- Ferdinand Ulrich
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Ferdinand Ulrich (* 23. Februar 1931 in Odrau/Mähren) ist ein deutscher Philosoph.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Ulrich studierte an der Philosophisch-theologischen Hochschule Freising, und an der Ludwig-Maximilians-Universität München Philosophie, Psychologie, Pädagogik und Fundamentaltheologie. 1956 promovierte er in München, 1958 folgte die Habilitation in Philosophie (Universität Salzburg). Er lehrte ab 1958 an der Pädagogischen Hochschule in Regensburg, die später in die Universität Regensburg integriert wurde. Ab 1967 war er ordentlicher Professor für Philosophie. 1996 erfolgte die Emeritierung. Außerdem unterrichtete Ulrich an der Universität Salzburg und an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in Pullach (später München). Er lebt in Regensburg.
Wesentliche Themen
Im Zentrum seines Denkens und Fragens steht immer der je konkrete Mensch in seiner Verfaßtheit und Lebenswelt, wie auch seinem menschlichem In-der-Welt-Sein. Der Blick auf den Menschen kommt bei Ulrich aber zugleich stets aus der Tiefe eines Seinsdenkens, das alle seine Schriften prägt. Er ist in allem, was er bedenkt, immer und ursprünglich Metaphysiker, der die Phänomene menschlichen Daseins im Licht und „Wagnis der Seinsfrage“ wahrnimmt und entfaltet. Dieses Seinsdenken ist besonders vom Geist des Thomas von Aquin inspiriert, der das Sein als Aktfülle alles Wirklichen deutet. Ulrich entfaltet von dort ausgehend im beständigen Gespräch - besonders mit dem Deutschen Idealismus (v.a. Hegel) und mit Heidegger, aber auch mit Marx, Kierkegaard, Freud und anderen - eine Metaphysik des Seins als Liebe (bzw. des Seins als Gabe). Er versteht sich dabei ausdrücklich als christlicher Philosoph. Von diesen Voraussetzungen her gelingt ihm eine Versöhnung von traditioneller Metaphysik und neuzeitlicher Transzendentalphilosophie einerseits aber ebenso eine Versöhnung dieser Positionen mit der Dialogphilosophie andererseits. Ulrichs Denken kreist in vielfachen Variationen um die ontologische Differenz von nichtsubsistierendem Sein und subsistierendem Seienden. Die Vollgestalt und damit den eigentlichen Interpretationshorizont dieser Differenz erblickt er aber in der personalen Differenz von Ich und Du (als Freiheitsgestalt: Ich-Du-Wir). Daher sind hier Ontologie und Anthropologie streng aufeinander bezogen, ohne ineinander aufzugehen. Mit seinem radikalen Verständnis des Seins als Liebe steht Ulrich sowohl in der Tradition derer, die die Metaphysik, insbesondere in der Gestalt einer statischen Substanzontologie, überwinden wollen. Zugleich begreift er sich aber auch in einer Tradition solcher Denker, die (etwa mit Heidegger) aus einer vertieften Seinserfahrung die philosophischen Entwürfe der großen Tradition aus ebendieser Tiefe hören und deren metaphysisches Grundanliegen „nach vorne wiederholen“ (Kierkegaard) wollen. Hat diese Philosophie des Seins als Liebe aber die heile Gestalt menschlichen Personseins im Blick, so ist sie als befreites Denken selbst nur in dem Ort möglich, in dem der Mensch zu diesem Personsein befreit ist: im Ort der Ankunft des Befreiers, im Raum der erlösten Freiheit oder der "heilen Endlichkeit", die Ulrich als personalen Inbegriff der Kirche schaut.
Veröffentlichungen
Ulrichs Denken ist zugänglich in Gestalt einer inzwischen fünfbändigen Schriftenausgabe im Johannes-Verlag Einsiedeln, die noch nicht abgeschlossen ist. Allerdings gibt es nach 1980 kaum noch neue Texte von Ulrich. Für die Schriftenausgabe wurden zumeist ältere Manuskripte von ihm noch einmal überarbeitet. Erster Band und zugleich zentrales Werk ist Ulrichs Habilitationsschrift „Homo abyssus. Das Wagnis der Seinsfrage“ (erstm. 1961). In der Schriftenausgabe verdient auch der bislang letzte Band V besondere Aufmerksamkeit. Ulrich legt darin unter dem Titel „Gabe und Vergebung“ einen „Beitrag zur biblischen Ontologie“ vor, in dem er auf 830 Seiten das „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ (Lk 15, 11-32) im Sinne einer Onto-Dramatik zwischen Gott und Mensch auslegt. Weitere Veröffentlichungen umfassen rund 60 Aufsätze und zum Teil umfangreiche Abhandlungen, die zumeist in ausländischen Zeitschriften und Sammelbänden publiziert sind. Titel kleinerer Bücher lauten etwa: „Der Mensch als Anfang. Zur philosophischen Anthropologie der Kindheit“ (1970) oder „Atheismus und Menschwerdung“ (1966).
Rezeption
Die spekulative Schwierigkeit, die eigenwillige Diktion und das christliche Fundament, aus dem Ulrich philosophiert, haben eine breite Rezeption erschwert. Allerdings gab und gibt es vereinzelt sehr beachtlichen Zuspruch. Hans Urs von Balthasar etwa hat Ulrich intensiv rezipiert und über Ulrichs Philosophie folgendes Urteil gefällt: „Sie hat ... vor allen mir bekannten Entwürfen dies voraus, dass sie Aug in Aug zu den innersten Mysterien der christlichen Offenbarung steht, sie öffnet, ohne den streng-philosophischen Raum zu verlassen, und damit den heillosen Dualismus zwischen Philosophie und Theologie glücklicher als vielleicht je bisher überwindet“. (Zitat abgedruckt auf dem Rücken der 2. Auflage von Homo abyssus, 1998). In einem jüngeren Sammelwerk zur Religionsphilosophie wird Ulrich einer „der wichtigsten Religionsphilosophen des Jahrhunderts“ genannt (S. Grätzel/A. Kreiner. Religionsphilosophie, Stuttgart/Weimar 1999, S. 112).
Primärliteratur
Schriften I-V:
- I: Homo abyssus. Das Wagnis der Seinsfrage. Johannes Verlag, Einsiedeln 2.Aufl. 1998. 463 S. (Horizonte; 8) ISBN 3-89411-284-0. (Zugl.: Salzburg, Univ., Diss., 1958 u.d.T.: Versuch einer spekulativen Entfaltung des Menschenwesens in der Seinsteilhabe.)
- II: Leben in der Einheit von Leben und Tod. Einsiedeln 1999.ISBN 3-89411-358-8
- III: Erzählter Sinn. Ontologie der Selbstwerdung in der Bilderwelt des Märchens. Einsiedeln 2.Aufl.2002.ISBN 3-89411-362-6
- IV: Logo-tokos. Der Mensch und das Wort. Einsiedeln 2003. ISBN 3-89411-383-9
- V: Gabe und Vergebung. Ein Beitrag zur biblischen Ontologie. Einsiedeln 2006.ISBN 3-89411-392-8
- Gegenwart der Freiheit. Einsiedeln : Johannes Verl., 1974. - 209 S. - ISBN 3-265-10154-1. - (Sammlung Horizonte; N.F. 8), 1974
- Der Mensch als Anfang: zur philosophischen Anthropologie der Kindheit.Johannes Verl., Einsiedeln 1970. - 159 S. (Kriterien; 16)
Sekundärliteratur
- Stefan Oster: Mit-Mensch-Sein. Phänomenologie und Ontologie der Gabe bei Ferdinand Ulrich, Freiburg/München 2004. ISBN 3-495-48126-5
- Reinhard Feiter: Zur Freiheit befreit. Apologie des Christlichen bei Ferdinand Ulrich, Würzburg 1994. ISBN 3-429-01603-7
- Martin Bieler Freiheit als Gabe. Ein schöpfungstheologischer Entwurf, Freiburg/Basel/Wien 1991. ISBN 3-451-22294-9
- Emmanuel Tourpe, "La positivité de l'être comme amour chez Ferdinand Ulrich à l'arrière-plan de Theologik III. Sur un mot de Hans Urs von Balthasar", in Gregorianum, 1 (1988), ss. 86-117
- Stefan Oster: "Umsonst geben - Über Lehrer-sein und geistliche Vaterschaft. Ferdinand Ulrich zum 80. Geburtstag, in: "Internationale Katholische Zeitschrift Communio", 40 (2011), 51-61
- Stefan Oster: "Thinking Love at the Heart of Things. The Metaphysics of Being as Love in the Work of Ferdinand Ulrich", in: "International Catholic Review Communio, 37/4 (2010), 660-700
Weblinks
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