Frontlenker

Frontlenker
Von oben nach unten: Langhauber, Kurzhauber, Frontlenker
Sowohl der erste Omnibus als auch ...
... die ersten Lkw waren Frontlenker.

Als Frontlenker (seltener auch: Stirnsitzer) werden Lastkraftwagen und Busse bezeichnet, die für den Motor nicht über einen Vorbau vor dem Fahrerplatz verfügen. Der Motor ist beim Frontlenker unter dem Fahrerhaus (COE = englisch „Cab over Engine“, Kabine über dem Motor) oder befindet sich dort als Erhöhung in Form eines Motortunnels. Fahrzeuge mit einem Vorbau für den Motor werden als Normallenker, Haubenfahrzeuge oder Hauber bezeichnet.

Der erste Omnibus und die ersten Lkw der Welt waren jeweils Frontlenker mit Heck- bzw. Unterflurmotor. Das Merkmal des Frontlenkers ging allerdings mit der Zeit verloren, als der Motor mit dem Kühler vor den Fahrerplatz verlegt wurde. So entstand der Langhauber: Bei dieser Bauart befindet sich vorne der Motor, gefolgt vom Fahrerhaus und der Ladefläche bzw. dem Fahrgastraum. Der Vorteil dieser Bauart ist die gute Zugänglichkeit des Motors bei Wartung und Reparatur. Die Nachteile der Langhauber bestehen einerseits in einer recht geringen Übersichtlichkeit des Fahrzeugs für den Fahrer und andererseits in der Tatsache, dass der Vorbau mit dem Motor die Gesamtlänge des Fahrzeugs beträchtlich erhöht bzw. die verfügbare Ladefläche verringert.

Nachdem die gesetzlichen Regelungen, die die zulässige Gesamtlänge beschränkten, immer restriktiver wurden, mussten sich die Nutzfahrzeughersteller Gedanken über optimierte Bauformen machen, um das Verhältnis von der für die Ladung nutzbaren Länge zur Gesamtlänge zu verbessern. Ein Schritt in diese Richtung bestand in der Konstruktion von Kurzhaubern, bei denen der Motor ein Stück in das Fahrerhaus hineingeschoben ist.

Für die bessere Ausnutzung der Fahrzeuglänge noch besser geeignet war die Rückbesinnung zum Frontlenker, bei dem sich das Fahrerhaus über oder vor dem Motor befindet. Endgültig durchgesetzt hat sich diese Bauform nach dem Zweiten Weltkrieg, in Deutschland im Wesentlichen in den 1960er-Jahren. Der Nachteil dieser Konstruktion bestand zunächst in der erheblich schlechteren Erreichbarkeit des Motors, der nur durch zahlreiche Klappen und Öffnungen gewartet und repariert werden konnte. Bei vielen Fahrzeugen musste zum Ausbau des Motors die Vorderachse oder das ganze Fahrerhaus demontiert werden.

Dieses Problem wurde durch die Konstruktion von kippbaren Fahrerhäusern gelöst. Die ersten Frontlenker mit kippbarer Kabine erschienen schon in den 1930er-Jahren in den USA. Europäische Hersteller waren dagegen recht zögerlich, da Sicherheitsprobleme befürchtet wurden. Insbesondere fürchtete man, das Fahrerhaus könnte bei Vollbremsungen oder Unfällen abreißen und nach vorne schlagen. 1955 stellte der deutsche Hersteller Magirus-Deutz einen Frontlenker-Prototyp mit Kippkabine auf der Frankfurter IAA vor. Dieser stieß beim Publikum jedoch auf große Skepsis und ging nicht in Serie. Der erste europäische Lkw mit kippbarer Kabine, der serienmäßig hergestellt wurde, war der Typ L4751 Raske TIPTOP von Volvo aus dem Jahr 1962[1]. Als erster deutscher Hersteller nahm Krupp 1965 die Serienproduktion von Frontlenkern mit kippbarer Kabine auf, noch im selben Jahr gefolgt von MAN, Henschel und Faun. Mercedes-Benz hielt dagegen besonders lange an nicht kippbaren Frontlenker-Fahrerhäusern fest. Wegen ihrer vielen über das gesamte Fahrerhaus verteilten Wartungsklappen bekamen diese Lkw von Fahrern und Mechanikern schnell den Spitznamen „Adventskalender“. Noch bis 1984 wurden von Mercedes-Benz Frontlenker-Modelle mit feststehenden Kabinen hergestellt.

Einige Frontlenker-Lkw erhielten so genannte Unterflurmotoren, die sich hinter der Fahrerkabine unterhalb der Ladefläche befanden. Diese Bauart konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Bekanntester Hersteller solcher Fahrzeuge war das Unternehmen Büssing. Bei Bussen wurde der Motor in der Regel entweder in die Fahrzeugmitte (Unterflurmotor) oder ins Heck (Heckmotor) verlegt.

Vergleich Hauber - Frontlenker

Abgesehen vom erhöhten Platzbedarf bieten Hauber durchaus Vorteile:

  • Durch den längeren Radstand fahren sie komfortabler.
  • Das Fahrerhaus kann ca. einen halben Meter tiefer sitzen, was den Einstieg erleichtert.
  • Die Trittstufen sitzen am hinteren Ende der Türen, auch dies erleichtert den Einstieg.
  • Eine Motorhaube ist leichter wegzuklappen oder gar zu demontieren als eine Fahrerkabine.
  • Die Isolierung der Fahrerkabine gegen Schall, Vibrationen und Abwärme des Motors ist einfacher zu realisieren.
  • Eine Karosserie mit Motorhaube lässt sich besser bezüglich des Luftwiderstandes optimieren (leichte Kraftstoffersparnis).
  • In den USA, wo viele Fahrer mit ihren Sattelzugmaschinen Kleinunternehmer sind, dienen die repräsentativen Hauberfahrzeuge zugleich als Werbefläche.

Durch verschärften Wettbewerb gewannen in den Siebziger Jahren die Vorteile des Frontlenkers bei der nutzbaren Laderaumlänge an Gewicht: Bei einer maximalen Fahrzeuglänge von 12,5 Metern bedeuten 80 cm Motorhaube knapp 10% weniger nutzbare Ladefläche.

Die Frontlenker haben daher bei mittelschweren bis schweren Lkw die Hauber in Deutschland und Europa im Laufe der 1970er-Jahre fast vollständig verdrängt, bei Bussen bereits in den 1960er-Jahren. Zwar relativiert sich dieses Argument bei Sattelzügen, jedoch werden Sattelzugmaschinen praktisch immer aus einer gemeinsamen Fahrzeugplattform mit Pritschen entwickelt, auch benötigen die Hauber beim Rangieren mehr Platz.

Im zivilen Straßenverkehr konnten sich Lang- und insbesondere Kurzhauber am längsten im Bereich der Baufahrzeuge halten und zwar bis in die 1980er-Jahre, bevor sie auch dort den Frontlenkern Platz machen mussten. Ähnlich lange dauerte der Prozess der Ablösung bei Feuerwehrfahrzeugen. Ein letzter Bereich, in dem sich in Europa heute noch Langhauber finden, sind Militärfahrzeuge (z. B. von Renault und Mercedes-Benz): Für maximale Bodenfreiheit ist hier der Rahmen bereits stark angehoben, der Einstieg würde bei Frontlenkern äußerst unbequem und der Schwerpunkt extrem hoch wandern. Kurzhauber sind heute noch bei leichten Lkw und Kleintransportern üblich (z. B. Mercedes-Benz Vario, Iveco Daily, Ford Transit). Mercedes Benz stellte 2008 insbesondere für das Militär und außereuropäische Märkte den neu entwickelten Mercedes-Benz Zetros vor. Im Segment der Kleintransporter haben Kurzhauber den Frontlenker auf den europäischen Märkten sogar wieder zurückgedrängt.

Im Ausland sind Hauber teilweise noch wesentlich weiter verbreitet als in Deutschland, zum Beispiel in den USA oder Australien, wo die Verkehrsflächen im allgemeinen deutlich großzügiger bemessen sind. In Nordamerika sind Langhauber (überwiegend der Marken Freightliner, Volvo, Peterbilt, Kenworth, Mack und Western Star) bis heute vorherrschend. Frontlenker werden dort als C.O.E. (für Cab over engine) oder kurz Cabover bezeichnet und sind selten anzutreffen.

Quellen

  1. Website von Volvo Trucks: Volvo L4751 Raske TIPTOP, 3. Juni 2006

Siehe auch


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