Gesellschaftsethik

Gesellschaftsethik

Der Begriff Sozialethik (auch Gesellschaftsethik) bezeichnet einen Teilbereich der Ethik, der sich vorwiegend mit den gesellschaftlichen Bedingungen eines guten Lebens befasst. Hieraus ergeben sich Fragen nach der Stellung des Individuums in der Gesellschaft, nach Werten wie Freiheit, Toleranz, Gerechtigkeit oder Nachhaltigkeit und richtigen Strukturen für gesellschaftliche Institutionen wie Recht, Wirtschaft, Unternehmensethik, Arbeit, Ehe, Familie, Migration, Kultur, Medien oder dem Gesundheitssystem, nach gerechtem Lohn oder Armut und der Umsetzung dieser Themen in der Politik.

Ethik bleibt auch als Sozialethik auf sittliche Praxis bezogen; nur Personen können im moralisch relevanten Sinn Handlungen ausführen. Es geht der Sozialethik aber nicht primär um ein isoliertes Handeln einzelner Personen (Individualethik), sondern um die Solidarität, Subsidiarität und Kooperation verantwortlicher Personen unterschiedlicher Sozialbereiche. Diese wird häufig erst dann in gezielter Weise erfolgen, wenn die Öffentlichkeit auf bestimmte Fragen aufmerksam gemacht und für eine bestimmte Materie sensibilisiert ist (z. B. Fragen der Umweltethik).

Das Soziale im eigentlichen Sinn setzt eine gewisse Konstanz voraus. Man spricht hier von Institutionalisierung, insofern es hier um überindividuelle Gemeinsamkeiten geht, die im Gegensatz zu spontanen und vorübergehenden Akten der Individuen in zeitlicher und räumlicher Perspektive eine gewisse Dauer aufweisen.

Sozialethik als Thema ist vor allem in der christlichen Ethik präsent, die sich in der Christlichen Soziallehre niederschlägt. Als einer der Begründer der christlichen Sozialethik gilt Alexander von Oettingen.[1][2] Als weitere wichtige Vertreter gelten Oswald von Nell-Breuning, Joseph Höffner, Anton Rauscher oder Friedhelm Hengsbach.

Eine moderne Interpretation der Sozialethik liefert auch die "ökonomische Ethik" der ordnungspolitisch ausgerichteten Schule von Ingo Pies und Karl Homann.[3]

Literatur

  • Arno Anzenbacher: Christliche Sozialethik, UTB (Schöningh), Paderborn 1998, ISBN 978-3-8252-8155-7
  • Manfred Hermanns: Sozialethik im Wandel der Zeit. Persönlichkeiten – Forschungen – Wirkungen des Lehrstuhls für Christliche Gesellschaftslehre und des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster 1893–1997. Paderborn u. a.: Schöningh 2006. ISBN 3-506-72989-6
  • Martin Honecker: Grundriß der Sozialethik, de Gruyter, Berlin 1995, ISBN 978-3-11-014474-1
  • Christoph Hübenthal: Grundlegung der christlichen Sozialethik, Münster 2006
  • Walter Kerber: Sozialethik. Kohlhammer, Stuttgart 1998, ISBN 3-17-009967-1
  • Ulrich H. J. Körtner: Evangelische Sozialethik. Göttingen 1999, Vandenhoeck und Ruprecht, ISBN 3-525-03287-0 bzw. UTB 2107, ISBN 3-8252-2107-5
  • Roland Minnerath, Gegen den Verfall des Sozialen. Ethik in Zeiten der Globalisierung, Freiburg 2007, orig.: Pour une éthique sociale universelle. La proposition catholique, 2004
  • Hans Ruh, Thomas Gröbly: Die Zukunft ist ethisch – oder gar nicht. Waldgut Verlag, Frauenfeld (CH), 2006, ISBN 3-03740-275-X.

Verwendete Quellen

  1. Alexander von Oettingen: Querdenker und Charismatiker im Protestantismus des Kaiserreichs. – Kapitel 1, FU-Berlin.
  2. Meyers Lexikon – Sozialethik
  3. Homann, Karl / Pies, Ingo (1994a): "Wirtschaftsethik in der Moderne. Zur ökonomischen Theorie der Moral." in: Ethik und Sozialwissenschaften, Vol. 5, No. 1, S. 1-13 und Homann, Karl / Pies, Ingo (1994): "Wie ist Wirtschaftsethik in der Moderne möglich? Zur Theoriebildunggsstrategie einer modernen Wirtschaftsethik." in: Ethik und Sozialwissenschaften, Vol. 5, No. 1, S. 93-108. Vgl. ferner Petrick, Martin / Pies, Ingo (2007): "In search for rules that secure gains from cooperation. The heuristic value of social dilemmas for normative institutional economics", in: European Journal of Law and Economics, Vol. 23, S. 251-271.]

Weblinks


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