Frenulum linguae

Frenulum linguae
Zunge des Menschen. Das Bild zeigt einen Sonderbefund, nämlich eine Faltenzunge (Lingua plicata).

Die Zunge (Althochdeutsch zunga, lat. Lingua, griech. γλῶσσα Glossa)[1] ist ein länglicher, von Schleimhaut überzogener Muskelkörper, der auf dem Boden der Mundhöhle liegt und diese bei geschlossenen Kiefern fast ganz ausfüllt.

Sie nimmt am Kauen, Saugen und Schlucken teil, ist mit Sinnesorganen für das Schmecken und Tasten ausgestattet und ist ein wichtiger Bestandteil der Sprachbildung.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Zeichnung der Vorderansicht der Zunge und der Mundhöhle (zur besseren Übersichtlichkeit werden die Wangen nicht dargestellt)

Die Oberseite der Zunge (der Zungenrücken, Dorsum linguae) ist etwas gewölbt, liegt ganz frei und zeigt hinten eine dreieckige Vertiefung, das blinde Loch, in dem sich mehrere Schleimdrüsen öffnen.

Die untere Fläche ist mit ihrem mittleren Teil an den Boden der Mundhöhle angewachsen und vorn durch eine Falte der Mundschleimhaut, das Zungenbändchen (Frenulum linguae), so angeheftet, dass nur die Spitze und die Seitenränder frei sind. Erstreckt sich das Zungenbändchen zu weit nach vorn, so wird dadurch die freie Beweglichkeit der Zunge beeinträchtigt (Ankyloglosson). Dieser Fehler kann durch einen Schnitt in das Zungenbändchen (Zungenlösung) beseitigt werden.

Der hinterste, dickste Teil der Zunge, die Zungenwurzel (Radix linguae), ist am Zungenbein befestigt, das im oberen Teil des Halses liegt und durch Muskeln und Bänder wieder mit dem Kehlkopf in Verbindung steht.

In der Mittellinie der Zunge ist eine Art senkrechte Scheidewand, das Septum linguae. Im Übrigen besteht die Zunge jedoch vorwiegend aus Muskelfasern mit zahlreichen dazwischen verlaufenden Nerven und Blutgefäßen. Die Muskelfasern sind in allen drei Raumrichtungen angeordnet und ermöglichen dadurch die überaus große Beweglichkeit der Zunge.

Schleimhaut

Zeichnung einer Geschmacksknospe
Verkürztes Zungenbändchen mit Fesselung der Zungenspitze

Auf der sehr dicken Zungen-Schleimhaut, die eine Fortsetzung der Mundschleimhaut ist, befinden sich die zahlreichen Papillen (Zungenwärzchen, Papillae linguales), die fadenförmig, keulenartig oder platt sind. Funktionell lassen sie sich in zwei Gruppen unterscheiden.

Die mechanischen Papillen (Papillae mechanicae) werden nach der Gestalt in Papillae filiformes (fadenförmige), Papillae conicae (konische) und Papillae lentiformes (linsenförmige) unterschieden. Die fadenförmigen Papillen verleihen der Zunge ihre samtartige Oberfläche. Bei einigen Säugetieren (Rinder, Schafe, Katzen) besitzen sie kleine rachenwärts gerichtete Hornspitzen und verleihen der Zunge eine gewisse Rauhigkeit. Konische Papillen sind deutlich dicker und kommen beispielsweise bei Rindern am Zungenkörper vor. Linsenförmige Papillen sind flach und breit und bei Wiederkäuern zu finden. Sie dienen vor allem der Aufnahme von Tastempfindungen.

Die zweite Gruppe sind die Geschmackspapillen (Papillae gustatoriae) mit den eigentlichen Geschmacksorganen, den Geschmacksknospen, die mit den Geschmacksnerven (Nervus glossopharyngeus, Chorda tympani) verbunden sind. Nach der Form unterscheidet man drei Geschmackspapillentypen. Die pilzförmigen Papillen (Papillae fungiformes) sind neben der Aufnahme von Geschmacksreizen vermutlich auch an Tast- und Temperaturempfinden beteiligt. Die am Zungengrund gelegenen Wallpapillen (Papillae vallatae) sind erhaben und von einem Wallgraben mit Spüldrüsen umgeben. Ihre Anzahl ist tierartlich sehr unterschiedlich: Pferde besitzen nur zwei Wallpapillen, Wiederkäuer 48. Blätterpapillen (Papillae foliatae) sind nicht bei allen Säugetieren ausgebildet. Besonders deutlich sind sie bei Pferden. Hier beiderseits eine, etwa 2 cm lange Blätterpapille seitlich am Zungengrund. Sie besteht aus vielen hintereinander stehenden Blättchen.

Die Zunge enthält zahlreiche kleine Speicheldrüsen, besonders in der Gegend der Zungenwurzel. Die gesamte Oberfläche der Zunge ist von einem zarten Oberhäutchen oder Epithel überzogen. Wenn sich dieses Häutchen stark verdickt, bildet sich der weißliche Belag der Zunge, der durch Speichel und Speisereste noch vergrößert wird, die sich in den zahlreichen Vertiefungen zwischen den Papillen einlagern und die Entwicklung von Fäulnispilzen begünstigen.

Früher dachte man, dass sich die Zunge in Geschmacks-Areale einteilen lässt. Dies ist jedoch falsch. Inzwischen weiß man, dass diese Zonenaufteilung auf einem Interpretationsfehler der Abbildung einer von David Hänig im Jahre 1901 herausgebrachten Veröffentlichung beruht. Die grundlegenden Geschmacksqualitäten können mit allen sensorischen Bereichen der Zunge detektiert werden.

Aufgabe der Zunge

Die Zunge dient zum Transport der Nahrung im Mund, sodass diese gut durchgekaut und durchspeichelt werden kann. Schließlich übernimmt sie beim Schluckakt selbst eine wichtige Rolle, indem sie den Speisebolus vom Mund in den Rachen schiebt.

Außerdem ist die Zunge beim Sprechen unverzichtbar. Viele Laute können ohne Zunge nicht erzeugt werden.

Die Zunge ist zudem das Organ, welches das Schmecken ermöglicht. Es werden die Geschmacksqualitäten süß, sauer, bitter, salzig und umami (旨味; von jap. 旨い umai: fleischig und herzhaft, wohlschmeckend) unterschieden. Diese sind relativ gleichmäßig über die Zunge verteilt, lediglich Bittergeschmack hat eine Häufung am Zungenhintergrund und Sauergeschmack an den Zungenrändern. Zudem gibt es nach neuerer Erkenntnis vermutlich auch Rezeptoren, die auf Fett reagieren.[2]

Zunge der Tiere

Bei den Wirbeltieren ist die Zunge im Allgemeinen vorhanden. Bei den Fischen besteht sie nur in dem oft mit Zähnen besetzten Überzug des Zungenbeins; bei den Amphibien ist sie vielfach dick, vorn befestigt, dagegen mit ihrem hinteren zweilappigen Teil beweglich und vorstreckbar; bei den Reptilien ist sie häufig schmal, verhornt und aus einer besonderen Scheide vorschnellbar, aber auch breit und fest; ähnlich verhält sie sich bei den Vögeln, während sie bei den Säugetieren meist der des Menschen nahe kommt.

Jargon

In der Jägersprache bezeichnet Lecker die Zunge des Schalenwildes. Bei Fischen wurde früher auch eine knorpelige Struktur zwischen Gaumen und erstem Rückgratswirbel als Zunge bezeichnet[3].

Sonstiges

Am 19. Juli 2003 wurde von einem Ärzteteam des Wiener Allgemeinen Krankenhauses weltweit zum ersten Mal eine menschliche Zunge verpflanzt.[4]

Modifikationen

Zungenpiercing

Mitte der 1990er Jahre etablierte sich das Zungenpiercing in der Jugend- und Popkultur, wobei die Zunge durchstochen wird um dauerhaft Schmuck darin zu tragen. Eine andere Variante stellt das Zungenbändchenpiercing dar.
Das temporäre Durchstechen der Zunge war bereits zuvor bei religiösen Ritualen in Thailand im Rahmen des Vegetarian Festivals oder dem Thaipusam üblich.

Als seltenere Form der Body Modification entstand das Spalten der Zunge, wobei im Rahmen eines medizinischen Eingriffs der vordere Teil der Zunge von der Spitze in Richtung Zungenwurzel so eingeschnitten, dass zwei Zungenspitzen ähnlich einer Schlangenzunge entstehen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Friedrich Kluge [und Alfred Götze]: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 20. Aufl., besorgt von Walther Mitzka, Berlin und New York 1967, Neudruck ebd. 1975, S. 892
  2. Fabienne Laugerette et al.: CD36 involvement in orosensory detection of dietary lipids, spontaneous fat preference, and digestive secretions. J. Clin. Invest., Nov 2005; 115: 3177 - 3184. Volltext
  3. Wolfgang Schneider: Lexikon zur Arzneimittelgeschichte, I-VII, Frankfurt am Main 1968-1975, I, S. 27
  4. Augsburger Allgemeine vom 19. Juli 2008

Weblinks


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