- Gruppenzwang
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Gruppenzwang (auch Gruppen- oder Konformitätsdruck, engl. unter anderem Peer pressure) ist Auslöser für eine Veränderung des Verhaltens oder der Einstellung von Personen innerhalb einer überstimmenden Gruppe. Häufig zeigt die Person betreffende Verhaltensweisen nur innerhalb der Gruppe.
Inhaltsverzeichnis
Einflussfaktoren
Normativer Einfluss
Personen verhalten sich konform mit Gruppen, da sie bei anderen einen erwünschten Eindruck hinterlassen wollen. Viele Menschen fühlen sich unwohl oder unsicher, wenn sie andere Meinungen als die der Gruppenmehrheit vertreten. Sie meinen, damit bei anderen Gruppenmitgliedern Antipathie und Abneigung hervorzurufen. Der normative Einfluss bedeutet also, dass Personen sich konform verhalten, um von anderen Menschen als sympathisch beurteilt zu werden. Auch die Gesellschaft kann man als Gruppe sehen, die versucht, Abweicher zu integrieren, um sich nützliche Mitglieder zu formen (siehe Normativer sozialer Einfluss).
Informativer Einfluss
Wenn Menschen in bestimmten Situationen keine vollständigen Informationen zur Verfügung stehen, können andere Individuen als Informationsquelle dienen. Die Konformität kommt also dadurch zustande, dass man eine persönliche Unsicherheit beseitigen möchte, indem man sich auf die Meinung der Mehrheit verlässt und diese unter Umständen auch annimmt. Je schwieriger (oder unklarer) eine Situation ist, desto stärker ist auch die gezeigte Konformität (siehe Informativer sozialer Einfluss).
Situation
Wenn die Gruppe in einer schwierigen und hoffnungslosen Situation ist, niemand der Gruppe von außen hilft und keine objektiven Informationen vorliegen, wird der Konformitätsdruck erhöht.
Persönlichkeit
Wenn man ein hohes Bedürfnis nach Bestätigung und Gewissheit, sowie ein geringes Selbstwertgefühl hat, erhöht sich der Konformitätsdruck ebenfalls. Man fühlt sich in einer Gruppe gegenüber Außenstehenden stärker und besser.
Gruppe
Ein starkes Solidaritätsgefühl, die Zugehörigkeit zu einer Randgruppe, eine Rangordnung und hohe Meinungsübereinstimmung innerhalb einer Gruppe erhöhen den Konformitätsdruck. Je mehr dieser Faktoren zutreffen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Anpassung an die Gruppe.
Forschungsansätze
Bekannte Personen, die den Konformitätsdruck erforschten, sind Muzafer Sherif (1935), William Foote Whyte (1943) und Solomon Asch (1951).
Muzafer Sherif verwendete 1935 ein bekanntes Phänomen einer Trugbewegung zur Untersuchung des Gruppeneinflusses: den autokinetischen Effekt. Befindet sich eine Person in einem vollkommen abgedunkelten Raum und wird vor ihr auf eine Wand ein stationäres (also feststehendes) Licht projiziert, dann scheint sich dieser Lichtpunkt für die Person hin- und herzubewegen.
Sherif führte sein ursprüngliches Experiment an vier aufeinanderfolgenden Tagen durch. Am ersten Tag wurden die Versuchspersonen allein dem autokinetischen Effekt ausgesetzt. In einhundert Durchgängen wurden sie befragt, wie stark sich das Licht bewege. Schnell entwickelte jede Versuchsperson eine individuelle Norm, z.B. zwischen 8 und 10 Zoll, um welche die Schätzungen der Durchgänge schwankten. Diese individuelle Norm unterschied sich teilweise stark zwischen den Probanden.
Nach diesen Allein-Durchgängen am ersten Tag wurde das Experiment an den Tagen zwei bis vier jeweils in Gruppen von beispielsweise drei Versuchspersonen wiederholt. Die Gruppen saßen nun gemeinsam in dem abgedunkelten Raum und sollten die Lichtbewegung einschätzen.
Als Ergebnis stellte sich heraus, dass sich rasch in den Gruppendurchgängen eine Gruppennorm zu bilden begann. Obwohl die individuelle Norm der drei Versuchspersonen sich anfangs stark unterschied, pendelten sich alle drei Urteile in den Gruppentests auf einen gemeinsamen mittleren Wert ein.
In einer Modifikation der Studie ließ Sherif am ersten Tag Gruppendurchgänge und an den folgenden drei Tagen Einzeldurchgänge ablaufen. Hier entwickelte sich ebenfalls am ersten Tag eine Gruppennorm - alle Gruppenmitglieder unterschieden sich kaum in ihren Urteilen. Diese Gruppennorm des ersten Tags hielt auch in den folgenden Allein-Durchgängen an. Hatten sich die Probanden einmal der Gruppe angepasst, behielten sie diese Anpassung bei.
Solomon Asch führte 1951 sein ursprüngliches Konformitätsexperiment durch. Dabei saß eine Reihe von Personen an einem Konferenztisch. Der Versuchsperson, die diesen Raum betrat, wurde gesagt, es handle sich um andere freiwillige Teilnehmer an dem Experiment. In Wahrheit waren jedoch alle Anwesenden außer der Versuchsperson Vertraute des Versuchsleiters.
Auf einem Bildschirm vor dieser Gruppe wurde eine Linie dargeboten. Neben dieser Referenzlinie wurden drei weitere Linien eingeblendet und es war die Aufgabe der Personen, einzuschätzen, welche dieser drei Vergleichslinien gleich lang wie die Referenzlinie war. Wichtig ist dabei, dass bei jedem Durchgang eine der Linien sehr deutlich gleichlang wie die Referenzlinie war (siehe Bild). In der Kontrollgruppe sollten die Vertrauten des Versuchsleiters ihre wahre Einschätzung in der Gruppe äußern, welche Linie die gleichlange sei. Erwartungsgemäß macht die Versuchsperson, die mit den heimlichen Vertrauten am Tisch sitzt, in dieser Bedingung kaum Fehler (0,7 %).
In der Experimentalgruppe fanden jeweils 18 Schätzungen statt. Während sechs dieser Durchgänge waren die heimlichen Vertrauten instruiert, ein richtiges Urteil abzugeben (um glaubhaft zu erscheinen). Während der verbliebenen zwölf Durchgänge (zufällig unter die sechs richtigen gemischt) sollten die Vertrauten einstimmig ein falsches Urteil abgeben. Unter dieser Bedingung blieb keine Versuchsperson fehlerfrei. Im Durchschnitt begingen die Versuchspersonen 37 % Fehler, jeder passte sich also im Durchschnitt in etwa einem Drittel der Fälle der Mehrheit an (trotz offensichtlicher Fehlentscheidung). Das ist aber eine geschönte Darstellung, da fast alle mindestens einen Fehler trotz offensichtlicher Fehlentscheidung begingen.
Dieses Originalexperiment ist später in einer Vielzahl von Varianten repliziert worden. Es ergab sich, dass mit zunehmender Größe der Gruppe mehr Konformität erzeugt wird. Mit steigender Gruppengröße nähert sich die Konformitätsrate asymptotisch einer Geraden an.
Wird die Einstimmigkeit der heimlichen Vertrauten bei einem falschen Urteil aufgebrochen, da einer von ihnen noch falscher urteilt, begehen die Versuchspersonen deutlich weniger Fehler. In diesem Fall scheinen sie sich zu trauen, ihre richtige Minderheitenmeinung zu äußern, da auch andere eine Minderheitenmeinung vertreten. Zu einer ähnlichen Senkung der Konformitätsrate führt soziale Unterstützung: Stimmt einer der Vertrauten der Versuchsperson zu, bestehen diese fast immer auf ihre richtige Einschätzung.
Im Oktober 2011 veröffentlichten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und für Psycholinguistik im niederländischen Nijmegen eine Studie, die sie an 96 Vierjährigen gemacht hatten. Ergebnis: diese Kinder unterstützen mitunter öffentlich selbst dann eine Mehrheitsmeinung, wenn sie sie eigentlich für falsch halten. Die Forscher vermuten grundlegende soziale Erwägungen, etwa den Wunsch, von der Gruppe akzeptiert zu werden.[1]
Siehe auch
Literatur
- E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. Pearson Studium. 6. Auflage 2008. ISBN 978-3-8273-7359-5
- Avermaet, Eddy von (1996). Sozialer Einfluss in Kleingruppen. In Stroebe, Hewstone und Stephenson (Hrsg.). Sozialpsychologie (S. 503 - 543). Berlin: Springer-Verlag. ISBN 3-540-61268-8
- Brehm, S., Kassin, S., Fein, S. (2004): "Social Psychology" (6th ed.). Boston: Houghton Mifflin.
- Sader, M. (1994). Psychologie der Gruppe. Weinheim; München: Juventa Verlag. ISBN 3-7799-0315-6
Weblinks
- Helmut Lukesch: Sozialpsychologie der Schule und Familie - Gruppenzwang
- Studie im New Scientist: Ratten sind auch nur Schafe über Gruppenzwang bei Ratten.
Einzelnachweise
- ↑ mpg.de 25. Oktober 2011: Gruppenzwang schon im Vorschulalter spiegel.de Oktober 2011: Kleine Opportunisten
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