Emmerich Bekessy

Emmerich Bekessy

Imre Békessy (* 13. November 1887 in Budapest; † vor dem 17. März 1951 in Budapest; eingedeutscht auch Emmerich Bekessy) war ein österreichisch-ungarischer Journalist und Verleger.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Békessy stammte aus einer jüdischen Familie, konvertierte aber zum evangelischen Christentum. 1919 zog er nach Wien – wohl um einer militärgerichtlichen Verurteilung wegen Erpressung zu entgehen – und wurde 1923 in Österreich eingebürgert. Diese Entscheidung hatte der Wiener Landeshauptmann Karl Seitz getroffen, obwohl Polizeipräsident Johann Schober auf die gegen Békessy in Ungarn erhobenen Beschuldigungen (Erpressung, Verleumdung, Betrug) aufmerksam gemacht hatte.[1]

In Wien gab er von 1923 an die Tageszeitung Die Stunde heraus, eine der ersten Boulevardzeitungen des Landes, die mit Skandal- und Enthüllungsreportagen großen Erfolg hatte. Zu den Mitarbeitern des Blattes gehörten u.a. Anton Kuh, Franz Blei, Alexander Nadas und – als 18-jähriger – der spätere Filmregisseur Billy Wilder.[2]

Békessy war eine äußerst umstrittene Persönlichkeit: Sein prominentester Gegner war der Schriftsteller Karl Kraus, der ihn wiederholt in seiner Zeitschrift Die Fackel angriff und ihm Skrupellosigkeit und erpresserische Methoden vorwarf. Sein Satz „Hinaus aus Wien mit dem Schuft!“, oft am Ende von Vorlesungen ausgerufen, wurde rasch zum geflügelten Wort. Andererseits wurde Békessy zeitweise nicht nur von sozialdemokratischen Politikern hofiert, da er sich - mit dieser dubiosen Form ostentativer Scheinmodernität[3] - nicht scheute, Tabus anzugreifen, und man sich von seinem Wohlwollen publizistische Vorteile versprach. Békessy sprach von der journalistischen Freiheit im kapitalistischen Zeitungsbetrieb und davon, man könne gewisse Wegstrecken gemeinsam mit dem Sozialismus zurücklegen.[4]

Békessys publizistischer Einfluss sorgte also zunächst dafür, dass die Zahl seiner Gegner relativ gering blieb. Was später den Beinamen Revolverjournalismus erhielt (der Revolver stand für die Drohung der Veröffentlichung), kam zuerst als frische Neuerung daher. Im Zuge eines Gerichtsverfahrens, bei dem er als Kläger gegen "Verleumdungen" auftrat, sagte er aus: Die Zeitung ist keine moralische Institution.[5]

Ernst Spitz war bei der "Stunde" tätig, äußerte aber im Kollegenkreis, das Blatt sei korrupt; es erpresse sogar einfache Kaffeehausbesitzer. Diese Äußerung kam Spitz zufolge durch Billy Wilder der Geschäftsführung zu Ohren; Spitz wurde entlassen.[6] 1926 griff Spitz in seinem Buch Békessys Revolver die erpresserischen Methoden des "Stunde"-Verlags an. Friedrich Austerlitz unterstützte die Békessy-Kritik in der Wiener Arbeiter-Zeitung.

Nun schaltete sich die Staatsanwaltschaft ein. Der Geschäftsführer des Verlages wurde wegen Erpressung verhaftet, Békessy drohte ein Ermittlungsverfahren. Er kehrte daher von einem Kuraufenthalt in Deutschland nicht mehr nach Wien zurück, verkaufte seine Anteile am "Stunde"-Verlag und ließ sich in Paris nieder. Kraus hat ihn 1928 in seinem Drama Die Unüberwindlichen in der Figur des Barkassy karikiert.[7]

Die Stunde wurde nach Békessys Abgang vom Publizisten Josef C. Wirth u. a. herausgegeben, bis sie 1938 durch die Nationalsozialisten eingestellt wurde. Békessys selbst kehrte nach Ungarn zurück, wo er in den dreißiger Jahren wiederum als Journalist und Zeitungsherausgeber tätig war.

Im zweiten Weltkrieg emigrierte er in die USA, dort veröffentlichte er 1946 unter dem Namen Emery Bekessy den Roman Barrabas. Nach Kriegsende kehrte er nach Ungarn zurück, konnte unter den neuen politischen Verhältnissen jedoch nicht mehr an seine publizistische Vorkriegslaufbahn anknüpfen. Er unternahm mehrere Selbstmordversuche, der letzte war 1951 in Budapest erfolgreich.[8]

Békessys Sohn János Békessy wurde unter dem Pseudonym Hans Habe selbst als Schriftsteller, Journalist und Drehbuchautor bekannt.

Einzelnachweise

  1. Armin Thurnher: "Hinaus aus Wien mit dem Schuft!" Fall Békessy. Auszug aus dem Vortrag Medien, lokal und global, "Karl-Kraus-Vorlesung" der "Wiener Vorlesungen", 11. April 2008, Rathaus. In: Falter, Wien, Nr. 16/2008 (16. April 2008), S. 21/22
  2. Andreas Hutter und Klaus Kamolz: Billie Wilder. Eine europäische Karriere. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 1998
  3. Thurnher, a.a.O.
  4. Thurnher, a.a.O.
  5. Thurnher, a.a.O., S. 21/22
  6. Andreas Hutter: Rasierklingen im Kopf. Ernst Spitz - Literat, Journalist, Aufklärer. Wien: Mandelbaum Verlag, 2005. S. 116-151
  7. Hutter, a.a.O., S. 174-185
  8. Thurnher, a.a.O., S. 22

Literatur

  • Békessys Panoptikum. Eine Zeitschrift gegen Dummheit und Lüge. Nr. 1-5. April-Mai 1928.
  • Ernst Spitz: Békessys Revolver. Wien, Saturn-Verlag 1926.
  • Ernst Spitz: Békessys Revolver. Heft 2. Wien: Wittenberg, 1927.
  • Andreas Hutter und Klaus Kamolz: Billie Wilder. Eine europäische Karriere. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 1998.
  • Andreas Hutter: Rasierklingen im Kopf. Ernst Spitz - Literat, Journalist, Aufklärer. Wien: Mandelbaum Verlag, 2005.

Weblinks


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