziologie

Um die Jahrhundertwende wurde zunächst „Elite“ im engen Zusammenhang mit „Masse“ diskutiert. In dieser Zeit galt den Soziologen Elite als positiv besetzter Begriff. Ihm folgte der um Werturteilsfreiheit bemühte funktionalistische Ansatz der Funktionseliten. In jüngerer Zeit wird „Elite“ soziologisch und eher kritisch als Machtelite aufgefasst.

Die klassischen Elitesoziologen

Zu den klassischen Elitesoziologen zählen:

Ihnen gemeinsam ist, dass sie - auf Niccolo Machiavellis Elitetheorie aufbauend - Elite und Masse einander gegenüber stellen. Pareto geht dabei davon aus, dass Eliten nie von der Masse, sondern immer nur von „Reserveeliten“ ersetzt werden.

Soziologie der Funktionseliten

Zu den wichtigsten Soziologen und Soziologinnen der Funktionseliten zählen:

Unter der Theorie der Funktionselite ist im allgemeinen zu verstehen, dass sich grundsätzlich immer, zumal aber in der modernen demokratischen Gesellschaft in verschiedenen Sektoren mehrere Elitegruppen durch eine Leistungsselektion herausbilden. Die Soziologie der Funktionseliten entstand Anfang der 1950er Jahre, als durch den Faschismus in Italien und Deutschland der Begriff der Elite mit der faschistischen Ideologie verbunden worden war und daher analytisch nur noch schlecht für eine demokratische Gesellschaft benutzbar war.

Kritische Elitesoziologie

Hier nähert sich die Soziologie der Machteliten derjenigen der Klassen an.

Zu den wichtigsten Soziologen, die Elite kritisch betrachten, zählen:

Behemoth - Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933-1944 ist ein staatstheoretisches Werk des deutschen Juristen und Politologen Franz Leopold Neumann. Es wurde 1941-44 während seines Exils in den USA verfasst und erschien zuerst 1942, in erweiterter Form 1944.

C. Wright Mills beschreibt 1956 in The Power Elite[1] das Zusammengehen der militärischen, korporatistischen und politischen Elite durch vier Epochen zu einer Machtelite. Dabei stand er unter dem Eindruck der Faschismusanalysen Franz Neumanns. Ausgehend von Mills entstand die Power Structure Research.

Michael Vester sieht auf der Grundlage der Bourdieuschen Kapital-Theorie aktuell in Deutschland drei von einander zu differenzierende Eliten: die Avantgarde (viel kulturelles Kapital), früher als Elite der Schönen Künste bezeichnet; die humanistischen und dienstleistenden Elite-Milieus, früher als Bildungsbürger („Bildungselite“) bezeichnet; und die wirtschaftlichen und hoheitlichen Elite-Milieus (viel ökonomisches Kapital), früher als Besitzbürger bezeichnet.

Michael Hartmann[2] hat die Biografien von 6500 Doktoren in der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er, 60er, 70er und 80er Jahren untersucht, um herauszufinden, ob die soziale Herkunft bei Akademikern mit Doktortiteln für den Aufstieg in die Elite relevant sei. Sein Befund ist, dass die Wirtschaftselite (verstärkt seit Anfang der 90er Jahre) sich aus Abkömmlingen der Wirtschaftselite rekrutiere, dass Arbeiterkinder oder Frauen mit Doktortitel jedoch so gut wie keine Chance hätten aufzusteigen. Dies schwächt den Ansatz der Funktions- und Leistungseliten.

Hauptfragen der Elitesoziologie

Nach Barbara Wasner [3] untersucht die moderne Elitesoziologie elf verschiedene Hauptfragen:

  • Identifikation (wer soll zur Elite gezählt werden?)
  • Soziale Herkunft (welcher Schicht / Klasse gehört die Elterngeneration der Elite an - Rekrutierungsbasis?)
  • Karriereverlauf (auf welchem Weg erlangt man eine Eliteposition)
  • Persönliche Merkmale und Qualifikationen (Alter, Geschlecht, Bildung...; Machtinstinkt, Stressresistenz...; Souveränität, Optimismus...)
  • Elitespezifische Denkmuster (Selbstbild, Standesbewusstsein, ideologische Grundüberzeugung, Führungsstil)
  • Elitetypen (Zuordnung zu Gesellschaftssektoren: Politik, Wirtschaft, Kultur...; Zuordnung in einer Power Structure)
  • Arbeitsweise und Kommunikation der Eliten (Kommunikation und Interaktion der Eliten, Elitenetzwerke, Mechanismen zur sozialen Verbundenheit)
  • Repräsentativität der Eliten (Vergleiche der sozialstrukturellen Merkmale der Eliten mit der Gesellschaft, um unter anderem Zugangsbarrieren zu identifizieren)
  • Interessenrepräsentativität (Welche Interessen vertreten und setzen Elitenmitglieder durch?)
  • Legitimität und Prestige der Eliten (Welche Wertschätzung genießen Eliten und wie sind sie in der Gesellschaft legitimiert?)

Literatur

  • Volker Berghahn (Hg.): Die deutsche Wirtschaftselite im 20. Jahrhundert. Kontinuität und Mentalität, Klartext-Verlag, Essen 2003, ISBN 3-89861-256-2
  • Michael Hartmann: Elitesoziologie. Eine Einführung, Campus, Frankfurt am Main/New York 2004, ISBN 3-593-37439-0
  • Tom Bottomore: Elites and Society,, Routledge, London ²1993
  • Beate Krais (Hrsg.): An der Spitze. Von Eliten und herrschenden Klassen, UVK-Verlag, Konstanz 2001, ISBN 3-89669-931-8
  • Richard Münch: Die akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008
  • Vilfredo Pareto: Allgemeine Soziologie, [1916], 1955, ISBN 3-89879-144-0)
  • Barbara Wasner: Eliten in Europa. Einführung in Theorien, Konzepte und Befunde,VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, ISBN 3-8252-2459-7

Weblinks

Quellen

  1. Charles Wright Mills (1971). The Power Elite. New York (zuerst 1956)
  2. Michael Hartmann (2002). Der Mythos von den Leistungseliten. Frankfurt a. M./New York
  3. Barbara Wasner (2004): Eliten in Europa. Einführung in Theorien, Konzepte und Befunde Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 23ff.

Siehe auch


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