Gruppenübertragungspotential

Gruppenübertragungspotential

Das Gruppenübertragungspotential beschreibt in der Biochemie die Fähigkeit, chemische Energie in Bindungen zu speichern.

Lebewesen brauchen Energie in Form von ATP. Diese Energie muss in dem Ausmaß ersetzt werden, wie sie verbraucht wird. Der Begriff Gruppenübertragungspotential wird zumeist verwendet, um die Richtung des Energieflusses zu beschreiben: je negativer das ΔG (ausgedrückt als freie Standardenthalpie ΔGo´ ), desto bereitwilliger (exergoner) die Reaktion.

Für die Synthese von ATP aus ADP werden somit phosphorylierte Metaboliten mit hohem Gruppenübertragungspotential benötigt. Andererseits kann ATP Metabolite wie Glukose phosphorylieren, da es über ein höheres Gruppenübertragungspotential verfügt als die entstehenden Glukose-Phosphate.

Die Gruppenübertragung auf einen Akzeptor erfolgt immer dann leicht, wenn die Reaktion exergon ist, d.h. wenn die freie Enthalpieänderung ein negatives Vorzeichen hat. Will man die Leichtigkeit der Gruppenübertragung für verschiedene Systeme vergleichen, so benötigt man eine Referenzverbindung als Akzeptor. Als solche hat man Wasser gewählt, so dass die folgenden Daten als Änderung der freien Standardenthalpie während einer Hydrolyse zu werten sind:

Gruppenübertragungspotentiale ΔGo´ unter Standardbedingungen, d.h. bei pH 7 und 25 °C
Reaktion ΔGo´ in [kJ/mol]
PEP → Pyr + Pi -62
1,3-BPG → 3-PG + Pi -54
SuccinylCo → Succinat + CoA -44
Kreatin-phosphat → Kreatin + Pi -43
Arg-P → Arg + Pi -38
ATP → AMP + PPi -37
ATP → ADP + Pi -35
AcetylCoA → Acetat + CoA -35
UDP-Glc → UDP + Glc -31
Mg-ATP → Mg-ADP + Pi -21
G-1P → Glc + Pi -17
G-6P → Glc + Pi -14

Pi, anorganisches Phosphat; PPi, anorganisches Pyrophosphat. Nicht erklärte Abkürzungen finden sich unter "Gluconeogenese"

Hieraus ergibt sich unter anderem:

  • Glukosephosphate (G-1P und G-6P) sind thermodynamisch stabiler als ATP;
    • formal wären sie durch Umkehrung der Hydrolysereaktion leichter zu erzeugen als ATP;
  • In Gegenwart eines geeigneten Enzyms (Glucokinase, Hexokinase) ließe sich der Phosphatrest bereitwillig von ATP auf Glukose (Glc) übertragen;
  • zur ATP-Erzeugung eignen sich nur Metaboliten, deren Gruppenübertragungspotential über jenem von ATP liegt wie zum Beispiel
    • Arginin-phosphat (Arg-P); eine Reaktion die in Crustaceen zum ATP-Gewinn eingesetzt wird;
    • Kreatin-Phosphat, das als Energiereserve des Skelettmuskels schnell Energie (ATP) bereitstellen kann;
    • Succinyl-CoA, das (über Succinyl-Phosphat) im Citratzyklus zum GTP-Gewinn dient;
    • 1,3-Bisphosphoglycerat (1,3-BPG) und Phosphoenolpyruvat (PEP), energiereiche Metaboliten, die dem ATP-Gewinn in der Glykolyse dienen. Für PEP folgt die Gleichgewichtslage aus der folgenden Betrachtung:


\begin{array}{lcll}
\text{PEP} &\xrightarrow{-\text{H}_2\text{O}} & \text{Pyr}+\text{P}_i
& -60 \text{kJ}/\text{mol}\\
\text{ADP}+\text{P}_i &\xrightarrow{\text{H}_2\text{O}} & \text{ATP}
& +35 \text{kJ}/\text{mol}\\
&&&\\
\text{PEP}+\text{ADP} &\longrightarrow &\text{Pyr}+\text{ATP}
& -25 \text{kJ}/\text{mol}
\end{array}

  • Die Kopplung einer stark exergonen Reaktion (Überführung von Phosphoenolpyruvat (PEP) in Pyruvat) mit einer endergonen Reaktion (ATP-Synthese aus ADP) ergibt eine exergone Reaktion, die zur Bereitstellung von Energie eingesetzt werden kann.

Diese Rechnung zeigt das Prinzip, aber nicht unbedingt die Realität. So liegen phosphorylierte Metaboliten in der Zelle zumeist als Magnesiumsalze vor. Daraus ergeben sich Abweichungen, wie am Beispiel der Hydrolyse von ATP bzw. Mg-ATP gezeigt (Tabelle).

Siehe auch


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gruppenübertragungspotenzial — Das Gruppenübertragungspotential beschreibt in der Biochemie die Fähigkeit, chemische Energie in Bindungen zu speichern, oft ausgedrückt als die auf den physiologischen pH 7 bezogene freie Standardenthalpieänderung ΔG0’. Die freie… …   Deutsch Wikipedia

  • Substratkettenphosphorylierung — Bei der Substratkettenphosphorylierung, auch Substratstufenphosphorylierung oder Substratphosphorylierung genannt, wird das bei allen Organismen als unentbehrlicher Energieüberträger des Zellstoffwechsels fungierende Adenosintriphosphat (ATP)… …   Deutsch Wikipedia

  • Chemolithotrophie — Der Ausdruck Chemotrophie kommt von altgriechisch χυμειοτροφεῖα, chimiotrofía die chemische Ernährung, der Wortteil chem vielleicht von altägyptisch „chemi“ = schwarz (siehe auch Kemet) → arabisch „Alchemie“ → „Chemie“; siehe Näheres bei Alchemie …   Deutsch Wikipedia

  • Chemotrophie — (aus altgr. χυμειοτροφεῖα chymeiotropheía, „chemische Ernährung“ ) ist die bei gewissen Lebewesen vorherrschende Gewinnung von Energie aus chemischen (exergonen) Stoffumsetzungen. Solche Lebewesen werden als chemotroph bezeichnet.… …   Deutsch Wikipedia

  • Freie Enthalpie — Die Gibbs Energie G, benannt nach dem US amerikanischen Physiker Josiah Willard Gibbs, ist ein thermodynamisches Potential mit den natürlichen unabhängigen Variablen Temperatur T, Druck P und Stoffmenge n. Im deutschen Sprachraum wird die Gibbs… …   Deutsch Wikipedia

  • Freie Reaktionsenthalpie — Die Gibbs Energie G, benannt nach dem US amerikanischen Physiker Josiah Willard Gibbs, ist ein thermodynamisches Potential mit den natürlichen unabhängigen Variablen Temperatur T, Druck P und Stoffmenge n. Im deutschen Sprachraum wird die Gibbs… …   Deutsch Wikipedia

  • Freie Standardbildungsenthalpie — Die Gibbs Energie G, benannt nach dem US amerikanischen Physiker Josiah Willard Gibbs, ist ein thermodynamisches Potential mit den natürlichen unabhängigen Variablen Temperatur T, Druck P und Stoffmenge n. Im deutschen Sprachraum wird die Gibbs… …   Deutsch Wikipedia

  • Freie Standardenthalpie — Die Gibbs Energie G, benannt nach dem US amerikanischen Physiker Josiah Willard Gibbs, ist ein thermodynamisches Potential mit den natürlichen unabhängigen Variablen Temperatur T, Druck P und Stoffmenge n. Im deutschen Sprachraum wird die Gibbs… …   Deutsch Wikipedia

  • Gibbs' freie Energie — Die Gibbs Energie G, benannt nach dem US amerikanischen Physiker Josiah Willard Gibbs, ist ein thermodynamisches Potential mit den natürlichen unabhängigen Variablen Temperatur T, Druck P und Stoffmenge n. Im deutschen Sprachraum wird die Gibbs… …   Deutsch Wikipedia

  • Gibbs-Potential — Die Gibbs Energie G, benannt nach dem US amerikanischen Physiker Josiah Willard Gibbs, ist ein thermodynamisches Potential mit den natürlichen unabhängigen Variablen Temperatur T, Druck P und Stoffmenge n. Im deutschen Sprachraum wird die Gibbs… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”