Fränkische Panzerreiter

Fränkische Panzerreiter
Fränkische Panzerreiter mit Drachenstandarte, abgebildet im Goldenen Psalter von St. Gallen

Die fränkischen Panzerreiter, waren speziell ausgebildete, schwer bewaffnete und gepanzerte Reiter. Sie gelten als Vorläufer des mittelalterlichen Ritters.

Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung

Die Germanen hatten während der Völkerwanderungszeit ihre Reiche größtenteils noch zu Fuß erobert. Im 6. Jahrhundert fiel im Süden ein neuer gefährlicher Feind über die Meerenge von Gibraltar nach Europa ein. Arabische Nomadenstämme und Berber hatten im Zuge ihrer Expansion neben Persien, Syrien, Ägypten, Nordafrika bald auch das westgotische Spanien überrannt und dem neuen Islamischen Großreich einverleibt (Al Andalus). Die Invasoren begannen bald auch die Pyrenäen zu überschreiten und in Aquitanien einzufallen. Der mächtigste Herrscher Westeuropas, der fränkische Hausmeier Karl Martell, erkannte die zunehmende Bedrohung seines Reiches. Um den schnellen, meist mit Reflexbögen bewaffneten arabischen Reitern entgegentreten zu können, stellte er nach römischen Vorbild (Kataphrakten) eine gepanzerte Reitertruppe auf. Mit ihrer Hilfe konnten die Franken die Araber und ihre Verbündeten wirksam abwehren (732 n.Chr. Schlacht von Tours und Poitiers).

Funktion

Die enorme Ausdehnung die das Reich zur Blütezeit der Karolinger erreicht hatte, begrenzte den Einsatz der Infanterie die den Kaisern unmittelbar zur Verfügung stand. So konnte ein Krieger (lat. miles) am Tag unter optimalen Bedingungen etwa 20 km marschieren, ein Reiter hingegen schaffte in der gleichen Zeit etwa 50 km.[1] Das markanteste an diesen Reitern war die metallene Panzerung und ihre enorme Durchschlagskraft beim Ansturm in enger Schlachtordnung. Dies machten sie jeder Infanterieformation überlegen. Diese Kavalleristen dienten ab dem 8. Jahrhundert n. Chr. auch als schnelle Eingreiftruppe gegen die zunehmenden Wikingerüberfälle an den nördlichen Küsten des Frankenreiches. Die fränkischen Panzerreitern gelten als die Wurzel des klassischen Rittertums schlechthin.[2]

Ausrüstung

Unter seinem Kettenhemd oder Schuppenpanzer (Lorica oder Thorax) trug der Reiter einen Lederwams. Hinzu kamen ein Spangenhelm, Beinschienen, ein Holzschild, eine Flügellanze und das fränkische Langschwert, die (Spatha). Im Gegensatz zum späteren mittelalterlichen Ritter, der seine Lanze beim Ansturm unter den Arm klemmte und so zusammen mit dem Pferd eine Einheit bildete, wurde die Lanze entweder über dem Kopf oder am langen Arm geführt. Die größte Errungenschaft war jedoch der Sattel mit den Steigbügeln, die letzteren kamen vermutlich um 600 n.Chr. über die Awaren nach Europa und erlaubten dem Reiter freihändig aber doch fest im Sattel zu sitzen und so weitgehend unbehindert - auch im vollen Galopp - Schild und Lanze/Schwert oder Bogen im Kampf sicher führen zu können.

Die Panzerreiter verbreiteten aufgrund ihres Erscheinungsbildes offenbar großen Schrecken unter ihren Zeitgenossen. Notker Balbulus schildert in der Gesta Karoli eindrucksvoll das Eintreffen Karls des Großen während des Langobardenkrieges vor Pavia:

König Desiderius nebst der zu ihm geflohene fränkische dux Autchar beobachteten von einen hohen Turme aus die Ankunft des riesigen fränkischen Heeres. Sie sahen den Troß, das Aufgebot der Völker, die Palastgarde, Bischöfe und Äbte. Schließlich erschien der „eiserne Karl“ selbst, mit Panzer, Beinschienen, Lanze und Schwert. Das Eisen füllte die gane Ebene aus und warf den Glanz der Sonne zurück. Überall sah man Eisen, und wegen dieses Eisens erzitterten die Mauern und der Mut der Jungen, selbst der Rat der Alten verging vor all diesem Eisen.“

Hier hat Notker wohl eine übertriebene, im Kern aber sicher authentische Beschreibung von Karls Heerbann überliefert.

Aushebung und Unterhalt

Die fränkischen Aufgebote versammelten sich jedes Jahr im Frühjahr zur Heerschau, "Märzfeld" genannt. König Pippin verlegte diesen Termin im Jahr 755 n.Chr. allerdings in den Monat Mai da das Heer zunehmend zu einer Reiterarmee wurde. Der Grund hierfür war, dass es im März noch zu wenig Futter für die Pferde gab. Der neu angeworbene Reiter musste zuerst eine hochspezialisierte Ausbildung im Reiten und im Umgang mit seinen Waffen durchlaufen. Danach war auch weiterhin ständiges Trainieren nötig um nicht aus der Übung zu kommen.

Den Vorteilen dieser Truppe im Kampf standen jedoch die für damalige Verhältnisse enormen Kosten für Ausstattung und Unterhalt eines gepanzerten Reiters gegenüber. In der Lex Ribuaria wird die komplette Ausstattung bestehend aus Helm, Brünne (Brustpanzer), Schwert mit Scheide, Lanze, Schild, Hose und Pferd mit 50 Solidi in Gold aufgelistet. Ein hierfür taugliches Pferd allein kostete an die 12 Solidi.[3] Die Kosten für die Brünne machte den Preis für vier Zugochsen oder sechs Kühen aus (ungefähr 12 Schillinge). Dennoch musste der fränkische Krieger persönlich für seine Ausrüstung aufkommen. Deswegen konnten meist auch nur Freie und Adlige in dieser Waffengattung dienen.

Die hohen Aufwendungen veranlassten Karl den Großen am Anfang des 9. Jahrhunderts zu einer Heeresreform. In den Kapitularien von 807/808 wurde angeordnet noch mehr Krieger als bisher als gepanzerte Reiter einzusetzen. So wurde bestimmt, dass jeder Freie mit 4 oder mehr Hufen Land an den Kriegszügen teilnehmen musste. Bauern mit weniger als 4 Hufen mussten sich mit anderen Freien zu Gestallungsverbänden von 4 Hufen zusammenschließen. Diese sollten dann einen der ihren auswählen und als Reiterkrieger ausrüsten und während seiner Abwesenheit auch dessen Hof bewirtschaften.[4] Weiters befahl Karl, dass Freie mit 12 oder mehr Hufen Land zusätzlich mit einer Brünne in die Schlacht ziehen mussten.[5] War der Panzerreiter einmal im Feld, kamen nach den Ausgaben für die Bewaffnung noch die Kosten für ein Reisepferd, einen Ochsenkarren, der die Rüstung und Waffen zu transportieren hatte, sowie für Knechte, Proviant etc. hinzu. Dazu kam, dass er während dieser Zeit seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familie sicherstellen musste.

Elitetruppen

Aus den Panzerreitern bildete sich bald eine Spezialtruppe heraus, die sog. Scharen, lat.„scarae“. Eingesetzt in kleinen Abteilungen dienten sie dazu schnelle Kommandounternehmen durchführen und bei Bedarf auch Befestigungen zu erstürmen. Besonders in den Sachsenkriegen spielten sie eine bedeutende Rolle. Diese Truppe geht vermutlich bis auf die Merowingerzeit zurück, ihre Angehörigen lebten entweder direkt am Königshof oder in der Umgebung der Pfalzen.

Nachwirkungen

Diese Faktoren führten letztendlich zur Verbreitung des Lehnswesens das die ökonomische Grundlage für eine weitere Aufstockung und zunehmenden Dominanz der Panzerreiterei bildete. Erst ein Krieger mit genügend bewirtschafteten Land war in der Lage die teure Ausrüstung zu bezahlen und genügend Zeit aufzubringen, sich beständig im Kriegshandwerk zu üben. Die Sachsen unter König Heinrich I. übernahmen später diese Art der Kriegsführung und besiegten mit entscheidender Beteiligung der Panzerreiter in der Schlacht bei Riade (15. März 933) die bis Mitteldeutschland vorgedrungenen Ungarn entscheident.

Einzelnachweise

  1. Prietzel, M.: Krieg im Mittelalter, Darmstadt 2006, S. 33.
  2. Fleckenstein, J., LexMA VII, 1995, s.v. Rittertum, Sp. 872-873.
  3. Verbruggen, J.F.: The Art of Warfare in Western Europe, Woodbridge 1998, S. 23.
  4. Capitularia regnum francorum, hg. von A. Boretius, MGH Capit. 1, Hannover 19883, S. 137f. In: Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, hg. von W. Hartmann, Stuttgart 1995, S. 70-72.
  5. Fleckenstein, J.: Adel und Kriegertum im Karolingerreich, In: Ordnungen und formende Kräfte des Mittelalters, Göttingen 1989, S. 300.

Literatur

  • Erkens, Franz-Reiner: Militia und Ritterschaft. Eine Reflexion über die Entstehung des Rittertums. In: Historische Zeitschrift Band 258, 1994, S. 623 - 659.
  • Hägermann, Dieter: Das Karolingische Imperium. Ein Resultat kriegstechnischer Innovationen?. In: Zeitschrift für Technikgeschichte Band 59, 1992, S. 305-317.
  • Nicolle, David: Carolingian Cavalryman AD 768-987. (Warrior 96), Oxford 2005. ISBN 9781841766454,
  • Riche Pierre: Die Karolinger, eine Familie formt Europa, S.119-120, Stuttgart 1987, Deutsche Verlagsanstalt, ISBN 3421063753,
  • Hans K.Schulze: Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen, S.178, Siedler Verlag GmbH Berlin 1998, ISBN 3442905656.

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