Essener Stadtmauer

Essener Stadtmauer
Ansicht Essens aus östlicher Richtung zwischen 1572 und 1618; links das Kettwiger und in der Mitte das Steeler Stadttor

Die Essener Stadtmauer war ein Bauwerk, das ab 1244 gebaut und bis 1865 niedergelegt wurde. In dieser Zeit lebten zwischen 3.000 und 5.000 Menschen in dem nierenförmigen Mauerring.[1] Dabei umfasste er in etwa den heutigen Stadtkern Essens.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1244 beschlossen die Gemeinschaft der Ministerialen des Stiftes und die Bürger der Stadt Essen, gemeinsam eine Stadtmauer zu errichten. Die Urkunde hierüber ist die erste, die das Essener Stadtsiegel enthält, denn der Ort Essen wandelte sich zur Bürgergemeinde mit Stadtrecht und Selbstverwaltung. Die gewaltige Baumaßnahme der Mauer war 1418 mit dem Bau des letzten der vier Stadttore, dem Limbecker Tor, beendet. Mindestens sechs zusätzliche Türme verstärkten die Mauer zwischen den Toren. Ein wesentlicher Teil des Baumaterials entstammte einem Steinbruch südlich des Kettwiger Tores, dort wo sich heute der Stadtgarten befindet.

Ein wichtiger Markt- und Handelsplatz für Waren aus den umliegenden Orten Steele, Werden und Kettwig befand sich in Essens Zentrum am Hellweg, der vom Steeler Tor zum Limbecker Tor quer durch die eingemauerte Stadt führte. Innerhalb der Stadtmauer bildete das Frauenstift mit seinem Immunität bezeichneten Bereich eine eigens ummauerte Enklave. Die Marktkirche bekam eine besondere Bedeutung, als sie Mitte des 16. Jahrhunderts durch das gegen das katholische Stift aufsässige Bürgertum besetzt und hierdurch letztlich protestantisch wurde. Die Stadtmauer umschloss die Stadt bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Das teilweise 600 Jahre erhaltene alte Bauwerk fiel zu dieser Zeit dem Beginn der Industrialisierung zum Opfer, da es jetzt teilweise als Steinbruch für neue Gebäude und Pflasterarbeiten genutzt wurde. Die massiven Rundtürme sollten teils weitergenutzt werden. Beispielsweise sollte der Turm am Dunkhaus, auch Ackener Turm genannt, als Gefängnis dienen. Dieser Turm lag an der heutigen Akazienallee zwischen damaligem Kettwiger und Steeler Tor. 1314 bildete sich, nahezu angrenzend auf einer abteilichen Hofstätte, einer von sechs Beghinenkonvente[2], in denen sich stiftische Bauernfamilien mit frommen Frauen des städtischen Bürgertums zusammentaten.

Bei Bauarbeiten im Februar 2003 fand man an der Akazienallee große Mengen an Bruchsteinen und Bruchsteinmauern. Wahrscheinlich wurden im 19. Jahrhundert einige Häuser in dieser Straße aus Mauerresten gebaut. Sie stammen von Resten der Stadtmauer zwischen dem Kettwiger und Steeler Tor, die noch bis in die 1930er und 1940er Jahre vorhanden war. Man nutzte sie auch dann noch als Steinbruch für Pflasterarbeiten.

Da man entlang der niedergelegten Stadtmauer gern Alleen anlegte, kann man anhand der noch heute vorhandenen Straßennamen Akazien-, Linden- und Kastanienallee den Verlauf der Mauer großenteils nachvollziehen.[3]

Kettwiger Tor

Das Kettwiger Stadttor wurde als erstes der vier Tore 1288 urkundlich erwähnt und befand sich im südlichen Teil der Stadtmauer. Der Name verweist auf den Handelsweg nach Kettwig. Hier zeugt der Name des Gildehofcenters davon, dass sich Kaufleute und Handwerker Ende des 15. Jahrhunderts in Gilden organisierten. Die Gilde der Tuchhändler, so sagt es das Gildebuch, sei die bedeutendste gewesen.

Steeler Tor

Das Steeler Stadttor wurde 1322 erstmals erwähnt und lag im östlichen Teil der Stadtmauer. Der Name verweist auf den Handelsweg nach Steele. Der Hellweg, ein bedeutender Fernhandelsweg des Mittelalters, führte direkt durch das Steeler Tor. Bis Anfang des 16. Jahrhunderts nannte man das Osttor nach einer kleinen Anhöhe Porta Grintberghe. Erst 1514 tritt der Name Stelsche Porten, nach der Handelsroute nach Steele, auf.

Die früheste bildliche Darstellung des Tores findet sich auf der Altartafel des Barthel Bruyn aus den Jahren 1522/1525. Auf dieser ist das Haupttor mit Turm durch lange Torwangen mit einem Vortor verbunden, welches an den Ecken Rundtürme besaß. Das östliche, wohl kleinste Viertel der Stadt benannte man nach dem Tor. Innerhalb der Stadt führte die Handelsstraße vom tief gelegenen Stadttor zum Marktplatz hinauf. Außerhalb der Stadtmauer grenzte südlich des Tores ein Teich, nördlich ein langer Graben an die Toranlage. 1823 wurde die gesamte Anlage auf Abbruch verkauft, was mit der Niederlegung des gesamten alten Mauerrings in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einherging.

Viehhofer Tor

Das nördliche Viehhofer Tor ist nach einem Viehhof benannt. Es handelt sich dabei um den einst im Nordosten der Innenstadt gelegenen Fronhof des Essener Frauenstiftes, welches dieses mit Fleisch und Milchprodukten versorgte. Auf dem Areal des Viehhofes, der vermutlich schon zu Gründungszeiten des Stifts bestand, entstand eine zur Stadt gehörende Handwerker- und Händlersiedlung. Im Frühjahr 1995 wurden während Bauarbeiten archäologische Beobachtungen und Funde gemacht. Man entdeckte einen in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Mauerzug an der Stelle, wo man die linke Torwange vermutet, die das Haupttor mit dem Vortor über einen Graben verband. Die Mauerreste waren etwa 1,5 Meter hoch erhalten, wobei auch tierische Knochen und Scherben aus dem 14. und 15. Jahrhundert gefunden wurden. Die Fundstelle wurde wieder zugeschüttet und liegt heute geschützt unter dem heutigen Straßenpflaster. Über das Aussehen des Viehhofer Stadttores gibt es insgesamt nur wenig aussagekräftige Ansichten, die frühestens aus dem 16. Jahrhundert stammen. Man geht aber, wie bei den anderen Stadttoren, von einer Anlage mit durch Wangen verbundenem Haupt- und Vortor aus.

Limbecker Tor

Das Limbecker Stadttor ist das westliche der vier Tore und wurde 1323 als Porta Lindenbeke zum ersten Mal erwähnt. Benannt ist es nach der Limbecke, einem der Stadtmauer vorgelagerten Bach, der teilweise den Stadtgraben speiste sowie Mühlen und ein Hammerwerk antrieb. Der Name dieses nicht mehr existierenden Baches wiederum stammt von Lindenbecke (Becke für Bach). Das Limbecker Tor seinerseits war namensgebend für das dahinterliegende, damals bevölkerungsreichste Stadtviertel. Es sind keine bildlichen Darstellungen des Limbecker Tores bekannt, da die seit dem 16. Jahrhundert überlieferten Stadtansichten grundsätzlich nur einen Blick von Osten auf die Stadt bieten. Anhand schriftlicher Überlieferungen ist aber sicher, dass es sich wie bei den anderen drei Stadttoren um ein durch Wangen verbundenes Haupt- und Vortor handelte. Das Vortor wurde 1418 errichtet und bildete damit den letzten Bauabschnitt der Essener Stadtmauer. Durch das Limbecker Tor führte, vom Steeler Tor her kommend mitten durch Essen, der Hellweg als wichtige Handelsroute. So wurden am Limbecker Tor durch Torwächter Zölle erhoben. Das Geländeniveau des heutigen Limbecker Platzes liegt deutlich über dem des ehemaligen Stadttores. So belegen es archäologische Beobachtungen. Wann genau das Limbecker Tor niedergelegt wurde, ist nicht bekannt, dürfte aber zur Niederlegung der westlichen Stadtmauer in den 1820er Jahren passen.

Heckingsturm

Der Heckingsturm 1861, letzter erhaltener Teil der Stadtmauer, vier Jahre vor seinem Abriss 1865

Als letzter Bestandteil der Essener Stadtmauer wurde der Heckingsturm 1865 abgerissen. Er war einer von mindestens sechs Rundtürmen, die die Stadtmauer zwischen ihren vier Toren sicher machen sollten. An der Kreuzung Kastanienallee/Turmstraße wurde im Herbst 1995 eine 2 mal 6 Meter große Fläche ausgehoben. Man wollte die Erhaltung und genaue Lage des Heckingturmes nach altem Kartenmaterial erkunden. In den ersten vier Metern Tiefe, in denen es sich um moderne Aufschüttungen handelte, fand man hauptsächlich Keramik aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Erst darunter kamen die Schieferplatten der Abdeckung des Turms sowie Ziegel und Sandsteinblöcke zum Vorschein. Unter der Aufschüttung, in etwa viereinhalb Metern Tiefe, entdeckte man etwa in Nord-Süd-Richtung verlaufend die rund 60 Zentimeter hoch erhaltenen Überreste einer stark verformten Mauer aus Sandsteinen und Mörtel. Man vermutet, hier auf die nordöstliche Kante des Turmfundamentes gestoßen zu sein. Anhand alter Aufzeichnungen kann man in etwa die Maße des Heckingturmes ermitteln; seine Höhe betrug rund 19 Meter bei einem Durchmesser von etwa 7,30 Metern. Sollten weitere Turmfundamente erhalten sein, liegen sie sicher unter der genannten Straßenkreuzung.

Literatur

  • Jan Gerchow (Hrsg.), Die Mauer der Stadt, Essen vor der Industrie, 1244-1865; Pomp-Verlag, Essen 1995; ISBN 3893551247

Fußnoten

  1. Essen.de: Stadtleben im Mauerring; zuletzt gesichtet am 3. Dezember 2010
  2. Die anderen fünf Konvente waren: das Konvent beim Turm, das Konvent im Zwölfling, das Konvent im Kettwig, das Konvent zum Neuen Hagen, das Konvent im Alten Hagen
  3. Essen.de: Essen wächst und wächst; zuletzt gesichtet am 3. Dezember 2010

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