- Evangelisches Studienwerk Villigst
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Das Evangelische Studienwerk e.V. Villigst ist eines der zwölf großen Begabtenförderungswerke in Deutschland. Es vergibt nach strengen Kriterien Studienstipendien aus öffentlichen Mitteln an begabte und gesellschaftlich engagierte Studierende aller Fachrichtungen. Es werden derzeit etwa 800 Studierende für die Dauer ihres gesamten Studiums sowie etwa 200 Promovierende gefördert. Neuaufnahmen in die Förderung erfolgen zum Beginn des Sommer- und Wintersemesters. Das Studienwerk hat seinen Sitz im Haus Villigst in Schwerte.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bereits 1948 wurde das Evangelische Studienwerk als Begabtenförderwerk der evangelischen Kirche ins Leben gerufen. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur sollte ihm die Aufgabe zukommen, an der Herausbildung neuer, christlich-protestantisch geprägter Führungspersönlichkeiten mitzuwirken. Das Versagen weiter Teile der deutschen Intelligenz unter der Nazidiktatur machte diese Notwendigkeit deutlich. Durch die Vernetzung und die fachliche und persönliche Förderung junger Menschen mit einem ausgeprägten Bewusstsein für die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung wurde in der Folgezeit ein wichtiger Beitrag zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik geleistet. Bis heute sind insgesamt mehr als 6000 Studierende durch das Evangelische Studienwerk in ihrem Studium und ihrer persönlichen Entwicklung begleitet und geprägt worden.
Christlich-protestantisches Profil
Nach dem Grundverständnis des Evangelischen Studienwerks beschränkt sich gelebter christlicher Glaube nicht auf den persönlichen Bereich. Vielmehr obliegt es jedem Einzelnen, gerade im gesellschaftlichen Bereich die eigene christliche Verantwortung wahrzunehmen. Die Stipendiaten und ehemaligen Stipendiaten des Evangelischen Studienwerks kommen diesem Erfordernis in ihrer gesellschaftlichen Position nach, sei es in Politik, Wirtschaft, Kirche, Kultur oder Rechtswesen.
Förderprogramme
Das Evangelische Studienwerk unterscheidet verschiedene Förderprogramme, die jeweils die „Förderung im materiellen und ideellen Sinne“ umfassen.
Für die Grundförderung,[1] an der die meisten Stipendiaten teilhaben, können sich Abiturienten und Hochschulstudierende bis zum fünften Fachsemester bewerben. Fachhochschulstudierenden steht die Bewerbung bis zum vierten Semester offen. Der Kontakt zum Evangelischen Studienwerk wird durch Eigenbewerbung, nicht notwendig durch Empfehlung, aufgenommen. Nach einer erfolgreichen Bewerbung nehmen die Stipendiaten ohne Probezeit für die Dauer des gesamten Studiums an der Förderung teil. Zu den Erfordernissen einer Bewerbung und zum Bewerbungsverfahren siehe unten.
Eine gesonderte Förderung bietet das Evangelische Studienwerk für Promovierende aller Fachrichtungen an.[2] Dieses Programm umfasst etwa 200 Stipendiaten. Die Förderung erfolgt zunächst für ein Jahr, kann aber auf Antrag um bis zu zwei Jahre verlängert werden.
Das Europastipendium des Evangelischen Studienwerks richtet sich an Studierende aus anderen EU-Staaten.[3] Sofern das Studium in Deutschland nach der Aufnahme noch mindestens drei Semester fortdauert, wird hier dieselbe Unterstützung wie bei der Grundförderung gewährt.
Ideelle und materielle Förderung
Die Förderung durch das Evangelische Studienwerk umfasst in allen Stipendienprogrammen die materielle, finanzielle und die ideelle, persönlichkeitsbildende Förderung.
Materielle Förderung
In der Grund- und Europaförderung erhält jeder Stipendiat – gemäß den Vergaberichtlinien des Bundesministerium für Bildung und Forschung – ein monatliches Büchergeld von 150 Euro, welches unterschiedslos gewährt wird.[1] Abhängig von der persönlichen Situation und vom Einkommen der Eltern wird daneben auf Grundlage der Richtlinien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ein Stipendium von bis zu 597 Euro im Monat gewährt.[4] Des Weiteren unterstützt das Evangelische Studienwerk durch die Übernahme von Reisekosten und Studiengebühren sowie durch spezielle Zuschläge die Ableistung von Auslandsstudienaufenthalten der Stipendiaten. Gefördert werden auch Sprachkurse im Ausland. Für spezielle studienbezogene Anschaffungen steht zudem jedem Stipendiaten ein Sachmittelfonds zur Verfügung.
Promovierende erhalten eine monatliche Forschungspauschale von 100 Euro und ein Stipendium von bis zu 1050 Euro im Monat. Kinderbetreuungskosten werden bezuschusst, ein Elternjahr gefördert. [2]
Die Zuwendungen des Studienwerks müssen nicht, wie BAföG-Leistungen, nach dem Ende des Studiums zurückgezahlt werden.
Ideelle Förderung
Die ideelle Förderung durch das Evangelische Studienwerk umfasst ein umfangreiches Seminarprogramm, die Möglichkeit zur aktiven Beteiligung in den stipendiatischen Gremien des Studienwerks und die persönliche Studienbetreuung der Stipendiaten.
Seminarprogramm
Den Schwerpunkt der ideellen Förderung durch Seminare und interdisziplinäre Veranstaltungen bildet die jährlich stattfindende so genannte Sommeruniversität. Diese umfasst eine Vielzahl von mehrtägigen Seminarveranstaltungen, die meist im Sitz des Studienwerks und der Evangelischen Akademie in Meißen abgehalten werden. Die Seminare der Sommeruni finden in den Monaten August und September parallel zueinander statt. Durch den bewusst interdisziplinären Ansatz und die gezielt wissenschaftliche Herangehensweise an die behandelten Themen ist die Sommeruni seit langem nicht nur bei den Stipendiaten, sondern auch bei Außenstehenden bekannt, denen diese Seminare ebenso offenstehen. Die Sommeruni wird jährlich durch den stipendiatischen Programmausschuss zu einem ausgewählten Oberthema vorbereitet.
Neben der Sommeruni finden regelmäßig spezielle Fachtagungen, Promovierendentreffen und Veranstaltungen in Kooperation mit den anderen Begabtenförderungswerken oder auch Unternehmen statt.
Beteiligung der Stipendiaten
Eine Besonderheit des Evangelischen Studienwerks im Vergleich zu anderen Begabtenstudienwerken ist die konsequente Beteiligung der Stipendiaten in allen Bereichen des Studienwerks. Stipendiaten sind in den Auswahlkommissionen vertreten, bereiten Seminare und Fachtagungen vor und sind an den Hochschulen in Hochschulgruppen, den Konventen, aktiv. Insbesondere hat jedoch der stipendiatische Senat die Möglichkeit, das Geschehen und die Diskussionen im Studienwerk aktiv und engagiert mitzubestimmen. Auch in der Leitung, im Vorstand und im Kuratorium des Evangelischen Studienwerks sind die Stipendiaten direkt vertreten. Des Weiteren existieren verschiedene stipendiatische Arbeitsgemeinschaften, die sich schwerpunktmäßig mit einzelnen Themen auseinandersetzen sowie das stipendiatische Magazin „Info“.
Betreuung
Eine intensive persönliche Studienbetreuung ist Bestandteil der Förderung durch das Evangelische Studienwerk. Hierzu ist das Studienwerk an jedem Hochschulort durch Vertrauensdozenten vertreten. Im Studienwerk selbst ist jedem Hochschulort ein Studienbetreuer zugeordnet, der, ebenso wie der Pfarrer im Studienwerk, den persönlichen Kontakt zu den Stipendiaten hält.
Verpflichtungen der Stipendiaten
Mit der Aufnahme in das Evangelische Studienwerk verpflichten sich die Stipendiaten zur Teilnahme an einer Einführungsfreizeit, der Mitarbeit in der Öffentlichkeitsarbeit und der Anfertigung regelmäßiger Semester- oder Jahresberichte.
Struktur
Das Evangelische Studienwerk e.V. Villigst ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein. Es wird getragen von den evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Die Stipendien werden aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gezahlt. Das Bildungsprogramm wird aus Beiträgen der Kirchen und privaten Spenden finanziert. Private Mittel fließen dem Evangelischen Studienwerk auch aus der Stiftung Evangelische Begabtenförderung zu. Der Sitz der Verwaltung befindet sich im Haus Villigst bei Schwerte, wo auch ein Großteil der Veranstaltungen des Studienwerks stattfindet. Die Geschicke des Evangelischen Studienwerks werden hauptsächlich von der Leitung und dem Vorstand des Studienwerks gelenkt, die eng mit den stipendiatischen Gremien zusammenarbeiten. Im Kuratorium des Evangelischen Studienwerks sind unter anderem Vertreter der Landeskirchen und der ehemaligen Stipendiaten vertreten. An den einzelnen Hochschulorten sind die Stipendiaten in „Konventen“ organisiert. Die ehemaligen Stipendiaten sind als so genannte „Altvilligster“ in Regionalgruppen verbunden und durch den „Fünferrat“ an den Entscheidungsprozessen im Studienwerk beteiligt.
Prominente Altvilligster
Zu den bekanntesten ehemaligen Stipendiaten des Evangelischen Studienwerks zählen
- Kurt Biedenkopf, ehemaliger sächsischer Ministerpräsident,
- Otto von Campenhausen, ehemaliger Präsident des Kirchenamts der EKD,
- Edzard Hüneke, Sänger der A-cappella-Gruppe Wise Guys,
- Bernd Janowski, evangelischer Theologe und berühmter Alttestamentler,
- Margot Käßmann, Bischöfin a.D., ehemalige Vorsitzende des Rates der EKD
- Paul Alfred Kleinert, Schriftsteller,
- Ruth Olshan, Regisseurin,
- Henning Scherf, ehemaliger Bremer Bürgermeister,
- Bernhard Schlink, Juraprofessor und Schriftsteller,
- Roger Willemsen, Publizist und Fernsehmoderator,
- Sumaya Farhat-Naser, palästinensische Friedensvermittlerin im Westjordanland.
- Siglinde Kallnbach, bildende Künstlerin
Bewerbungs- und Auswahlverfahren
Die Bewerbung um ein Stipendium des Evangelischen Studienwerks steht allen Mitgliedern einer evangelischen Landeskirche offen, die im höchstens fünften Semester an einer deutschen Hochschule studieren (höchstens viertes Semester bei Fachhochschulen) oder unmittelbar vor Aufnahme des Studiums stehen. Ausnahmen hiervon bedürfen einer gesonderten Begründung. Nach dem Eingang der vollständigen Initiativbewerbung, welche neben einem Motivationsschreiben und einem Lebenslauf auch verschiedene Gutachten von (Hochschul-)Lehrern umfasst, werden die Bewerber zu lokalen Vorauswahlgesprächen mit Vertretern des Studienwerks eingeladen. Im Anschluss besucht ein Teil der Bewerber das Hauptauswahlwochenende im Haus Villigst, währenddessen anhand von Gruppendiskussionen und Einzelgesprächen über eine Aufnahme der Bewerber in die Förderung des Evangelischen Studienwerks entschieden wird. Die Aufnahme erfolgt ohne Probezeit für die Dauer des gesamten Studiums.
Für Promotionsstudierende ist insbesondere ein zügig durchgeführtes und überdurchschnittlich gut abgeschlossenes Studium Voraussetzung für eine Bewerbung um ein Stipendium. Anhand der schriftlichen Bewerbung, die insbesondere eine detaillierte Beschreibung des Promotionsvorhabens enthalten muss, und eines persönlichen Gesprächs, wird über die Aufnahme in die Promotionsförderung entschieden.
Für Bewerber um ein Europastipendium ist insbesondere der Nachweis guter Deutschkenntnisse erforderlich.
Villigster Forschungsforums zu Nationalsozialismus, Rassismus und Antisemitismus e.V.
Im Jahr 2000 wurde von Promovierenden des Evangelischen Studienwerks das Villigster Forschungsforums zu Nationalsozialismus, Rassismus und Antisemitismus gegründet, seit 2003 ist es ein eingetragener Verein zur Förderung der Erforschung von Nationalsozialismus, Rassismus und Antisemitismus. Der Verein ist interdisziplinär ausgerichtet, er trifft sich mindestens zwei mal jährlich zur Präsentation und Diskussion der Forschung seiner Mitglieder, die Mitgliederversammlung findet jährlich im Haus Villigst statt. Das Villigster Forschungsforum führt außerdem Konferenzen und Workshops durch, die zum Teil öffentlich sind.
Weblinks
- http://www.evstudienwerk.de – Homepage, alternativ: http://www.villigst.de
Homepage des Villigster Forschungsforums zu Nationalsozialismus, Rassismus und Antisemitismus e.V.: http://www.forschungsforum.net/
Einzelnachweise
- ↑ a b Grundförderung auf villigst.de.
- ↑ a b Promotionsförderung auf villigst.de.
- ↑ Europastipendium auf villigst.de.
- ↑ evstudienwerk.de: Unser Stipendium für Studierende, abgerufen am 6. September 2011.
Kategorien:- Schwerte
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