Glockengießerei Otto

Glockengießerei Otto
Große Glocke des Trierer Domes in der Gussgrube (1951)
Die Brema im Dom zu Bremen
Die Läute- und Spielglocken (f1 und g1) von St. Martini in Bremen

Die Glockengießerei Otto, auch Glockengießerei Hemelingen genannt, bestand bis 1974 in Bremen-Hemelingen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bremen war im Mittelalter ein Zentrum der Glocken- und Grapen- bzw.Gelbgießergießereien, die neben Glocken unter anderem auch Taufbecken, Geschützrohre und andere, kleinere Gegenstände herstellten. Vom Gießer Olricus stammte um 1300 eine Glocke und ein Taufbecken für die Kirche St. Michaelis in Lüneburg, Metallgießer Otto fertigte ein Taufbecken für St. Martini in Bremen und die Glockengießerfamilie Klinge goss um 1430 bis 1474 Glocken für den Bremer Dom, für St. Ansgarii in Bremen oder für Kirchen in Jever, Wildeshausen, Brinkum, Lübeck und für die Wasserhorster Kirche im Blockland her. Es gab darüber hinaus eine Fülle von Gießern in Bremen.

1874 gründete Karl Otto zusammen mit seinem Bruder Franz in Hemelingen bei Bremen die Glockengießerei Otto. Beide stammten aus Duderstadt; Karl war Priester und von 1884 bis 1910 Pfarrer der Gemeinde Sankt Mauritius in Desingerode und Franz Schuhmacher. Karl wohnte während seines Studiums bei Glockengießer Lange in Hildesheim, wo er sich theoretische Kenntnisse des Glockengießens aneignete und im Eigenverlag das Buch "Theorie der Glockentöne - eine akustische Monografie" herausgab. Nach seiner Berufung zum Pfarrer von Hemelingen holte er seinen Bruder Franz, der inzwischen ebenfalls bei Lange gelernt hatte, nach Hemelingen. Nach der Gründung der Gießerei war Karl für die Konstruktion der Glockenrippen, Franz für das Gießen verantwortlich.[1]

Zunächst wurden Glocken in der sogenannten leichten Rippe gegossen, von denen einige in Ostfriesland und das fünfstimmige Geläut von St. Georg in Arnstorf erhalten geblieben sind. Mitte der 1890er Jahre stellte die Gießerei ihre Glockenrippen jedoch um. Ergebnis waren eine mittelschwere und eine schwere Rippe. In der schweren Rippe wurden vor allem für das damalige Erzbistum Köln äußerst qualitätvolle Glocken gegossen, so u. a. 1898 das fünfstimmige Geläute für St. Josef in Krefeld, dessen größte Glocke – Dicke Anna genannt – 4.407 kg wiegt. Dieses Geläute ist neben den Geläuten des Frankfurter Domes und der Dresdner Kreuzkirche eines der bedeutendsten Geläute des 19. Jahrhunderts in Deutschland.[2] Dieses Geläute bildete den Auftakt zu einer umfangreichen Liefertätigkeit für das damalige Erzbistum Köln, wohin bis zum Ersten Weltkrieg eine große Zahl bedeutender Geläute geliefert wurde (240 Glocken)[3], darunter auch zwei Glocken für den Kölner Dom im Jahre 1911: die Aveglocke (g1) und die Kapitelsglocke (e1).

Während des Ersten Weltkrieges mussten zahlreiche Glocken an die Rüstungsindustrie abgeliefert werden. Bei Glocken der Gießerei Otto gab es oftmals Ausnahmen, da sie aufgrund der zum Teil außergewöhnlich guten Klangeigenschaften vielfach von der Ablieferung freigestellt wurden. Dennoch goss die Gießerei auch ab 1919 wieder viele Großgeläute. 1927 entstand ein dreistimmiges Geläute für die Kirche Mariä Himmelfahrt in Scherpenseel (Kreis Heinsberg), das in den Tönen c1, d1 und e1 erklingt. Nicht zu vergessen ist das Geläute der Basilika in Dormagen-Knechtsteden von 1931, deren größte Glocke 4.021 kg schwer ist (b0). St. Martin in Krefeld erhielt 1934 ein dreistimmiges Te-Deum-Geläute auf cis1. Zudem goss die Gießerei noch weitere Geläute, so etwa für den Neuen Mariendom in Hamburg, die Seligenstädter Basilika oder die Josefskirche in Offenbach am Main. Diese Geläute sind heute als besonders wertvoll einzustufen, weil sie die Ablieferung im Zweiten Weltkrieg überstanden haben, obwohl sie damals noch keinen historischen Wert besaßen. Denn im Zweiten Weltkrieg waren die Machthaber nicht so freizügig, wie im Ersten Weltkrieg.

1945 begann die Glockenproduktion in Hemelingen erneut. 1951 entstand das größte Geläute, das die Gießerei je gegossen hatte: das Geläute des Trierer Domes mit einem Gesamtgewicht von 24.340 kg; alleine die größte Christus- und Helena-Glocke wiegt 7.970 kg. 1962 wurde die große Glocke des Domes in Bremen gegossen, die rund 7.000 kg schwere Brema, die mit dem Schlagton g0 erklingt.

Für die St.-Martini-Kirche in Bremen wurden im Dezember 1957 drei Läuteglocken geliefert. Die größte, für den Stundenschlag bestimmte c1-Glocke mit einem Gewicht von 2.250 kg, bekam die von Manfred Hausmann verfasste Inschrift: „Ich will Dich ehren mit jedem Ton, gib uns, o Herr, den Frieden zum Lohn. Zerstört am 5. Oktober 1944 – neugegossen im Advent 1957“. Für das Glockenspiel folgten dann 1962 weitere sechzehn Glocken. Von den insgesamt 19 Glocken unterschiedlicher Größe sind 17 in das Glockenspiel einbezogen, fünf werden gleichzeitig als Läuteglocken benutzt. Die beiden größten Glocken c1 und d1 sind reine Läuteglocken. Das Gesamtgewicht aller Glocken soll 9.500 kg betragen.

Bis 1925 verließen 4.223 Glocken die Gießerei. Von 1925 bis zur Schließung der Gießerei dürften nach derzeitigen Erkenntnissen noch einmal 4.000 bis max. 5.000 Glocken hinzukommen.

Otto-Glocken haben eine besonders flache Krone, deren sechs Kronenbügel radial angeordnet sind. Der Glockenmantel ist steil, am Wolm befinden sich häufig mehrere Stege.

1974 stellte die Glockengießerei ihren Betrieb in Bremen ein. Die Firma OTTO-BUER Glocken- Uhrentechnik hat heute ihren Sitz in Neustadt in Holstein, gießt aber keine Glocken mehr, sondern ist vor allem in der Herstellung von Glockenspielen tätig.

Die Glockenstraße in Hemelingen wurde nach der Glockengießerei Otto benannt.

Große Glocken und Geläute

Ort Kirche Glocke/Geläut Gussjahr Gewicht Nominalfolge
Bremen Dom St. Petri Brema 1962 ~ 7000 kg g0
Bremen St. Martini 7er-Geläut 1957/62 c1 = 2250 kg c1–d1–f1–g1–a1–c2–d2
Darmstadt[4] St. Elisabeth 4er-Geläut 1905 7889 kg b0–d1–f1–g1
Dormagen-Knechtsteden[5] Basilika St. Andreas 5er-Geläut 1931 10.145 kg b0–des1–es1–f1–ges1
Duderstadt Propsteikirche St. Cyriakus 6er-Geläut 1923/31 12.370 kg ~g0–h1–es1–f1–g1–a1 (geplant: as0–c1–es1–f1–g1–as1)
Billerbeck Propsteikirche St. Ludgerus 5er-Geläut 1922-1926 9350 kg b0–des1–es1–f1–as1
Düren St. Joachim 5er-Geläut 1897 7383 kg h0–d1–e1–fis1–g1
Düsseldorf-Friedrichstadt[6] St. Antonius 5er-Geläut 1912 8437 kg b0–des1–es1–f1–ges1
Düsseldorf-Oberbilk[6] St. Josef 5er-Geläut 1901 9923 kg b0–des1–es1–f1–ges1
Düsseldorf-Pempelfort[6] St. Adolfus 6er-Geläut 1913 11.970 kg a0–c1–d1–e1–g1–a1
Erkelenz St. Lambertus Große Glocke 1914 3450 kg b0
Essen-Fronhausen Maria Geburt 4er-Geläut 1907 7749 kg h0–d1–e1–fis1
Fulda St. Blasius 5er-Geläut 1951/66 12.245 kg a0–h0–d1–e1–fis1
Krefeld St. Anna 5er-Geläut 1905/66 8754 kg h0–d1–e1–fis1–g1
Krefeld St. Josef 5er-Geläut 1898 11.380 kg a0–c1–d1–e1–f1
Mönchengladbach-Hermges St. Josef 4er-Geläut 1925 6504 kg h0–d1–e1–fis1
Offenbach St. Josef 4er-Geläut 1931 7575 kg h0–d1–e1–g1
Püttlingen Liebfrauenkirche 5er-Geläut 1962 9400 kg a0–cis1–e1–fis1–gis1
Recklinghausen St. Peter Große Glocke 1948 4500 kg as0
Seligenstadt[7] Basilika 5er-Geläut 1925/50 8950 kg h0–d1–e1–fis1–a1
Trier Dom 10er-Geläut 1951 fis0 ≈ 7970 kg fis0–a0–h0–cis1–d1–e1–fis1–a1–h1–cis2
Viersen St. Josef 5er-Geläut 1950/51 10.043 kg b0–des1–es1–f1–ges1
Würselen St. Sebastian Große Glocke 1961 4500 kg a0

Einzelnachweise

  1. Wüstefeld, Karl: Die Glockengießerei F. Otto Hemelingen bei Bremen. Duderstadt 1925
  2. Sebastian Schritt: …von großer majestätischer Fülle. Zum 100. Geburtstag der Glocken von St. Josef in Krefeld. In: Die Heimat. Zeitschrift für niederrheinische Kultur- und Heimatpflege. Nr. 69, 1998, S. 93–98.
  3. Gerhard Hoffs: Register der Glockengießer, die für das Erzbistum Köln tätig waren. S. 8.
  4. Motette (Hg.): Glocken-Landschaft Bistum Mainz. Motette-Verlag, Düsseldorf 2005, S. 26.
  5. Gerhard Hoffs: Glockenmusik im Dekanat Dormagen. PDF-Dokument, S. 65f.
  6. a b c Gerhard Hoffs: Glockenmusik der Katholischen Kirchen Düsseldorfs. PDF-Dokument, S. 139f., S. 272f., S. 302f.
  7. Motette (Hg.): Glocken-Landschaft Bistum Mainz. Motette-Verlag, Düsseldorf 2005, S. 30.

Weblinks


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