- LVR-Industriemuseum Solingen
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Die Gesenkschmiede Hendrichs ist ein Museumsstandort des LVR-Industriemuseums in Solingen. Von 1886 bis 1986 wurden hier Scheren-Rohlinge geschmiedet und teilweise weiterverarbeitet. Die Gesenkschmiede ist ein Ankerpunkt der Europäischen Route der Industriekultur (ERIH) und Teil des Netzwerkes „Industriekultur Bergisches Land“. Sie ist von weiteren musealen Industriekulturstandorten umgeben.
Inhaltsverzeichnis
Historie
Begünstigt durch die vielen Wasserläufe im Bergischen Land und die zahlreichen Wälder, die ausreichend Holzkohle lieferten, sowie durch die Nähe zu Erzgruben im Siegerland bildete sich schon im Mittelalter im Raum Solingen das Klingengewerbe, das sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem umfassenden Schneidwarengewerbe weiterentwickelte. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erlangte die Solinger Schneidwarenindustrie eine führende Position auf dem Weltmarkt.
1886 gründeten die Brüder Peter und Friedrich-Wilhelm Hendrichs die Gesenkschmiede in Solingen-Merscheid. Gründe hierfür waren die Mechanisierung des Schmiedevorgangs. Sie sollte sich binnen weniger Jahrzehnte zu einer der größten Solinger Gesenkschmieden mit insgesamt 33 Hämmern entwickeln. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Schmiedeprozess in Solingen vollständig vom Handschmieden auf das mechanisierte Gesenkschmieden umgestellt. Die Gesenkschmiede Hendrichs darf als typisches Beispiel für diese Entwicklung angesehen werden. Die zahlreichen Gesenkschmieden erzeugten die Rohware, die dann auf traditionelle Weise in kleinen Handwerks- bzw. Heimarbeiterbetrieben weiterverarbeitet d.h. zum Beispiel gehärtet, geschliffen und montiert wurden.
Aufbau der Gesenkschmiede Hendrichs
Wie alle Gesenkschmieden so bestand auch die Gesenkschmiede Hendrichs im Wesentlichen aus vier Abteilungen:
- Spalterei, in der das Rohmaterial, lange Stahlruten von 4 bis 6 m Länge, an schweren Pressen auf Maß geschnitten werden.
- Der Schmiede, in der die Rohlinge im Gesenk geschlagen werden und dabei ihre Form erhalten.
- Der Schneiderei, in der anschließend das überflüssige Material – der Flügel – abgetrennt wird.
- In der Werkzeugmacherei werden die Werkzeuge zum Schmieden (Gesenke) und Entgraten (Schnitte) hergestellt.
Zum Antrieb der Maschinerie über Transmission wurden ein Kesselhaus und ein Maschinenhaus für die Dampfmaschine benötigt. 1956 wurde stattdessen ein Dieselmotor installiert. Hierzu kamen Läger für die Rohlinge und die Werkzeuge. Im Falle der Gesenkschmiede Hendrichs ergibt sich eine Besonderheit daraus, dass sie zugleich über eine so genannte Dampfschleiferei verknüpft war, in der selbständige Schleifer (Heimarbeiter) einen Arbeitsplatz gemietet hatten.
Ende der Gesenkschmiede Hendrichs
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Zahl der Beschäftigten von etwa 60–70 in den 1950er Jahren – vor allem bedingt durch die schwere Krankheit von Peter-Wilhelm Hendrichs – auf schließlich acht zurück. Nach dem Tod von Peter-Wilhelm Hendrichs führte die Witwe Luise Hendrichs die Geschäfte weiter, stets auf der Suche nach einer Möglichkeit, den Betrieb ohne Härten für die Beschäftigten auslaufen zu lassen. In dieser Situation erwies sich das Angebot des LVR, die Gesenkschmiede mitsamt der Beschäftigten zu übernehmen als Glücksfall.
LVR-Industriemuseum Solingen
Als Firma Hendrichs hundert Jahre nach ihrer Gründung im Jahre 1986 ihre Tätigkeit einstellte, wurde die Gesenkschmiede von einem Tag zum anderen zum Museum. Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hatte die Fabrik erworben, um sie zu einem Standort des von ihm betriebenen Industriemuseums zu machen. Mitarbeiter der Firma Hendrichs behielten ihren Arbeitsplatz und demonstrieren weiterhin die Produktion von Scheren.
Umbau
Die Gesenkschmiede erfüllte bei ihrer Schließung weder die Sicherheitsanforderungen an einen modernen Betrieb noch an eine Einrichtung mit Publikumsverkehr. Außerdem musste Museums-Infrastruktur in die Fabrik eingebaut werden. Der Landschaftsverband Rheinland finanzierte daher mit 2,0 Millionen DM und das Land NRW mit 15 Mio. DM Fördergeldern die Herrichtung zum Museum, ohne dass der denkmalgeschützte Charakter der Fabrik mit seiner Arbeitsatmosphäre verloren ging. 1999 erfolgte die offizielle Neueröffnung.
Alle Maschinen, die Fallhämmer, Pressen und Fräsmaschinen, alle Werkzeuge, auch die Werkbänke für die Werkzeugmacher sind noch komplett vorhanden. Selbst der Umkleideraum mit den alten Spinden, der Waschraum mit der langen Reihe drehbarer Waschschüsseln, das Maschinenhaus oder das Kontor mit der klappernden Schreibmaschine ist noch da. Auch die Firmenvilla der Unternehmerfamilie steht noch immer an ihrem Platz.
Bestandteile der Dauerausstellung
In der ehemaligen Gesenkschmiede Hendrichs mit mehr als 3.500 m² Ausstellungsfläche werden auch heute immer noch Scherenrohlinge an den Fallhämmern hergestellt. In der Werkzeugmacherei werden die Gesenkwerkzeuge für die Scherenformen mit Maschinen und am Schraubstock bearbeitet. Die Weiterverarbeitung der Scherenrohlinge – das Härten, das Schleifen und das Zusammensetzen – wird in ehemaligen, noch betriebsfähigen Heimarbeiter-Werkstätten, die in die Ausstellung integriert wurden, gezeigt. Weitere Abteilungen veranschaulichen die Mechanisierung des Schleifens und erläutern die Arbeit in der Schneidwarenproduktion.[1] Die herrschaftliche Firmenvilla von 1896 bietet darüber hinaus Einblicke in die bürgerliche Lebenswelt der Fabrikantenfamilie. Hier befindet sich auch das Museumscafé mit Wintergarten. Auch die Gartenanlage mit altem Baumbestand kann im Sommer von Besuchern als Biergarten genutzt werden. Das Museumscafé ist zurzeit ohne Pächter und geschlossen (Stand Juli 2010).
Museumspädagogik und Veranstaltungen
Das LVR-Industriemuseum Solingen hat ein umfangreiches, nach Jahrgangsstufen und Schulformen differenziertes, museumspädagogisches Angebot. Das Programm wird durch besondere Angebote für Kinder und Familien ergänzt, zum Beispiel wie das Puppentheater „Am laufenden Band“, die Ausrichtung von Kindergeburtstagen oder spezielle Familiensonntage, Schmiedeworkshops und Kreativworkshops.
Neben Sonntagsführungen, Themenführungen, Kinderführungen oder auch Mundartführungen veranstaltet das Museum regelmäßig industriegeschichtliche Exkursionen und Betriebsbesichtigungen, gelegentlich auch Vorträge, Konzerte, Lesungen oder Diskussionsveranstaltungen. Neben dem jährlichen Museumsfest bildet der MesserGabelScherenmarkt mit einer Produktschau von über 25 Solinger Herstellern in jedem Herbst einen Programmhöhepunkt.
Konzept des LVR-Industriemuseums
Der Schauplatz Solingen ist einer von insgesamt sechs Schauplätzen des LVR-Industriemuseums, die im Verbund ein einziges Museum bilden. In zum Teil denkmalgeschützten Fabriken wird am authentischen Ort die Geschichte der Industrie im Rheinland und der dort beschäftigten Menschen erzählt. Dabei stehen die zentralen Branchen Metall, Textil, Papier und Elektrizität im Mittelpunkt. Neben dem Schauplatz Solingen in der ehemaligen Gesenkschmiede Hendrichs sind dies:
- die Papiermühle Alte Dombach in Bergisch Gladbach,
- die Baumwollfabrik Ermen & Engels in Engelskirchen,
- die Tuchfabrik Müller in Euskirchen,
- die Textilfabrik Cromford in Ratingen und
- die Zinkfabrik Altenberg in Oberhausen.
In Oberhausen befindet sich auch die Museumszentrale mit Direktion, das Sammlungsdepot, Bibliothek, Fotoarchiv und Werkstätten sowie die Siedlung Eisenheim als Außenstelle. Gründer und Träger des LVR-Industriemuseums ist der Landschaftsverband Rheinland (LVR).
Weblinks
Commons: Solingen – Gesenkschmiede Hendrichs – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienHomepage des LVR-Industriemuseum Solingen – Gesenkschmiede Hendrichs
Einzelnachweise
- ↑ Webmuseen – Gesenkschmiede Hendrichs, abgefragt am 22. Juli 2010
Zentrale Oberhausen | Zinkfabrik Altenberg | Museum Eisenheim | St.-Antony-Hütte | Sammlungsdepot | Textilfabrik Cromford | Gesenkschmiede Hendrichs | Papiermuseum Alte Dombach | Baumwollspinnerei Ermen & Engels | Oelchenshammer | Tuchfabrik Ludwig Müller
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