- Guggisberglied
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Das Lied vom Vreneli ab em Guggisberg (auch vereinfacht Guggisberglied genannt) ist wohl das älteste noch bekannte Schweizer Volkslied. Es wurde erstmals 1741 erwähnt, die älteste erhaltene Textvariante stammt von 1764.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Das traurige Lied basiert vermutlich auf einer wahren Handlung aus den Jahren zwischen 1660 und 1670. Es handelt von einem „Vreneli“ (schweizerdeutsch für „Verena“) aus Guggisberg, ihrem Auserwählten aus schlechteren Verhältnissen und seinem Nebenbuhler von einem besserem Hof. Die beiden Männer haben eine Schlägerei. Weil der „Simes Hans-Joggeli“ (Simons Hans-Jakob) glaubt, seinen reicheren Kontrahenten im Handgemenge umgebracht zu haben, flieht er und tritt, wie damals üblich, in fremde Kriegsdienste ein. Als er nach Jahren vernimmt, dass sein Gegner doch überlebt hat, kehrt er nach Hause zurück, doch ist sein Vreneli aus Kummer („das Mühlrad gebrochen, das Leiden ein End“) schon gestorben.
Als Ort der Handlung kann die Gegend um Guggisberg (bei Schwarzenburg, südlich von Bern) angenommen werden. Der „Simelibärg“ läge demnach zwischen Guggisberg, der Heimat des Vreneli, und dem Weiler Wyden, in dem sich angeblich bis heute ein Haus mit dem Namen „ds Simeli“ (des Simon) befindet.[1]
Text
Auf Grund der mündlichen Überlieferung gibt es verschiedene Textvarianten, hier diejenige aus der Homepage der Gemeinde Guggisberg. Die unverkennbare Melodie hingegen ist meist dieselbe.
1. 's isch äben e Mönsch uf Ärde - Simelibärg!
KV: Und ds Vreneli ab em Guggisbärg
und ds Simes Hans-Joggeli änet dem Bärg -
's isch äben e Mönsch uf Ärde,
dass i möcht bi-n-ihm si.
2. Und mah-n-er mir nit wärde,
vor Chummer stirben-i.
3. U stirben-i vor Chummer,
so leit me mi i ds Grab.
4. I mines Büelis Garte
da stah zweu Bäumeli.
5. Das eini treit Muschgate,
das andri Nägeli.
6. Muschgate, die si süess
und d'Nägeli si räss.
7. I gib's mim Lieb z' versueche,
dass 's miner nit vergäss.
8. Ha di no nie vergässe,
ha immer a di dänkt.
9. Es si numeh zweu Jahre,
dass mi han a di ghänkt.
10. Dört unden i der Tiefi,
da steit es Mülirad.
11. Das mahlet nüt as Liebi,
bi Nacht und au bi Tag.
12. Das Mühlirad isch broche,
mys Lyd(e), das het en Änd.
13. Wenn zwöi vo enander scheide
de gä si enander d Händ.Musik
Die schlicht-feierliche Moll-Weise deutet auf den Einfluss des Kirchenliedes im 16. Jahrhundert hin. Sie ist erstmals gedruckt 1818 in der Sammlung Schweizerischer Kuhreihen von G.J. Kuhn. Im 19. Jahrhundert wurde auch eine Dur-Melodie nach Hans Nydegger gebräuchlich (Männerchorsatz von Karl Munzinger 1890).[1] Es ist eines der sehr seltenen Schweizer Volkslieder in Moll.
Charakteristik
Der Inhalt des Liedes ist sehr emotional. Verschiedenen Quellen zufolge soll in alten Zeiten in Schweizer-Regimentern in fremden Kriegsdiensten die Todesstrafe auf das Absingen des Liedes gestanden haben, da es das Heimweh, früher auch Schweizerkrankheit genannt, förderte.[2]
Sprache und Reimschema deuten auf ein hohes Alter hin (wahrscheinlich 17. Jahrhundert), der Kehrreim und die beiden Strophen „U stirben-i vor Chummer“ und „Das Mühlirad isch broche“ sind wohl späteren Datums. Die Strophen 4-7 und 10-11 sind Gemeingut der deutschen Volkspoesie und finden sich als Wanderstrophen in vielen alten Volksliedern.[1]
Geschichte
Das „alte Gugisberger Lied“ wird erstmals im Jahre 1741 erwähnt. In der 13. Strophe eines Einladungsgedichtes des Franz Ludwig Steiger, Landvogt zu Wimmis, an Schultheiss Frisching in Thun («Reime über das Käsmahl zu Wimmis A° 1741») heisst es: „Nun hört, jetzt geht die Music an, / der Dorfmagister lobesan / will selbsten eins vorsingen. / Das Vreneli ab dem Guggisberg / und Simes Hans Jogeli änet dem Berg / vortrefflich tun erklingen.“ Und 1756 weist im Basler „Helvetischen Patriot“ die Liebesgeschichte „Die schöne Alpmeyerin oder das Verenichen ab dem Guggisberge“ darauf hin, dass das Lied damals in Basel und Umgebung schon allgemein bekannt gewesen sein muss. Das Schweizerische Volksliedarchiv Basel verwahrt einen Sammelband von Fliegenden Blättern (aus Sissach), etwa 1750-1780, welcher eine frühe hochdeutsche Fassung der ersten beiden Strophen enthält.[1]
Spätere Bearbeitungen
Es gibt verschiedene moderne Interpretationen, die sogar regelmässig in den Charts auftauchen, so solche von Stephan Eicher, Christine Lauterburg (Trilogie: "Jimmy-Flitz e Reis dür d Schwyz") der Geschwister Pfister („The Voice of Snowwhite“), Angelheart (unter dem Titel "If ever" der Sommerhit 2001) und von vielen Volkschören. Übersetzungen und Neuinterpretationen soll es auch in Englisch, Russisch oder Türkisch geben.[2] Nach dieser Quelle soll auch Franz Liszt die Melodie bearbeitet haben. Für Blasmusikformationen in Brass Band- und Harmonie-Besetzung existiert ein Arrangement (geschrieben 1998) von Thomas Rüedi. In der zeitgenössischen Musik findet das Lied Eingang in das 2008 komponierte zweite Streichquartett ("Guggisberg-Variationen") des Schweizer Komponisten David Philip Hefti.
Weblinks
- Das Guggisberglied auf der Website der Gemeinde Guggisberg BE
- Text und Melodie sowie Hörprobe des Guggisbergliedes
Quellen
- ↑ a b c d in: Neues Basler Singbuch, Lehrmittelverlag Basel-Stadt, 1969
- ↑ a b Máximo Lieder. Musik für Feuerzeuge, in: Die Weltwoche, 26/2005
Kategorien:- Volkslied
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