- Genanntname
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Ein Genanntname, auch Vulgoname, ist ein Name, bei dem der Hausname aufgrund der Bindung an einen Bauernhof oder seltener ein Haus, den wirklichen Namen einer Person überlagerte oder völlig verdrängte. Die „Genannt-Namen“ stammen zum Teil aus der Zeit, als die Familiennamen eingeführt wurden (spätes Mittelalter). Bei späteren Namensbildungen dieser Art bezog sich der „Genannt-Teil“ oft auf den Besitz, oder die Namen entstanden in Folge einer Adoption, wobei sich der „Genannt-Teil“ auf den Namen des Adoptivvaters oder gegebenenfalls der Adoptivmutter bezog. Ursprünglich galten sie für eine Einzelperson, später für die ganze Familie.
Inhaltsverzeichnis
Gesellschaftlicher Umgang mit Genanntnamen
Beispiel:
- Nach BGB heiße der Familienname „von Panostein gen. Watte“, entsprechend wäre er auch auf allen behördlichen Schriftstücken zu schreiben (mit allen vier Namensworten).
- Briefanschrift: Frau Elisabeth von Panostein gen. Watte
- Briefanrede: Sehr geehrte Frau von Panostein gen. Watte
- Karteiname: von Panostein gen. Watte (unter „P“)
- In nicht-behördlichem Umgang ist es allerdings praxisgerechter so zu formulieren:
- Briefanrede: Sehr geehrte Frau von Watte
- Anrede: Frau von Watte
- Fremdvorstellung: Frau von Watte
- Selbstvorstellung: Watte
- Gästeliste: Frau von Panostein gen. Watte
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich der Namensträger im Berufsleben meist als „von Watte“, viel seltener als „von Panostein“ anreden und schreiben lässt. Das Prädikat „genannt“ sagte ja ursprünglich auch aus, dass er wirklich so genannt werden sollte bzw. wollte. Bei der Anwendung solcher Namen ist es nicht unüblich, dass man den Namensträger fragt, wie er seinen Namen führt. So sollte man ihn dann auch anwenden.[1]
Genanntteil wird neuer Familienname
Oftmals wurde der Genanntteil zum neuen, alleinigen Familiennamen, so erhielt Johannes Welcker (* 1430; † 1513), Magister artium und Buchdrucker in Basel nach seiner Geburtsstadt Amorbach den Genanntnamen „Amerbach“. Der Sohn von Johannes Welcker gen. Amerbach war der Humanist Bonifacius Amerbach (* 1495; † 1562), dessen Sohn wiederum war der Jurist und Kunstsammler Basilius Amerbach (* 1533; † 1591).[2]
Hauptnamenteil ist tatsächlicher Genanntnamenteil
Es gab aber auch den Fall, dass bei einer Adoption der ursprüngliche Name als der Genanntnamenteil gelten sollte, der Adoptionsname aber so dominant war, dass dieser im gesellschaftlichen Umgang nicht nur der „tatsächliche Genanntname“, sondern schließlich einzig der neue Familienname wurde:
Johann Friedrich Hilchen (* 1708; † 1781) heiratete 1744 eine Tochter des Jacob Sigismund Freiherr Waitz von Eschen und erhielt am 17. April 1768 in Wien den Reichsadelsstand. Sein Schwiegervater nahm ihn am 18. Dezember desselben Jahres per Familienvertrag an Kindes Statt an, mit der Verpflichtung, für sich und seine Nachkommen den Namen „Freiherr Waitz von Eschen gen. von Hilchen“ zu führen. Die Enkel und Nachkommen ließen den Zusatz „gen. von Hilchen“ weg.[3]
Genanntname wird Doppelname
Genanntnamen wurden später auch in Doppelnamen umgewandelt: Wilhelm von Esbeck erhielt 1867 vom preußischen König eine Namensvereinigung mit den rügenschen von Platen als „von Esbeck gen. von Platen“. 1904 wurde der Name offiziell in „von Esbeck-Platen“ geändert.[4]
„Genannt“ wird „von“
Es kam vor, dass bei Nobilitierungen der Bestandteil „genannt“ (allmählich) in ein „von“ umgewandelt wurde: der braunschweig-lüneburgische Kanzler Johann Helwig Sinolt gen. Schüz erhielt 1674 den Reichsadelsstand. Die Führung des Adelsnamens „Synold von Schüz“ wurde im Fürstentum Anhalt-Köthen und im Königreich Preußen nicht beanstandet und ist heute der offizielle Name der Familie.[5]
Genanntname als Hofadresse
Der Genanntname hatte bei agrarwirtschaftlichen Familien mit Hofbesitz mehr die Funktion einer Adresse als die Funktion eines Familiennamens. Bei temporären Pachtverhältnissen konnte es sogar vorkommen, dass eine Person mehrere Genanntnamen trug.
- Beispiel:
Bauer Müller hat einen Sohn Johann. Bauer Müller übernimmt den Schmelzerhof und damit für sich und seinen Sohn den Namen Schmelzer. Nach zwölf Jahren übernimmt er den Barmannshof, womit sein Name von Schmelzer zu Barmann wechselt. Sein Sohn heiratet die Tochter vom Windmannshof und heißt nun Windmann.
Sohn Johann trug damit im Lauf seines Lebens vier verschiedene Namen:
- Johann Müller (bei der Geburt)
- Johann Schmelzer (im Kommunikantenverzeichnis)
- Johann Barmann (bei der Hochzeit)
- Johann Windmann (bei der Taufe seiner Kinder)
Ein Genanntname ist in Kirchenbüchern oder anderen Dokumenten zu erkennen an Zusätzen wie: vulgo, modo, vel, alias, oder, gen., an, auf und ähnlichen, regional unterschiedlichen Formulierungen. In manchen Regionen war die Bindung des Namens an den Hof so total, dass der wirkliche Name eines Bauern völlig dahinter zurücktrat und verlorenging, ohne dass dies in Kirchenbüchern oder anderen Dokumenten mit einem der Zusätze dokumentiert ist.
Im Rheinland endete diese Sitte 1798 mit Einführung der Personenstandsregister durch die Franzosen. Hier durfte nur noch der Name geführt werden, der bei der Geburt ins Kirchenbuch eingetragen worden war. In Preußen galt dies ab 1816.
Wer seinen Familiennamen auf einen Hof mit Genanntnamen zurückführt, ist daher nicht zwangsläufig mit Trägern des gleichen Namens verwandt. Sie verbindet nicht die Abstammung, sondern lediglich der (frühere) Wohnsitz.
Gelegentlich sind Genanntnamen auch bei unehelichen Geburten oder als Beiname bei häufigen Familiennamen zur Unterscheidung innerhalb der dörflichen oder städtischen Gemeinschaft zu finden.
Genanntnamen in Westfalen
In Westfalen sind die Genanntnamen 1822 durch besondere rechtliche Vorschriften geregelt worden. Während in anderen Regionen der Genanntname beim Versteinerungsdatum festgeschrieben wurde, durfte er in Westfalen vom direkten Erben als Familienname mit dem Zusatz genannt (abgekürzt: gt., gnt. oder gen.) weiter geführt werden.
- Beispiel: Schmoll genannt Eisenwerth.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Johannes Baron von Mirbach: Adelsnamen - Adelstitel. 2. erweiterte Auflage. Limburg/Lahn 1999, S. 15. f.
- ↑ Deutsches Geschlechterbuch. Band 124 (= Hessisches Geschlechterbuch Band 15), Limburg/Lahn 1960, S. 654.
- ↑ Deutsches Geschlechterbuch. Band 124 (= Hessisches Geschlechterbuch Band 15), Limburg/Lahn 1960, S. 556.
- ↑ Genealogisches Handbuch des Adels. Adelslexikon Band III, Gesamtreihe Band 61, Limburg/Lahn 1975, S. 176.
- ↑ Genealogisches Handbuch des Adels. Adelslexikon Band XIV, Gesamtreihe Band 131, Limburg/Lahn 2003, S. 285.
Weblinks
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