Freiluftkur

Freiluftkur

Die Luftkur (auch Freiluftkur oder Freiluft-Liegekur) ist eine Form der Klimatherapie, die seit dem 19. Jahrhundert längere Zeit als Standardtherapie bei Tuberkulose galt. Die Patienten lagen dabei mehrere Stunden täglich auf Liegestühlen im Freien oder in offenen Liegehallen. Auf diese Form der Kur geht die Bezeichnung Luftkurort zurück, die in Deutschland von Kurorten geführt werden darf, deren Klima als besonders gesundheitsfördernd gilt.

Die Idee, dass spezielle klimatische Bedingungen heilend wirken können, war schon in der Antike bekannt. So genannte Luftbäder wurden im Zeitalter der Aufklärung als geeignetes Mittel zur körperlichen Abhärtung empfohlen. Im 19. Jahrhundert propagierten dann etwa zeitgleich mehrere deutschsprachige Mediziner die Wirksamkeit der Luftkur vor allem bei Tuberkulose, wobei vor allem Höhenklima als besonders heilsam galt.

In Deutschland war der Arzt Hermann Brehmer (1826-1889) den Quellen zufolge der erste, der die bis dahin unheilbare Krankheit Tbc als heilbar bezeichnete, und zwar mit Hilfe der Luftkur. 1856 schrieb er seine Dissertation mit dem Titel Die Gesetze und die Heilbarkeit der chronischen Tuberkulose der Lunge. Er ging davon aus, dass es „immune Orte“ gibt, die zum einen auf Grund ihres Klimas die Bewohner wirksam vor dem Auftreten von Tbc schützen und zum anderen nach Ausbruch der Krankheit heilend wirken. 1863 ließ er ein Sanatorium für Lungenkranke in Görbersdorf in Schlesien errichten, wo er die Liegekur im Freien einführte. Es wurde zu einem Prototyp für Lungenheilstätten. Brehmers Schüler Peter Dettweiler (1837-1904) dehnte die Luftkur auf täglich sieben Stunden aus. 1876 übernahm Dettweiler die Leitung der neuen Heilanstalt Heilanstalt Falkenberg im Taunus. In Falkenstein errichtete er 1891 die erste deutsche Heilstätte für unbemittelte Lungenkranke. Den Patienten waren als einzige Aktivitäten in dieser Zeit nur lesen, schreiben und leise Gespräche gestattet.[1] [2]

In der Schweiz war der deutschstämmige Arzt Alexander Spengler (1827-1901) ein Pionier der Luftkur. Er begann 1853, als Landarzt in Davos zu praktizieren und kam bald zu der Überzeugung, dass die Bewohner der Gegend grundsätzlich nicht an Tuberkulose erkrankten, was er mit dem Hochgebirgsklima erklärte. Diese Theorie veröffentlichte er. 1860 wurden die ersten Kurgäste in einer Davoser Pension aufgenommen, die sich hier der Liegekur im Freien unterzogen. In den folgenden Jahrzehnten eröffneten in Davos mehrere Lungensanatorien, und der Ort nannte sich Luftkurort.[3] Die Patienten kamen aus ganz Europa hierher, darunter auch Prominente. Ein weiterer Vertreter der Luftkur war der Schweizer Arnold Rikli, der schon 1855 eine Heilanstalt in Slowenien errichtet hatte.[4]

In Österreich wurde die Luft- bzw. Liegekur vor Allem in Leopold Schröttners Heilanstalt Alland und den Sanatorien des niederösterreichischen Voralpenlandes praktiziert. Ausgehend vom 1903 durch die beiden Ärzte Hugo Kraus, einem Schüler Leopold Schröttners, und Arthur Baer, der als Assistenzarzt bei Dettweiler in Falkenstein Erfahrung gesammelt hatte, gegründeten Sanatorium Wienerwald, wurde die Luftkur - neben der Maststkur - im Österreich des frühen Zwanzigsten Jahrhunderts als Standardtherapie angewandt. Auch entscheidende medizinische Erfindungen wie der künstliche Pneumothorax, der nach Schweizer Vorbild in Österreich erstmals durch Hugo Kraus durchgeführt wurde, oder die Bestrahlung mittels der kalten Quarzlampe, machten die Liegekur nicht gänzlich überflüssig. Noch in den 1930ern stand die Luftkur in den berühmten Sanatorien des Voralpenlandes, wie etwa dem Sanatorium Wienerwald, dem Sanatorium Breitenstein, oder der Genesungsanstalt Felbring an erster Stelle der Therapieformen.

Doch schon 1875 wies der Schweizer Arzt Emil Müller aus Winterthur nach, dass auch Menschen, die dauerhaft in einem Höhenklima leben, an Tuberkulose erkranken und daran sterben, dieses Klima also nicht „immun“ mache.[1] Dennoch wurde die Liegekur im Freien bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts weiterhin als Tbc-Therapie verordnet und galt als erfolgversprechend. Danach wurde sie durch andere Behandlungsmethoden abgelöst, unter anderem von der Chemotherapie.

Sonstiges

Thomas Mann setzte der Luftkur ein literarisches Denkmal in seinem Roman Der Zauberberg, der in einem Lungensanatorium in Davos spielt. Dabei griff Mann auf eigene Erfahrung zurück, denn er besuchte 1912 seine Frau Katia Mann, die wegen eines Lungenleidens ein halbes Jahr in Davos zur Kur war. Er leistete ihr bei der Liegekur im Freien Gesellschaft und zog sich eine schwere Erkältung zu, worauf die Ärzte eine „Dämpfung der Lunge“ diagnostizierten und einen mehrmonatigen Aufenthalt im Sanatorium empfahlen. Mann zog es jedoch vor, nach drei Wochen wieder abzureisen. 1924 erschien dann Der Zauberberg.[3]

Quellen

  1. a b Schweizerische Ärztezeitung: Volkssanatorien in der Schweiz (2000)
  2. Beitrag des Deutschen Hygienemuseums über Tbc
  3. a b Deutsches Ärzteblatt über Alexander Spengler (2004)
  4. Horst Prignitz, Wasserkur und Badelust, Leipzig 1986, S. 200

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