Georg Pfeffer

Georg Pfeffer

Georg Pfeffer (* 17. Januar 1943 in Berlin) ist ein deutscher Ethnologe.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Sohn des Soziologen Karl Heinz Pfeffer und der Lehrerin Margaret Wainman Kirby studierte Völkerkunde, Soziologie und Religionsgeschichte. Als 16-Jähriger zog Pfeffer mit seinen Eltern nach Lahore in Pakistan, wo er von 1959 bis 1962 das Forman Christian College besuchte. Er studierte bei Rolf Herzog an der Universität Freiburg, wo er 1970 promovierte. 1971 wechselte er an die Universität Heidelberg, wo er sich 1976 habilitierte. Ab 1978 war er Universitätsdozent und von 1979 bis 1985 Professor für Ethnologie an der Universität Heidelberg. Er lehrte von 1985 bis 2008 als Universitätsprofessor an der Freien Universität Berlin.

Während seiner wissenschaftlichen Karriere spezialisierte er sich auf Südasienforschung und Verwandtschafts-, Herrschafts- und Religionsethnologie.

Forschung

In den Jahren 1968 und 1969 führte er seine erste ethnologische Feldforschung bei der nichtmuslimischen Minderheit der Abortkehrer in der Altstadt von Lahore sowie vergleichende Untersuchungen im indischen Amritsar durch, über die er 1970 promovierte („Pariagruppen im Pandschab“).

1971–1972 verbrachte Pfeffer ein weiteres Jahr mit ethnographischer Forschung im Rahmen des ersten „Orissa Projekts“ (1970 bis 1976) der DFG bei den Sasana-Brahmanen, die im Distrikt Puri im indischen Bundesstaat Orissa das statushöchste Segment der Brahmanen bilden. Diese regionale Elite war der Gegenstand seiner Habilitationsschrift.

In den Jahren 1974–1976 unterrichtete Pfeffer als Gastdozent an der Quaid-i-Azam University in Islamabad, Pakistan. Zusammen mit Professor A.K. Dani, dem Dekan für Sozialwissenschaften, gründete er das dortige Department of Anthropology und betreute erste ethnographische Forschungsarbeiten.

Pfeffers ethnographische Interessen führten ihn ab 1980 in die Berge von Westorissa, wo er bis 2002 fast jährlich monatelang Dörfer besuchte. Er hielt sich länger bei den Kuttia Kond im Distrikt Kandhamal und den Gadaba im Distrikt Koraput auf.

Pfeffer nahm bei mehr als 30 verschiedenen ethnischen Einheiten die jeweilige Verwandtschaftsterminologie sowie Heiratsregeln und Heiratspraktiken auf. Als Ergebnis registrierte er deutliche Differenzen zwischen diesen drei analytischen Bezugsebenen und ein für die mittelindischen Stammesgebiete bezeichnendes System der Affinität und der Konsanguinität, das sich deutlich von den für Nordindien bzw. Südindien typischen Systemen unterscheidet[1].

Weiterhin untersuchte er die Sekundärbestattung der Gadaba. Diese bezeichnet die „Rückkehr“ der Verstorbenen in der Gestalt von Büffeln und den groß angelegten systematischen Tausch dieser Seelenträger, der im Rahmen einer „großen Hochzeit“ wechselseitig agnatische Dörfer quasi inzestuös in Analogie zu den affinalen Außenbeziehungen verbindet.[2].

Nach Roy, Elwin und von Fürer-Haimendorf ist Georg Pfeffer der erste sozialanthropologisch orientierte Ethnologe, der sich langfristig vergleichend in empirischer Forschung dem Komplex der mittelindischen Stammesgesellschaften gewidmet hat. Im Rahmen des zweiten „Orissa Projekts“ (1999–2006) der DFG betreute Pfeffer auch langfristige Forschungen von Peter Berger, Lidia Guzy, Roland Hardenberg, Tina Otten, Uwe Skoda und Christian Strümpell, die die ethnologischen Kenntnisse über Mittelindien fundamental erweitert haben.

Anhand vom Stammesgesellschaften entwickelte Pfeffer den Begriff der „weichen Gesellschaften“. Diese zeichnen sich laut Pfeffer durch ihre besondere innere Struktur aus. So bestimmen beispielsweise verwandtschaftliche Verhältnisse die Innen- und Außenpolitik.

Während und nach seiner Universitätslaufbahn als Ethnologe äußerte sich Pfeffer regelmäßig in Vorträgen und Publikationen zu politischen Themen in Pakistan und Indien. Seine besondere Sorge gilt der unmittelbaren Bedrohung der indischen Stammesbevölkerung. Große Stammesgebiete der Bundesstaaten Orissa und Jharkhand sind von multinationalen Konzernen für den Abbau von Mineralien vorgesehen, so dass Millionen Einheimischer ihren Lebensraum und zumindest ihre sozio-kulturelle Existenz nloch verlieren könnten, wie das Beispiel der mit deutscher Hilfe gebauten „Stahlstadt“ Rourkela in Orissa nachdrücklich demonstriert.

Werke (Auswahl)

als Autor
  • Status and affinity in Middle India. Steiner, Wiesbaden 1982, ISBN 3-515-03913-9. (Beiträge zur Südostasienforschung; 76)
  • Pariagruppen des Pandschab. Renner, München 1970. (zugl. Dissertation, Universität Freiburg/B. 1970)
  • Hunters, Tribes, Peasants. Cultural Crisis and Comparison. NISWASS-CEDEC Press, Bhubaneswar 2003. (The Dr. Ambedkar Memorial Lecture Series)
  • Puri’s Vedic Brahmins Continuity and Change in their Traditional Institutions. In: Anncharlott Eschmann, Hermann Kulke, Gaya C. Tripathi (Hrsg.): The Cult of Jagannatha and the Regional Tradition of Orissa. Manohar Publ., New Delhi 1978, S. 421-437.
als Herausgeber
  • Concept of Tribal Society. Concept Publ., New Delhi 2002, ISBN 81-7022-983-9. (Contemporary Society. Tribal Studies; Bd. 5) (zusammen mit Deepak Kumar Behera).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Order in Tribal Middle Indian „Kinship“. In: Anthropos. Internationale Zeitschrift für Völker- und Sprachenkunde. Bd. 99 (2002), S. 381-409, ISSN 0257-9774
  2. A Ritual of Revival among the Gadaba of Koraput. In: Herrmann Kulke, Burkhard Schnepel (Hrsg.): Jagannath revisited. Studying society, religion and the state in Orissa. Manohar Publ., New Delhi 2001, ISBN 81-7304-386-8, S. 123-148.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Georg Pfeffer (Begriffsklärung) — Georg Pfeffer ist der Name folgender Personen: Georg Pfeffer (* 1943), deutscher Ethnologe Georg Johann Pfeffer (1854–1931), deutscher Zoologe Georg Wilhelm Pfeffer (1812–1870), deutscher Offizier Diese Seite ist eine Begriffskläru …   Deutsch Wikipedia

  • Pfeffer (Begriffsklärung) — Pfeffer bezeichnet: Pfeffer (Piper nigrum), eine Gewürzpflanze aus der Familie der Pfeffergewächse Pfeffer (Gattung) (Piper), eine artenreiche Pflanzengattung aus der Familie der Pfeffergewächse Pfeffer (Brenz), ein 450 m kurzer Zufluss der… …   Deutsch Wikipedia

  • Pfeffer — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Pour consulter un article plus général, voir : Nom de famille germanique. Le nom de Pfeffer est porté par plusieurs personnalités (par ordre… …   Wikipédia en Français

  • Georg Ferdinand Cantor — Georg Cantor Pour les articles homonymes, voir Cantor. Georg Cantor Georg Ferdinand Ludwig Philipp Cantor …   Wikipédia en Français

  • Georg Ferdinand Ludwig Philipp Cantor — Georg Cantor Pour les articles homonymes, voir Cantor. Georg Cantor Georg Ferdinand Ludwig Philipp Cantor …   Wikipédia en Français

  • Pfeffer — is a German surname meaning pepper and may refer to:* Anton Pfeffer (born 1965), Austrian footballer * Franz Pfeffer von Salomon (1888 1968), first commander of the SA * Nathaniel Frederick Fred Pfeffer (1860 1932), American baseball player *… …   Wikipedia

  • Georg Johann Pfeffer — (1854 1931) was a German zoologist. Pfeffer was born in Berlin. In 1887 he became curator of the Hamburg Museum. His published writings were mainly about cephalopods …   Wikipedia

  • Georg Kreisler — im Oktober 2009 bei einer Lesung in Ravensburg Georg Franz Kreisler (* 18. Juli 1922 in Wien) ist ein Musiker, Kabarettist, Komponist, Satiriker und Schriftsteller. Bekannt wurde er vor allem in den 1950er und 1960er Jahren mit se …   Deutsch Wikipedia

  • Georg von Küchler — Naissance 30 mai 1881 Hanau, Allemagne Décès …   Wikipédia en Français

  • Georg Kreisler — (1922 ) est un écrivain et un compositeur américain d origine autrichienne. Livres Georg Kreisler gibt es gar nicht : Die Biographie. Aufgeschrieben von Hans Juergen Fink und Michael Seufert. München : Scherz, 2005 …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”