- Friedhelm Hengsbach
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Friedhelm Hengsbach SJ (* 15. Juli 1937 in Dortmund) ist ein deutscher Jesuit und zählt heute zu den bekanntesten Sozialethikern in Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Nach dem Abitur trat er 1957 als Zwanzigjähriger der Gesellschaft Jesu bei und studierte 1959 bis 1962 an der ordenseigenen Hochschule für Philosophie in München. Von 1962 bis 1964 absolvierte er ein pädagogisches Praktikum im Büren (Westfalen). 1964-1968 studierte er Katholische Theologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, 1968-1972 Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. 1967 erhielt er das Sakrament der Priesterweihe. 1977 wurde er mit einer Arbeit zur Frage der Assoziierung afrikanischer Staaten an die Europäischen Gemeinschaften promoviert; 1982 habilitierte er sich mit einer Schrift zum Thema Arbeitsethik (Die Arbeit hat Vorrang - eine Option katholischer Soziallehre).
Von 1977 bis 1982 war er Lehrbeauftragter, von 1985 bis zu seiner Emeritierung 2005 Professor für Christliche Sozialwissenschaft bzw. Wirtschafts- und Gesellschaftsethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Er leitete von 1992 bis 2006 das nach Oswald von Nell-Breuning benannte Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik. Sein Nachfolger als Institutsleiter ist seit 2007 Bernhard Emunds.
Seit 2008 lebt er in Ludwigshafen und gehört der Jesuitenkommunität im dortigen Heinrich-Pesch-Haus an.
Hengsbach ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac.[1]
Wirken
Hengsbachs Arbeiten kreisen um die Themen Zukunft der Arbeitsgesellschaft, Verbindung von Erwerbssystem und sozialer Sicherung, politische Wirtschaftsethik und die Theorie demokratiefähiger Marktwirtschaften. Hengsbach hält regelmäßig Vorträge und ist ein gern gesehener Gast in Diskussionsrunden.
In seinen Schriften kritisierte Hengsbach stets die auf politischer Ebene getroffenen Maßnahmen gegen die steigenden Arbeitslosenzahlen. Der CDU-geführten Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl (1982-1998) hielt er vor, durch Entlastung der Leistungsstarken und Sozialabbau die soziale Spaltung der Gesellschaft zu verstärken. Er forderte, dass die sozialen Sicherungssysteme nicht mehr allein über die Erwerbsarbeit der abhängig Beschäftigten finanziert werden sollten, sondern auch durch Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen. Er sprach sich stets für Arbeitszeitverkürzungen und eine Neuverteilung der Arbeit aus. Mögliche neue Arbeitsstellen sah er bei den personennahen Dienstleistungen und im umweltgerechten Umbau der Energiewirtschaft und der Verkehrssysteme.
Auch die rot-grüne Regierung (1998-2005) unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und deren „Reformmaßnahmen“ (Agenda 2010) wurden Ziel seiner Kritik. Die von der Politik genannten Ursachen für die schlechte Situation am Arbeitsmarkt wie Globalisierung, demographischer Wandel oder hohe Lohnnebenkosten ließ Hengsbach nicht gelten und bezweifelte, dass durch die Reformen Arbeitsplätze geschaffen würden.
Im Oktober 2010 war er Mitinitiator der Initiative „Vermögensteuer jetzt!“, die sich für die Wiedererhebung der Vermögensteuer in Deutschland einsetzt. [2]
2011 bezeichnete er die Arbeitsmarktpolitik der Regierungen der vergangenen 30 Jahre (Anm.: Also ab etwa 1981) als völlig verfehlt. Sie sei gekennzeichnet von einer „völligen Demontage der solidarischen Sozialversicherungen“ und einer „Entregelung sicherer Arbeitsverhältnisse“. Die Regierungen seien schlicht vor der Wirtschaft eingeknickt und hätten dabei die Maßstäbe der Sozialethik vergessen. Von der
(Amts-)Kirche seien hier kaum positive Impulse zu erwarten: Die Mächtigen in der Kirche suchten den Schulterschluss mit den Mächtigen in Staat und Wirtschaft. Die Kirche agiere zudem am Arbeitsmarkt wie die Industrie und verstoße gegen das Gemeinsame Wort der Kirchen.[3]Auszeichnungen und Ehrungen
- 1998 wurde er mit dem 1977 von der SPD gestifteten Gustav-Heinemann-Bürgerpreis ausgezeichnet.
- 2004 „Regine-Hildebrandt-Preis für Solidarität bei Arbeitslosigkeit und Armut“. In der Begründung heißt es sinngemäß, Friedhelm Hengsbach habe als prominenter Vertreter der christlichen Soziallehre nie Wissenschaft ohne Wirklichkeitsbezug betrieben, sondern oft streitbar und kritisch seine Stimme erhoben, damit Menschen solidarisch und frei, in Würde leben könnten. Auch in der Diskussion um die Einführung von Arbeitslosengeld II habe er deutlich Stellung bezogen, wobei die betroffenen Menschen im Mittelpunkt seines Denkens und Handelns geblieben seien. [4]
- 2006 „Marburger Leuchtfeuer für soziale Bürgerrechte“. Undotierte Auszeichnung der Humanistischen Union Marburg und des Magistrats der Stadt Marburg. Mit der Auszeichnung wird sein Engagement für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben gewürdigt. [5]
- 2010 Walter-Dirks-Preis des Frankfurter Haus am Dom und des Haus der Volksarbeit.[6][7]
Siehe auch
Schriften (Auswahl)
- Friedhelm Hengsbach: Die Assoziierung afrikanischer Staaten an die europäischen Gemeinschaften. Eine Politik raumwirtschaftlicher Integration? Nomos, Baden-Baden 1977, ISBN 3-7890-0293-3
- Friedhelm Hengsbach, Matthias Möhring-Hesse: Aus der Schieflage heraus: Demokratische Verteilung von Reichtum und Arbeit. 2. Auflage. Dietz, Bonn 1999, ISBN 3-8012-0278-X
- Friedhelm Hengsbach: Die andern im Blick. Christliche Gesellschaftsethik in den Zeiten der Globalisierung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001, ISBN 3-534-11897-9
- Friedhelm Hengsbach: Das Reformspektakel. Warum der menschliche Faktor mehr Respekt verdient. Herder Spektrum 5544. 2. Auflage. Herder, Freiburg i. Br. 2004, ISBN 3-451-05544-9
- Friedhelm Hengsbach: Ein anderer Kapitalismus ist möglich! : wie nach der Krise ein Leben gelingt. 1. Auflage. VAS Verlag für Akademische Schriften, Bad Homburg 2009, ISBN 978-3-88864-460-3 (Reihe „Politik in sozialer und ökologischer Verantwortung“, Produktbeschreibung des Verlages, abgerufen am 30. September 2010).
- Gottes Volk im Exil. Anstöße zur Kirchenreform. 2011. Publik-Forum Verlag. ISBN 978-3880952164
Weblinks
- Literatur von und über Friedhelm Hengsbach im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Oswald von Nell-Breuning-Institut
- Tabellarischer Lebenslauf und eine Liste seiner Buchveröffentlichungen auf einer Institutsseite
- Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt am Main
- Interview mit Friedhelm Hengsbach zur neoliberalen Sozial- und Wirtschaftspolitik (Stern, 19. November 2003)
- Interview mit Friedhelm Hengsbach zur unglücklichen Verquickung von Wirtschaft und Politik (manager magazin, 23. Juli 2007)
- Arbeitsmarktreform ist ein „unseriöses Programm“. (Interview DeutschlandRadio Berlin, 17. September 2004)
- Das Reformspektakel und seine demokratischen Subjekte (Interview Deutschlandfunk, 19. Dezember 2004)
- Laudatio zum Leuchtfeuer 2006 von Dr. Christine Hohmann-Dennhardt bei HU Marburg
- Interview mit Theo. Katholisches Magazin Ausgabe 2|2010.
Einzelnachweise
- ↑ http://www.attac-netzwerk.de/das-netzwerk/wissenschaftlicher-beirat/mitglieder/ Mitglieder Wissenschaftlicher Beirat Attac (Stand Dezember 2009)
- ↑ http://www.vermoegensteuerjetzt.de/ Initiative "Vermögensteuer jetzt!" mit Angabe der Initiatoren (abgerufen am 1. Dezember 2010)
- ↑ Rheinische Post 12. Mai 2011 Seite C2 (Lokalteil Viersen): [1]
- ↑ http://www.stiftung-solidaritaet.de/archiv.php?content=prtr&begruendung=0&jahr=2004
- ↑ Laudatio
- ↑ Unkonventionelle Brückenschläge in wachsamer Zeitgenossenschaft. Bistum Limburg, 14. April 2010, abgerufen am 18. April 2010.
- ↑ Leidenschaftliches Plädoyer für gerechte Wirtschaftsordnung. Walter Dirks-Preis 2010 für Sozialethiker Friedhelm Hengsbach. In: Haus am Dom. Das katholische Kultur- und Begegnungszentrum in Frankfurt am Main. Bistum Limburg, 29. Mai 2010, abgerufen am 30. September 2010: „Mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für eine Wirtschaftsordnung, die dem Menschen dient, hat der Jesuit Friedhelm Hengsbach den Walter Dirks-Preis 2010 entgegengenommen. Bei der Preisverleihung betonte Pater Hengsbach am Samstagabend, 29. Mai, im Frankfurter Bartholomäusdom, die gegenwärtige "Schieflage gesellschaftlicher Macht" müsse beseitigt werden. Europa sei kein finanztechnisches Projekt, sondern brauche die Solidarität der Starken mit den Schwachen. [...] Mit dem diesjährigen Preisträger, Prof. Friedhelm Hengsbach (*15.07.1937), wird ein Mahner aus der Tradition des Sozialkatholizismus geehrt, der gerade angesichts der aktuellen Krise neoliberaler Gesellschaftsentwürfe für die gegenwärtige Sozialstaats-Debatte Wegweisendes zu sagen hat. Der Jesuit gilt als einer der führenden Sozialethiker in Deutschland.“
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