- Großgartacher Kultur
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Die Großgartacher Kultur ist eine archäologische, mittelneolithische Kultur, etwa 4800 bis 4600 v. Chr., die in Süd- und Westdeutschland verbreitet war. Sie ist mit der Stichbandkeramik eng verwandt (daher auch südwestdeutsche Stichbandkeramik genannt), trägt aber auch erste Züge der nachfolgenden Rössener Kultur (daher auch Jungrössen genannt).
Inhaltsverzeichnis
Forschungsgeschichte
Die Anfänge der Großgartacher Gruppe liegen im Jahr 1899. Unter der Leitung des Archäologen Alfred Schliz fanden am württembergischen Heuchelberg, bei Großgartach (heute Gemeinde Leingarten, bei Heilbronn), erstmals Grabungen statt. Bei den archäologischen Befunden handelte es sich um Besiedlungsspuren einer mittelneolithischen Kulturgruppe mit spiral- und stichbandkeramischen Einflüssen. Schliz legte Einzelgehöfte, befestigte wie unbefestigte Siedlungen sowie Erdwerke frei, so zum Beispiel in Jülich – Welldorf im Kreis Düren. 1901 publizierte er die Funde und sprach erstmals von einem Großgartacher Typus. Seiner Meinung nach handelte es sich hier um eine Regionalgruppe der südwestdeutschen Stichbandkeramik.
Es folgten weitere Untersuchungen durch den Archäologen Armin Stroh. Stroh sah in dem Fundmaterial der Großgartacher Gruppe eine jüngere Entwicklungsstufe der Rössener Kultur. Folglich sprach man auch von Jungrössen. Untersuchungen in der Neuzeit verdankt die Forschung den Prähistorikerinnen Katharina Mauser-Goller und Marion Lichardus-Itten. Letztere unternahm den Versuch, die Großgartacher Gruppe in drei Perioden einzuteilen.
Chronologie
Chronologisch ist die Gruppe Großgartach ins Mittelneolithikum einzuordnen. In einer zeitlichen Abfolge gesehen entwickelt sie sich aus der späten Hinkelstein-Gruppe. Eine Weile existieren beide nebeneinander. Letztendlich aber löst die Großgartacher Kultur die Hinkelstein-Gruppe vollständig ab. Bei M. Lichardus-Itten bildet dies die erste Periode der Großgartacher Gruppe. Da sich in dem Kulturgut viele Ähnlichkeiten und Parallelen zu der jüngeren Rössener Kultur ziehen lassen, liegt der Schluss nahe, dass Großgartach sich zu jener weiterentwickelte und hier ihr Ende fand. Der letzte Abschnitt der Großgartacher Gruppe wird auch Jungrössen genannt. Großgartach hat also seinen Anfang in der Hinkelstein-Gruppe und schließt mit der Rössener Kultur. Zudem ist die Gruppe mit der jüngeren Stichbandkeramik in einen zeitlich gleichen Kontext zu setzen.
Verbreitung
Es handelt sich hierbei um eine Regionalgruppe des südwestlichen Mitteleuropas. Sie tritt vorrangig in Südwestdeutschland und im Elsass auf. Die Großgartacher Gruppe ließ sich, wie viele mittelneolithische Kulturgruppen, in der Nähe von Flussläufen nieder. So bevölkerte sie einst das Gebiet vom oberen und mittleren Rhein bis hin zur Kölner Bucht im Westen und Norden. Archäologen legten weitere Fundplätze im östlich gelegenen Thüringer Becken frei. In südlicher Richtung findet man sie in der Region zwischen dem (Unter-) Main, dem Neckar und dem Bodensee.
Siedlungscharakteristik
Die Siedlungen der Großgartacher Gruppe bestehen meistens aus kleinen Gruppen einzelner, z. T. nur aus einzelnen Gehöften. Archäologen entdeckten in den Boden eingelassene Häuser mit viereckigem Grundriss. Die Wände wurden mit Lehm verputzt und waren teilweise mit weißem Kalk versehen. Zusätzlich fand man Lehmbänke und jeweils einen Herd, die im Inneren des Hauses installiert waren. Die Fundstelle Harnbach 260 zeigt elf solcher Langhäuser. Sie alle waren alle von Nordwest nach Südost ausgerichtet. Weiterhin fanden Archäologen unbesiedelte Ringgraben- und Grabanlagen. Eine bekanntes Gräberfeld ist der Fundplatz Langweiler 12 bei Aldenhoven im Kreis Düren. Die Vielzahl des Fundmaterials der Großgartacher Gruppe stammt hauptsächlich aus Siedlungsgruben.
Keramik
Bei dem keramischen Fundgut beobachtete man neben unverzierten Gefäßen eine Vielzahl verschiedener Verzierungen. So war der Doppel- und Einzelstich ein beliebtes Muster. Zudem wurden Ritzlinien verwendet, denen man kleine Ösen und Knubben anbei fügte. Charakteristisch für die Großgartacher Gruppe sind waagerechte und girlandenartige Dekorationsbänder auf Knickwand- und Fußbechern, Zipfelschalen und Schiffchen.
Bestattungsritus
Vorwiegend befinden sich die freigelegten Grabanlagen im Elsass. Bei den Bestattungen legte man die Toten vorrangig in gestreckter Rückenlage nieder. Sie wurden NW-SO ausgerichtet. Weiterhin entdeckten Archäologen ein paar wenige Brandgräber. Den Toten wurde ein reiches Inventar an Gefäßen, Werkzeugen und Schmuck mit ins Grab gegeben. So konnte man eine Vielzahl von verzierten und unverzierten Gefäßen, Schuhleistenkeile und etwaigen Schmuck sicherstellen.
Literatur
- Ernst Probst: Deutschland in der Steinzeit. Bertelsmann, München 1991, ISBN 3-570-02669-8. S. 285–286.
- Alfred Schliz: Das Steinzeitdorf von Großgartach. Seine Kultur und die spätere vorgeschichtliche Besiedlung der Gegend. Enke, Stuttgart 1901.
- Katharina Mauser-Goller: Die Rössener Kultur in ihrem südwestlichen Verbreitungsgebiet. In: Die Anfänge des Neolithikums vom Orient bis Nordeuropa. Teil Va: Westliches Mitteleuropa. Böhlau, Köln 1972, ISBN 3-412-96272-4 (Fundamenta. Reihe A. Band 3), S. 231–269.
- Marion Lichardus-Itten: Die Gräberfelder der Großgartacher Gruppe im Elsaß. Habelt, Bonn 1980, ISBN 3-7749-1423-0 (Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde. Band 25).
Kategorien:- Archäologische Kultur (Jungsteinzeit)
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