Finanzielle Allgemeinbildung

Finanzielle Allgemeinbildung

Finanzielle Allgemeinbildung oder auch Finanzwissen bezeichnet die Beschäftigung mit bildenden Maßnahmen im spezifischen ökonomischen Bereich finanziellen Handelns. Ziel der finanziellen Allgemeinbildung ist es, das Individuum und den privaten Haushalt zu befähigen, sämtliche finanziellen Aspekte seiner Existenz sinnvoll und zu seinem Vorteil nutzen zu können.[1]

Die Ökonomische Bildung behandelt in ihren Lehrkonzeptionen diese Aspekte, die Verbraucherbildung räumt ihnen einen zentralen Platz ein und auch für Fächer wie Sozialkunde, Gemeinschaftskunde oder Politik-Wirtschaft ist sie traditionell ein Thema. Finanzielle Allgemeinbildung kann also in der ökonomischen Bildung in die Gesamtheit ökonomischer Aktivitäten, in der Verbraucherbildung in den Rahmen des Privathaushalts oder in die politisch-ökonomische Bildung integriert werden. Eine isolierte Behandlung finanzieller Sachverhalte ist wenig sinnvoll.[2]

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung

Das Finanzwissen wird überwiegend als ein entscheidender Erfolgsfaktor bei der Teilnahme am Wirtschaftsleben betrachtet. Bildungsdefizite in alltäglichen Finanzfragen können zu einer unzureichenden Beschäftigung mit den privaten Finanzen führen. Problematische finanzielle Entscheidungen können zu Renditeschmälerung, Vermögensverlust oder Überschuldung führen. Es gibt jedoch auch Gegenpositionen.[3] Der Verzicht auf finanzielle Optimierung kann auch ein bewusster Lebensstil sein. Überschuldung folgt oft aus individuell nicht oder kaum beeinflussbaren Lebenslagen (Arbeitslosigkeit, Scheidung etc.) und seltener aus mangelndem finanziellen Wissen. Es besteht aber ein empirischer Zusammenhang zwischen Bildung und Überschuldung.

Daher ist finanzielle Allgemeinbildung ein wichtiger Bestandteil von

Immer größere Bereiche der privaten Finanzen werden durch Formen der Finanzdienstleistung externalisiert. Die politisch gewollte Deregulierung der Finanzmärkte und Versicherungsmärkte hat die Angebotsvielfalt erhöht und dadurch die Intransparenz aus Sicht der privaten Nachfrager deutlich erhöht. Die Unübersichtlichkeit steigt auch durch das Angebot immer komplexerer Produkte.

Diese Dienstleistungen haben daher in heutigen Gesellschaften nicht nur eine steigende Alltagsbedeutung, auch weil sie gesellschaftliche Institutionen wie etwa die Familie in ihrer sozialen Absicherungsfunktion ganz oder teilweise ablösen (z. B. bei Altersvorsorge, Pflege und Hinterbliebenenversorgung). Vielmehr stellen die neuen Marktbedingungen die privaten Akteure vor erhebliche Informations- und Planungsprobleme sowie erhöhte Risiken. Auch die wachsende Unbeständigkeit im Lebenslauf durch sich verändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen, insbesondere durch die Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse, und familiäre Verhältnisse (Alleinerziehende), haben zur Folge, dass die Menschen auch ihre privaten Finanzen häufiger anpassen müssen. Auch die politisch definierten Rahmenbedingungen für Finanzmärkte und Versicherungsmärkte, der Einfluss von Interessenverbänden auf diese Politik und deren Folgen für den Einzelnen und die Haushalte gehören zum inhaltlichen Kern der finanziellen Allgemeinbildung.

Inhalte der finanziellen Allgemeinbildung

Zentrales Bildungsziel der finanziellen Allgemeinbildung ist es nicht nur, den Umgang mit Geld zu vermitteln. Auch eine vernünftige Inanspruchnahme unterschiedlicher Finanzdienstleistungen muss inhaltliches Ziel sein, eine Handlungskompetenz in sämtlichen monetären Fragen aufgebaut werden. Die finanzielle Allgemeinbildung beschäftigt auch mit Fragen des Umgangs mit Lebensrisiken, des Vermögensaufbaus und der Altersvorsorge, ebenso dem Umgang mit Darlehen und Krediten. Darüber hinaus fördert sie eine politische Urteilsfähigkeit hinsichtlich der Regeln für die Finanzindustrie und ihre Produkte.

Dieses Ziel wird teilweise in Frage gestellt. Die liberale Vorstellung, dass Privatpersonen ein Interesse daran haben, finanzielle Fragen eigenverantwortlich zu entscheiden, deckt sich nicht immer mit den Fähigkeiten und Wünschen der Betroffenen. Finanzmarktregulierung und öffentliche Beratungsinstitutionen werden aus dieser Sicht als eine effektive Alternative zur Steuerung des privaten Handelns durch Finanzbildung betrachtet.[4]

Kritisiert wird die teilweise Verflechtung von Akteuren und Aktivitäten der finanziellen Allgemeinbildung mit der Finanzindustrie.[5]

Zunehmend rücken Fragen der sinnvollen Ausgaben- und Einnahmenkoordinierung privater Haushalte zum Zwecke der Vermeidung einer Schuldenfalle in den Vordergrund der finanziellen Allgemeinbildung, weil Einkommensrisiken bei gleichzeitig unverändertem Konsumverhalten zu einer Erhöhung der Finanzierungsrisiken geführt haben.

Verortung der finanziellen Allgemeinbildung in den Schulen

In Schulen wird die finanzielle Allgemeinbildung je nach Bundesland und Schulform fächerverbindend, fächerübergreifend und in einzelnen Fächern wie Wirtschaft, Gesellschaftslehre oder Gemeinschaftskunde organisiert. Inhaltlich steht sie traditionell im Kontext der Verbraucherbildung[6], seit einigen Jahren versucht man, sie stärker in der Ökonomischen Bildung zu verorten[7] [8]

Inhaltsbereich Themenfeld Beispiel
Private Haushalte Konsumieren Bedürfnisse und Einkommen
Wirtschaftliches Handeln im Haushalt Umgang mit Geld
Verbraucher im Wirtschaftsgeschehen Konsumverhalten, Geldfunktionen
Private Haushalte im Wirtschaftsgeschehen Geldanlage, Altersvorsorge, Vermögensbildung
Unternehmen Das Unternehmen im Wirtschaftsgeschehen Betrieblicher Leistungsprozeß
Märkte und Preisbildung Kapitalmarkt, Kredite, Geldanlage
Staat Funktionen des Staates in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Soziale Sicherung, Armutsprävention
Wirtschaftsordnung Wirtschaft braucht Regeln Taschengeldparagraph
Soziale Marktwirtschaft Geldordnung, Geldpolitik
Ausland Internationale Wirtschaftsbeziehungen Internationale Finanzwirtschaft, Europäische Wirtschaftspolitik

Hinweise auf empirische Studien

Die Save Studie untersucht unter anderem den Stand der Finanziellen Allgemeinbildung in Deutschland. In den USA ergab eine Studie des Centers for Economic and Entrepreneurial Literacy (CEEL) 2010: Eine überwältigende Zahl von Amerikanern ist außer Stande, auch nur die einfachsten Fragen zu Kredit, Zinsen und wirtschaftlichen Grundbegriffen zu beantworten.[9]

Einzelnachweise

  1. Institut für Finanzdienstleistungen: iff Forschungsbereich Finanzielle Allgemeinbildung. 2003 (zu finden hier)
  2. Kaminski, Eggert, Burkard: Konzeptionen für die Ökonomische Bildung als Allgemeinbildung von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II. herausgegeben vom Institut für Ökonomische Bildung im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Banken, 2008.
  3. L. E. Willis: Evidence and Ideology in Assessing the Effectiveness of Financial Literacy Education. Los Angeles 2008. (online)
  4. L. E. Willis: The Financial Education Fallacy. Los Angeles 2011. (online)
  5. L. Möller, R. Hedtke: Wem gehört die ökonomische Bildung? Notizen zur Verflechtung von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Bielefeld 2011. (online)
  6. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur: Richtlinie Verbraucherbildung an allgemeinbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz. Mainz, 2010 (online)
  7. Th. Retzmann (Hrsg.): Finanzielle Bildung in der Schule. Mündige Verbraucher durch ökonomische Bildung. Herausgegeben im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für ökonomische Bildung, Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts. 2011
  8. Die folgende Darstellung folgt: H. Kaminski / K. Eggert / K-J. Burkard: Konzeption für die ökonomische Bildung als Allgemeinbildung von der Grundstufe bis zum Abitur,Herausgegeben durch den Bundesverbandes deutscher Banken, 2008
  9. Nation der Ahnungslosen. auf: Spiegel online. 15. November 2010.

Literatur

  • H. Kaminski, K. Eggert, K.-J. Burkard: Konzeption für die Ökonomische Bildung als Allgemeinbildung von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II. herausgegeben vom Institut für Ökonomische Bildung im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken. Berlin 2008.
  • L. Möller, R. Hedtke: Wem gehört die ökonomische Bildung? Notizen zur Verflechtung von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Bielefeld 2011. Zugriff: (PDF)
  • U. Reifner: Finanzielle Allgemeinbildung - Bildung als Mittel der Armutsprävention in der Kreditgesellschaft. Projektabschlussbericht zur ersten Phase des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützten Projektes. 2003
  • U. Reifner: Die Geldgesellschaft. Aus der Finanzkrise lernen. Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden 2010.
  • Th. Retzmann (Hrsg.): Finanzielle Bildung in der Schule. Mündige Verbraucher durch ökonomische Bildung. Herausgegeben im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für ökonomische Bildung, Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts. 2011.

Weblinks


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