Akademisches Proletariat

Akademisches Proletariat

Der umgangssprachliche Begriff „akademisches Proletariat“ wird traditionell in verschiedensten Zusammenhängen zur Bezeichnung einer tatsächlichen oder auch lediglich subjektiv als solcher wahrgenommenen „Unterschicht“ in der Bevölkerungsgruppe der Akademiker verwendet. Die dabei angelegten Kriterien können sowohl wirtschaftlicher als auch fachlicher Natur sein. Der Terminus ist unscharf definiert, besitzt eine pejorative Konnotation und dient oft als Kampfbegriff in politischen oder ideologischen Debatten.

Der Begriff des Proletariats bei Marx umfasst jedoch neben dem sog. Lumpenproletariat auch diesen Unterbegriff. Die grundsätzliche Definition des Proletariats durch Karl Marx umfasst alle, die mangels gesellschaftlich konkurrenzfähiger Produktionsmittel dazu gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Damit sind, neben den früher vorherrschenden Arbeitern, auch alle Angestellten, Beamten, Arbeitslosen und Akademiker, also heute nahezu die gesamte Bevölkerung, ebenfalls Proletarier.

Typische Verwendungsbeispiele sind u. a.:

  • Geisteswissenschaftler, durch Gruppierungen, die ihnen mangelnden volkswirtschaftlichen Nutzen und geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt unterstellen.
  • Lehrer, mit der Unterstellung, dass es „für ein vollwertiges Fachstudium wohl nicht gereicht“ habe.
  • Akademiker, die sich aufgrund des schlechten Arbeitsmarktes selbständig machen, wegen der großen Konkurrenz aber erst nach vielen Jahren einen auskömmlichen Gewinn erwirtschaften und für lange Zeit am Existenzminimum leben (zum Beispiel junge Rechtsanwälte oder Architekten)

Je nach Lesart und Zielsetzung der den Begriff verwendenden Gruppierung kann er also nahezu jeden Akademiker bezeichnen, vom Bachelor bis zum Dr. habil., vom Ingenieur bis zum Philosophen. Aufgrund dieser weitgehenden Beliebigkeit ist die Eignung des Terminus zur Verwendung im Rahmen eines seriösen Disputs fraglich. Ungeachtet dessen findet er im Rahmen tagespolitischer Auseinandersetzungen gelegentlich Anwendung, überwiegend mit der Bedeutung „Akademiker, für die kein Bedarf besteht und die daher arbeitslos werden oder sich mit unterqualifizierten Tätigkeiten zufriedengeben müssen“.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • akademisches Proletariat — akademisches Proletariat,   umgangssprachliche Bezeichnung für die Gesamtheit der Hochschulabsolventen, die aufgrund eines Missverhältnisses zwischen Stellenangebot und nachfrage keine ihrer Qualifikation entsprechende Stellung finden und daher… …   Universal-Lexikon

  • Proletariat — Kritische Zeichnung zur Verdeutlichung der Klassengesellschaft Das Proletariat (von lateinisch proles ‚die Nachkommenschaft‘) bezeichnete im antiken Rom die gesellschaftliche Schicht der landlosen und lohnabhängigen Besitzlosen im Stadtstaat …   Deutsch Wikipedia

  • Proletariat — besitzlose Klasse; Arbeiterklasse; Unterschicht; arbeitende Klasse * * * Pro|le|ta|ri|at 〈n. 11〉 Klasse der Proletarier * * * Pro|le|ta|ri|at, das; [e]s, e <Pl. selten> [frz. prolétariat, zu: prolétaire < lat. proletarius, ↑ Proletarier] …   Universal-Lexikon

  • Begabungsreserven — Begabungsreserven,   Bildungsreserven, im Rahmen der Bildungsökonomie und Bildungsplanung v. a. der 1960er Jahre geprägter Sammelbegriff für diejenigen Personen, die trotz ausreichender Intelligenz, Leistungsbereitschaft und fähigkeit keine… …   Universal-Lexikon

  • Vaganten — Vagạnten   [v ; lateinisch vagantes »Umherziehende«], im Mittelalter Bezeichnung für Studenten und Studierte, die von einem Lehrer zum andern oder auf der Suche nach kirchlichen und weltlichen Ämtern in weiten Teilen Europas umherzogen. Im 12.… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”