- Grimmsches Gesetz
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Dieser Artikel ist größtenteils eine Übersetzung des Artikels Grimm's Law aus der englischsprachigen Wikipedia. Die Erste Lautverschiebung ist ein Lautgesetz, das von Jacob Grimm, dem älteren der Brüder Grimm, formuliert wurde (daher Grimm's Law im Englischen). Sie bewirkte eine Differenzierung zwischen dem Germanischen und den übrigen indoeuropäischen Sprachen. Eine genaue Datierung der ersten germanischen Lautverschiebung ist zwar nicht möglich, jedoch wird sie zwischen 1200 und 1000 v. Chr. angesiedelt und ihr Abschluss um die Jahre 500-300 v. Chr., da kein lateinisches Lehnwort die Lautverschiebung vollzogen hat und somit diese vor der Ausbreitung des Lateinischen abgeschlossen sein musste.
Das Lautgesetz umfasst eine Reihe von Aussagen über die aus dem Protoindoeuropäischen entstandenen Verschlusslaute, die sich im Protogermanischen (dem Vorläufer des germanischen Zweigs der indoeuropäischen Sprachfamilie) im ersten Jahrtausend vor Christus entwickelten. Es stellt einige regelmäßige Übereinstimmungen zwischen frühen germanischen Verschlusslauten und Frikativen und stimmhaften Verschlusslauten anderer indoeuropäischer Kentumsprachen fest. Zur Verdeutlichung bezog sich Grimm hauptsächlich auf Latein und Griechisch. In der derzeitigen Fassung der ersten germanischen Lautverschiebung, besteht sie aus drei Teilen, die als aufeinanderfolgende Phasen im Sinne einer Kettenverschiebung [1] zu verstehen sind:
- Protoindoeuropäische stimmlose Verschlusslaute verändern sich zu stimmlosen Frikativen (Tenuis-Spirans-Wandel).
- Protoindoeuropäische stimmhafte Verschlusslaute werden zu stimmlosen Verschlusslauten (Media-Tenuis-Wandel).
- Protoindoeuropäische stimmhafte aspirierte Verschlusslaute werden zu stimmhaften Frikativen (Media aspirata - Media-Wandel); letztlich wurden diese stimmhaften Frikative in den meisten germanischen Sprachen zu stimmhaften Verschlusslauten.
Die stimmhaften aspirierten Verschlusslaute könnten ursprünglich stimmhafte Frikative gewesen sein, bevor sie sich unter gewissen Bedingungen zu den stimmhaften unaspirierten Verschlusslauten "b", "d", und "g" verhärteten, was jedoch von einigen Linguisten bestritten wird (Vergl. Protogermanische Phonologie).
Die erste germanische Lautverschiebung war der erste signifikante systematische Lautwechsel, der in der Linguistik entdeckt wurde. Die Formulierung dieser Regel war ein Wendepunkt in der Entwicklung der Linguistik, ermöglichte sie doch die Einführung einer strengen Methodik in der historisch-linguistischen Forschung. Das Lautgesetz wurde erstmals 1806 von Friedrich von Schlegel bzw. 1818 von Rasmus Christian Rask entdeckt, und 1822 von Jacob Grimm unter Bezug auf das Standarddeutsche in seinem Werk Deutsche Grammatik ausgearbeitet.
Inhaltsverzeichnis
Sprachbeispiele
Die hochdeutsche Lautverschiebung, die auf die erste germanische Lautverschiebung folgte, ebenso wie Lautverschiebungen in anderen indoeuropäischen Sprachen, können manchmal ihre Auswirkungen verdecken. Im Folgenden die anschaulichsten Beispiele für die erste germanische Lautverschiebung:
Wechsel nicht-germanische / unverschobene Bsp. germanische / verschobene Bsp. *p→f 1) Altgr.: πούς (pūs), Lat.: pēs, pedis, Sanskrit: pāda, Russ.: под (pod), Lit.: pėda ; 2) Lat.: piscis 1) Engl.: foot, Deutsch: Fuß, Got.: fōtus, Isländ., Färöisch: fótur, Dän.: fod, Norw., Schwed.: fot ; 2) Engl.: Fish, Deutsch: Fisch, *t→þ Altgr.: τρίτος (tritos), Lat.: tertius, Gaelic treas, Irisch: tríú, Sanskrit: treta, Russisch: третий (tretij), Litauisch: trečias Englisch: third, Althdt.: thritto, Gotisch: þridja, Isländ.: þriðji *k→χ (χ wurde zu h) 1) Altgr.: κύων (kýōn), Lat.: canis, Gälisch, Irisch: cú ; 2) Lat.: capio ; 3) Lat.: corde 1) Engl.: hound, Niederl.: hond, Dt.: Hund, Gotisch: hunds, Isländisch, Färöisch: hundur, Dän., Norw., Schwed.: hund ; 2) Got.: hafjan ; 3) Engl.: heart *kʷ→hw Lat.: quod, Gälisch: ciod, Irisch: cad, Sanskrit: ka-, kiṃ, Russisch: ко- (ko-), Litauisch: ką' Engl.: what, Gotisch: ƕa ("hwa"), Dänisch hvad, Isländisch: hvað, Färöisch hvat, Norw.: hva *b→p 1) Lat.: verber ; 2) Lit.: dubùs Engl.: warp; Schwed.: värpa; Niederl.: werpen; Isländ., Färöisch: varpa, Gotisch wairpan ; Got.: diups *d→t Lat.: decem, Griech.: δέκα (déka), Gaelisch, Irisch: deich, Sanskrit: daśan, Russ.: десять (des'at), Litauisch: dešimt ; Engl.: ten, Niederl.: tien, Gotisch: taíhun, Isländisch: tíu, Färöisch: tíggju, Dän., Norw.: ti, Schwed.: tio *g→k 1) Lat.: gelū ; 2) Lat.: augeo 1) Engl.: cold, Niederl.: koud, Deutsch: kalt, Isländ., Färöisch: kaldur, Dän.: kold, Norw.: kald, Schw.: kall, ; 2) Got.: aukan *gʷ→kw Litauisch: gyvas Engl.: quick, Friesisch: quick, queck, Niederl.: kwiek, Gotisch: qius, Altnorw.: kvikr, Norw. kvikk Isländ., Färöisch: kvikur, Schwed.: kvick *bʰ→b Lat.: frāter, Altgr.: φρατήρ (phrātēr), Sanskrit: (bhrātā), Russ.: брат (brat), Litauisch: brolis, Altkirchenslaw.: братръ (bratru) Engl.: brother, Niederl.: broeder, Deutsch: Bruder, Gotisch: broþar, Isländ., Färöisch: bróðir, Dän., Schwed.: broder, Norw. bror *dʰ→d Irisch: doras, Sanskrit: dwār, Russ.: дверь (dver'), Litauisch: durys Engl.: door, Friesisch: doar, Niederl.: deur, Gotisch: daúr, Isländ., Färöisch: dyr, Dän., Norw.: dør, Schwed.: dörr *gʰ→g 1) Lat.: hostis; 2) Russ.: гусь (gus') 1) Got.: gasts; 2) Engl.: goose, Friesisch: goes, Niederl.: gans, Deutsch: Gans, Isländ.: gæs, Färöisch: gás, Dän., Norw., Schwed.: gås *gʷʰ→gw→w 1) Sanskrit: gʰarmá 2) [Tocharisch] A: kip, B: kwípe (vulva) 1) Got.: warm 2) Engl.: wife, Proto-Germanisch: wiban (vom vorherigen gwiban), Altsächs., Altfriesisch: wif, Niederl.: wijf, Althochdeutsch: wib, Deutsch: Weib, Altnorw.: vif, Isländ.: víf, Färöisch: vív, Dän., Schwed., Norw.: viv - Anmerkung: Einige Linguisten bestreiten den Ursprung des Wortes "wife". Watkins nimmt als Ursprung das proto-indoeuropäische *gʷʰíbʰ- an. [1]
Dies ist auffallend regelmäßig. Jede Phase beinhaltet einen einzigen Wechsel, der ebenso die labialen (p, b, bʰ, f) und die diesen entsprechenden dentalen Laute (t, d, dʰ, þ), die velaren Laute (k, g, gʰ, h) und gerundeten velaren Laute betrifft (kʷ, gʷ, gʷʰ, hw). Die erste Phase nahm dem Phonemrepertoire die stimmlosen Verschlusslaute, die zweite Phase füllte diese Lücke aus, schuf jedoch eine neue Lücke im Phonemrepertoire. Dieser Prozess setzte sich fort bis die Kettenverschiebung beendet war.
Ausnahmen
Die stimmlosen Verschlusslaute wurden nicht zu Frikativen, wenn ihnen *s (Frikativ) vorausging:
Wechsel nicht-germanische / unverschobene Bsp. germanische / verschobene Bsp. *sp Lat.: spuere Engl.: spew, Gotisch: speiwan, Niederl.: spuien, Deutsch: speien, Dän., Norw., Schwed.: spy, Isländ.: spýja, Färöisch: spýggja *st Lat.: stāre, Irisch: stad, Sanskrit: sta, Russ.: стать (stat'), Litauisch: stoti ; Engl: stand, Niederl.: staan, Deutsch: stehen, Isländ., Färöisch: standa, Dän., Norw., Schwed.: stå *sk 1) Litauisch: skurdus ; 2) Lat.: miscere 1) Engl.: short, Altnorw. und Isländ.: skorta, Ahd.: scurz ; 2) Ahd.: miskan , Deutsch: mischen *skʷ Irisch: scioll Engl.: scold, Altnorw.: skäld, Isländ.: skáld, Niederl.: schelden - Anmerkung: Einige Linguisten bestreiten den Ursprung des Wortes "scold", jedoch geht u.a. Julius Pokorny von *skwetlo als anzunehmendem Ursprung aus.
Der stimmlose Verschlusslaut *t wurde ebenfalls nicht zum Frikativ, wenn ihm *p, *k, oder *kʷ (stimmlose Verschlusslaute) vorausging:kein Wechsel von *t Lat.: 1) octo ; 2) Lat.: neptis Got.: 1) ahtau , Ahd.: ahto, Deutsch: acht 2) Ahd.: nift
Zu der Zeit, als die stimmlosen Verschlusslaute im Proto-Germanischen frikatisiert wurden, betraf diese Frikatisierung lediglich stimmlose Verschlusslaute, wenn sie mit dem stimmlosen Verschlusslaut *t verbunden waren. Dieser Sachverhalt wird auch mit den Begriffen Primärberührungseffekt, Dentalberührung oder "Germanische Spirantenregel vor t" beschrieben:Wechsel nicht-germanische / unverschobene Bsp. germanische Bsp. *pt→ft Altgriech.: κλέπτης (kleptēs) Gotisch: hliftus "Dieb" *kt→ht Altgriech.: οκτώ (oktō), Lat.: octō Engl.: eight, Niederl.: acht, Friesisch, Deutsch: acht, Gotisch: ahtáu, Isländ.: átta *kʷt→h(w)t Griech.: nyx, nykt-, Lat.: nox, noct-, Sanskrit: naktam, Litauisch: naktis Engl.: night, Althochdeutsch: naht, Altfriesisch, Niederl., Deutsch: nacht, Gotisch: nahts, Isländisch: nótt Die widerspenstigste Gruppe offensichtlicher Ausnahmen von der ersten germanischen Lautverschiebung, die für einige Jahrzehnte eine Herausforderung für die historischen Sprachwissenschaften darstellte, wurde schließlich durch den dänischen Linguisten Karl Verner erklärt (siehe Vernersches Gesetz).
Übereinstimmungen mit dem Protoindoeuropäischen
Betrachtet man die erste (germanische) Lautverschiebung im Zusammenhang mit den Veränderungen, wie sie für andere indoeuropäische Sprachen belegt sind, so lässt sich eine Übereinstimmung, innerhalb der unterschiedlichen Zweige der Sprachfamilie, feststellen. So stimmt zum Beispiel der germanische Wortanfang *b- in der Regel mit dem lateinischen *f-, dem griechischen pʰ-, dem bʰ- des Sanskrit, und dem slawischen, baltischen oder keltischen b- überein, wohingegen sich für das germanische *f- Übereinstimmungen mit dem lateinischen, griechischen, sanskritischen, slawischen und baltischen p- ergeben. Die erstgenannte Gruppe geht zurück auf das indoeuropäische *bʰ-, das sich konstant im Sanskrit und in modifizierter Form auch in zahlreichen anderen Sprachen widerspiegelt. Die letztgenannte Gruppe geht auf das protoindoeuropäische *p- zurück (im Germanischen verschoben, im Keltischen verloren gegangen, jedoch in anderen hier erwähnten Gruppen erhalten geblieben).
Einzelnachweise
- ↑ Lyle Campbell: Historical linguistics, 2nd ed., S. 49, Cambridge: MIT Press 2004, ISBN 0262532670
weiterführende Literatur
- Schmidt, Wilhelm, Geschichte der deutschen Sprache: Ein Lehrbuch für das germanistische Studium, Stuttgart 2007.
Weblinks
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