- Gesenkschmieden
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Gesenkschmieden, oder neuer Gesenkformen, bezeichnet eine Art der plastischen Deformation durch Schmieden, das sich vom Freiformschmieden darin unterscheidet, dass das Schmiedestück völlig oder zu einem wesentlichen Teil von den gegeneinander bewegten Formwerkzeugen, den Gesenken, umschlossen wird. Die in das Gesenk eingebrachte Gravur bestimmt die Form des fertigen Schmiedestücks.
Inhaltsverzeichnis
Technik
Gesenkschmieden ist ein Umformverfahren der Massivumformung zur Herstellung von Schmiedeteilen in hohen Stückzahlen. Ein erwärmter Rohling, der schon in etwa die Form und die Größe des späteren Schmiedeteils haben sollte, wird in das Untergesenk gelegt. Von oben schlägt das Obergesenk auf den Rohling und formt ihn zum gewünschten Schmiedestück. Für den Umformvorgang können mehrere Arbeitstakte nötig sein.
Die Form des Schmiedestücks wird als Negativ in das Ober- und das Untergesenk eingebracht. Nach dem Schmiedevorgang muss der aus überstehendem Material entstandene Grat entfernt werden. Die Formgebung für die Gravuren in den Gesenkblöcken erfolgt mit Hilfe von Computersimulationen. Dabei wird das spezifische Fließverhalten des jeweiligen Materials simuliert, um der Entstehung von Strukturfehlern im Schmiedestück vorzubeugen. Die Schmiedetemperatur liegt bei etwa 80 % der Schmelztemperatur des verwendeten Materials, d. h. bei etwa 500 °C bei Aluminiumlegierungen und bei 1200 °C bei unlegierten Stählen.
Produkte
Durch Gesenkschmieden können Produkte in unterschiedlicher Größe und Form erzeugt werden. Dies beginnt bei Kleinteilen mit einem Stückgewicht von 200 g und endet bei Pleueln für Schiffsdiesel mit einem Stückgewicht von über 150 kg. Die Losgröße für ein einzelnes Schmiedeteil kann zwischen zehn Stück (Pleuel für einen Schiffsdiesel) und mehreren 100.000 Stück (Pleuel für Großserienmodelle) schwanken.
Gängige Produkte sind Teile für die Automobilproduktion. Automobilteile wie Pleuel, Achsschenkel, Kurbelwellen und Querlenker werden in der Regel gesenkgeschmiedet, dies gilt ebenso für viele Haushaltsgegenstände, wie hochwertige Messer und Handwerkzeuge (z. B. Schraubenschlüssel).
In Deutschland wurden 2004 Gesenkschmiedestücke mit einem Gesamtgewicht von 1,28 Mio. Tonnen produziert, rund ein Drittel davon für den Export. Hauptabnehmer sind der Fahrzeug-, der Maschinen- und der Anlagenbau.
Technische Entwicklung
Die meisten Gesenkschmieden sind Ende des 19. Jahrhunderts aus handwerklichen Schmieden entstanden. Die stark steigende Nachfrage nach Schmiedeprodukten erforderte die Umstellung von der handwerklichen Fertigung auf eine industrielle Fertigung. Die Entwicklung ging von mit Wasserkraft oder Muskelkraft betriebenen Riemenfallhämmern hin zu dampfbetriebenen Oberdruckhämmern. Die aufwendigen dampfbetriebenen Schmiedehämmer wurden aufgrund ihrer hohen Betriebskosten von druckluftbetrieben Anlagen abgelöst. Ab Anfang der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts wurden mechanische Pressen für den Einsatz in Gesenkschmieden und die ersten hydraulischen Schmiedehämmer großflächig eingeführt. Stand der Technik sind heute mit Robotern oder Manipulatoren ausgestattete Schmiedelinien. Der Ablauf des Umformprozesses wird mit Hilfe von Computersimulationen geplant.
Werkstoffe
Zum Gesenkschmieden eignen sich alle nach Erwärmung knetbaren Metalle.
Stahl
Der wichtigste Werkstoff beim Gesenkschmieden ist Stahl, den es in unterschiedlichen Sorten und Qualitäten passend zu den Anforderungen an das Schmiedestück gibt.
Aluminium
Aluminium kommt vorwiegend zum Einsatz, wenn das Eigengewicht des Schmiedeteils niedrig gehalten werden soll. Schmiedeteile aus Aluminium werden beispielsweise im Flugzeugbau und für Stromklemmen im Hochspannungsleitungsbau eingesetzt.
Titan
Titan wird als Rohmaterial für Teile in der Luft- und Raumfahrt genutzt. Schwierige Verarbeitung und der hohe Preis des Materials machen den Einsatz eher selten.
Magnesium
Magnesium kann ebenfalls, ähnlich wie Aluminium, gut geschmiedet werden – wegen seiner hexagonalen Gitterstruktur allerdings ausschließlich bei erhöhter Temperatur. Dieses Verfahren wird bei hohen Anforderungen an die Festigkeit vorwiegend für die Luft- und Raumfahrt angewandt.
Kupfer oder Messing
Schmiedeteile aus Kupfer oder Messing finden Verwendung in der Elektrotechnik, im Fahrzeugbau und in der Feinmechanik.
Schmiedemaschinen
Man unterscheidet zwischen Gesenkschmiedehämmern und Schmiedepressen.
Hämmer sind für große Werkstückmassen geeignet. Bei Schmiedehämmern treten große Verformgeschwindigkeiten auf, aber der Schlagimpuls kann bei großen Werkstücken nicht ganz nach innen durchdringen. Es gibt Energieverluste von bis zu 40 %. Das Arbeitsvermögen von Gesenkschmiedehämmern wird in kJ angegeben (vormals in mt (Metertonnen)).
Schmiedepressen bringen die Kraft langsamer auf, dafür aber bis in die Kernzonen. Außerdem kann man mit Schmiedepressen präziser fertigen. Die Arbeitskraft wurde früher in to angegeben, heute ist die Kraftangabe in MN üblich.
Man unterscheidet folgende Typen von Schmiedemaschinen:
- arbeitsgebunden
- weggebunden
- Kurbelpressen
- Kniehebelpressen
- Exzenterpressen
- Horizontalschmiedepressen
- kraftgebunden
- Hydraulische Pressen (langsamer Kraftaufbau)
Arbeitsablauf beim Gesenkschmieden
Der Arbeitsablauf beim Gesenkschmieden lässt sich in Arbeitsschritte aufteilen. Je nach Anforderung an das Schmiedeteil können Arbeitsschritte weggelassen oder hinzugefügt werden. Der hier beschriebene Arbeitsablauf beinhaltet schematisch die gängigsten Verfahrensschritte. Da der Umformprozess nur im erwärmten Zustand möglich ist, sind die dafür notwendigen Anlagen in manchen Betrieben zu sogenannten Schmiedelinien zusammengefasst.
Erwärmung
In Öfen wird der Rohling auf die notwendige Umformtemperatur gebracht. Sie liegt oberhalb der Austenitisierungstemperatur des Werkstoffes. Hierfür werden in der Regel folgende Anlagen verwendet:
- Erdgasbetriebene Kammeröfen
- Konduktive Erwärmungsanlagen
- Induktive Erwärmungsanlagen
Vorumformung
Falls notwendig wird der erwärmte/glühende Rohling mit Reck- oder Querkeilwalzen, einer kleineren Presse oder einem Lufthammer vorgeformt.
Schmieden
Die eigentliche Umformung erfolgt im Gesenk unter dem Hauptschmiedeaggregat (Gesenkschmiedehammer/Schmiedepresse). Für den Umformvorgang wird in der Regel mehr als ein Schlag bzw. Pressenhub benötigt. Das in der Maschine eingebaute Gesenk kann mehrere Gravuren mit unterschiedlichen Umformstufen (Biegeschlag, Rollschlag, Vorgravur und Fertiggravur) enthalten.
Abgraten/Lochen
Das Entfernen des überstehenden Grates erfolgt mit Abgratwerkzeugen auf einer weiteren Presse. Diese Station kann um die Möglichkeit zum Lochen des Werkstückes ergänzt werden.
Nachformen
Ist das Schmiedeteil verzogen, kann es mit Hilfe eines Gesenkes nachgeformt werden.
Wärmebehandlung/Vergüten
In Öfen erfolgt das abschließende Vergüten des Schmiedestückes.
Entzundern
Die Zunderschicht wird mechanisch vom Schmiedestück entfernt.
Schmiedeverfahren
Nach den Ausgangsformen des Werkstoffes unterscheidet man beim Gesenkschmieden folgende Verfahren:
Schmieden "von der Stange"
Der Werkstoff (meist Rund- oder Vierkantstahl) wird in Längen von 2 bis 3 Metern zugeschnitten. Die Stangenenden werden in einem Kammerofen mit Schlitz auf Schmiedetemperatur gebracht und anschließend in einem oder mehreren Arbeitsgängen unter dem Schmiedehammer auf die gewünschte Endform gebracht. Das kalte Ende der Stange wird hierbei gleichzeitig als Werkzeug oder Hilfsmittel zur Handhabung gebraucht. Sollten die Stangen wegen ihrer Länge oder ihres Querschnitts zu schwer sein, werden sie in Kettenvorrichtungen eingehängt, welche dann dem Hammerschmied die einfache Handhabung beim Schmieden erlauben. Das geschmiedete Teil wird von der Stange abgetrennt. Teilweise ist es möglich, mehrere Schmiedestücke hintereinander zu schmieden. Wenn die Stange nicht mehr die nötige Temperatur besitzt, wird sie gegen eine warme Stange aus dem Ofen getauscht. Die gebrauchte Stange wird zum erneuten Erwärmen wieder in den Ofen geschoben.
Vorteile: gute Handhabung, hohe Stückfolgezeiten.
Nachteile: hoher Werkstoffeinsatz.
Anwendung: Hammerfertigung, Teile bis ca. 3 kg Fertigteilgewicht.
Schmieden "vom Stück"
Der in Knüppeln oder Stangen angelieferte Stahl wird durch Sägen oder Scheren in der sogenannten Trennerei in gleichmäßige Stücke geteilt. Die Größe der Einzelstücke ergibt aus dem zu schmiedenden Teil. Sie werden in der Gesenkschmiede in Öfen erwärmt, dann unter dem Hammer oder der Presse ausgeschmiedet. Je nach Ausrichtung des Faserverlaufs des Stangenabschnittes zur Umformrichtung wird unterschieden: - Längsschmieden, d. h. Umformung parallel zur Faserrichtung, - Querschmieden, d. h. Umformung senkrecht zur Faserrichtung.
Vorteile: Hohe Stückfolgezeiten, Eignung für große Fertigungslose, gute Voraussetzungen zur Automatisierung der Prozessstadien.
Anwendung: Schmiedestücke aller Art.
Schmieden "vom Spaltstück"
Der Rohling wird durch einen Formschnitt aus einem Flachstahl herausgetrennt. Dieses Verfahren wird insbesondere für die Fertigung von Handwerkzeugen (z. B.Schraubenschlüsseln) oder Schneidwaren (z. B. Messern) eingesetzt. Die Endform des Schmiedestückes kann beim Aufspalten des Rohmaterials bereits berücksichtigt werden, was Rohmaterial spart. Die Rohlinge werden im Ofen erwärmt und ausgeschmiedet.
Neben dem Gesenkschmieden gibt es weitere Schmiedemethoden: Beim Freiformschmieden wird dem Metall die Form frei von Hand gegeben; Feinschmieden mit besonderen Werkzeugen liefert maßgenaue Schmiedeprodukte.
Vorteile: geringer Werkstoffverbrauch wegen des formangepassten Vorproduktes, kurze Schmiedezeiten, gute Automatisierbarkeit des Prozesses.
Nachteile: Der Faserfluss ist nicht der Bauteilbelastung angepasst.
Anwendung: Flache Teile, die in großer Stückzahl gefertigt werden, wie beispielsweise Schraubenschlüssel, Messerklingen, Scheren.
Literatur
- Jochem Putsch u.a.: Gesenkschmiede Hendrichs - Solinger Industriegeschichte zwischen Handwerk und Fabrik. Klartext, Essen 1999, ISBN 3-88474-737-1
- Infostelle Industrieverband Massivumformung e. V. (Hrsg.): Schmiedeteile Gestaltung, Anwendung und Beispiele. Industrieverband Massivumformung e. V., Hagen, ISBN 3-928726-12-9
- Hans W. Haller: Handbuch des Schmiedens. Hanser, München 1971, ISBN 3-446-10049-0
- A. Bruchanow, A. W. Rebelski: Gesenkschmieden und Warmpressen. VEB Verlag Technik, Berlin 1955
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