Habsburgische Heiratspolitik

Habsburgische Heiratspolitik

Die Heiratspolitik der Habsburger ist eng verknüpft mit dem Motto Bella gerant alii, tu felix Austria nube. – „Kriege mögen andere führen, Du – glückliches Österreich – heirate!“, welches die Vorgehensweise treffend charakterisiert.

Das vollständige Distichon lautet "Bella gerant alii, tu felix Austria nube. Nam quae Mars aliis, dat tibi diva Venus." (Kriege führen mögen andere, du glückliches Österreich heirate. Denn was Mars den anderen, gibt dir die göttliche Venus.)

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund und Herkunft des Mottos

Dieses Zitat ist die erste (Hexameter-)Zeile eines Distichons, welche Bezug nimmt auf Ovids Heroides (13,82). Dort heißt es: Bella gerant alii, Protesilaos amet. „Kriege führen mögen andere, Protesilaos soll lieben.“

Im Vorfeld des Trojanischen Krieges prophezeite ein Orakelspruch den Tod jenes Griechen, welcher als erster trojanischen Boden betreten wird. Der Held Protesilaos wurde, nachdem er nach seiner Hochzeit mit Laodameia nach Troja aufgebrochen war, durch die Hand Hektors getötet. Die Götter gewährten ihm trotz seines Todes eine Rückkehr zu seiner Gemahlin, welche er für wenige Stunden lieben durfte. Aus Liebe folgte Laodameia ihrem Gemahl in den Tod.

Verschiedene Auslegungen von „...tu felix Austria, nube!“

Der Vers „…tu felix Austria, nube!“ kann auf verschiedene Art und Weisen verstanden werden. Auf der einen Seite drückt er das Geschick der Habsburger aus, Bündnisse, Territorialerweiterungen etc. durch günstige Eheschließungen zu erreichen. Auf der anderen Seite kann er auch als Spottvers verstanden werden, welcher gerade diese Vorgehensweise als mangelnde Fähigkeit, Ziele durch kriegerische Auseinandersetzung oder politisches Vorgehen umzusetzen, kritisiert.

Anwendung als Spottvers durch Matthias Corvinus

Eine Möglichkeit der Umformulierung des Ovid-Zitats ist Matthias Corvinus, dem ungarischen König (1458 bis 1490), zuzuschreiben, der als Gegenspieler des kriegsscheuen Kaisers Friedrich III. zu verstehen ist. Trotz seiner langen Regierungszeit gilt Friedrich III. politisch gesehen als eher schwacher Kaiser. Gleichwohl handelte er mit Karl dem Kühnen die Heirat zwischen seinem Sohn Maximilian, dem späteren Kaiser Maximilian I., und Maria von Burgund aus. Durch diese Heirat 1482 wurden die Niederlande, welche hohe finanzielle Kraft besaßen, für das Haus Habsburg erworben. Das Haus Habsburg stieg somit zur europäischen Großmacht auf. Der Territorienerwerb sollte das Reich gegen die Bedrohung durch Frankreich stärken. Ein weiteres Beispiel für die Verhinderung einer kriegerischen Auseinandersetzung anhand einer Heirat ist die Eheschließung der Tochter Friedrichs III., Kunigunde von Österreich, und dem Herzog Albrecht von Bayern. Albrecht nahm widerrechtlich Reichslehen in Anspruch und hielt um Kunigundes Hand an mit dem „Kompromiss“, Friedrich III. könne dieses Reichslehen Kunigunde als Mitgift mit in die Ehe geben. Um einen Krieg aus dem Wege zu gehen, stimmte Friedrich III. diesem Vorschlag zu.

Wahlspruch Maximilians I.

Maximilian I. und seine Familie

Eine andere Möglichkeit, das Ovid-Zitat zu deuten, ist, die Heiratspolitik der Habsburger als besonderes Geschick zu verstehen. Ein gutes Beispiel hierfür liefert die Gestalt Maximilians I., Sohn Friedrichs III. Aus der Ehe mit Maria von Burgund gingen zwei Kinder hervor: Philipp „der Schöne“, der spätere Philipp I., und Margarethe von Österreich. Durch die antifranzösische Allianz mit Spanien wurde die Doppelhochzeit zwischen Philipp dem Schönen und Juana von Spanien und zwischen Margarethe und Juan von Spanien arrangiert. Diese Doppelhochzeit sollte beiden Mächten als enges Bündnis gegen Frankreich dienen. Durch eine Verkettung von Todesfällen aller spanischen Thronfolger fiel das Erbe der spanischen Könige nach dem Tod Ferdinands II. von Aragon auf Juanas und Philipps Sohn Karl, dem späteren Karl V. Dadurch stieg das Haus Österreich zur europäischen Hegemonialmacht auf. Zugleich entzündete sich an der seiner Heirats- und Bündnispolitik der über 200 Jahre währende Habsburgisch-französische Gegensatz.

Wichtige Persönlichkeiten habsburgischer Heiratspolitik

Im vorangehenden Teil wurden bereits einige dynastische Eheschließungen beschrieben, deren Folgen günstig zum Aufstieg der Habsburger beitrugen. Der folgende Teil soll weitere „Fälle“ von Heiraten beschreiben, mit welchen die Intention der Erweiterung der habsburgischen Erblande oder der Bekräftigung von Bündnissen verbunden ist.

Maria Theresia als Heiratsstifterin

Porträt von Marie Antoinette

Auch Maria Theresia versuchte durch günstige Eheschließungen ihrer Kinder den politischen Einfluss an fremden oder weit entfernten Höfen auszuweiten. Die Heiraten sollten den habsburgischen Erblanden Bündnisse mit anderen Dynastien zum Beistand gegen Preußen in Form von Friedrich II. schaffen. Hier seien zwei Beispiele herausgegriffen. Maria Theresias Tochter Maria Karolina wurde 1768 mit König Ferdinand I. von Neapel-Sizilien verheiratet. Durch die Verbindung mit dem Bourbonen erhoffte sich Maria Theresia nicht nur Machtzuwachs für das Haus Österreich, sondern auch eine bessere Kommunikation der beiden Dynastien. Zu dieser Zeit herrschte das Haus der Bourbonen über Frankreich, Spanien, Neapel-Sizilien und Parma. Maria Theresia wies ihren Töchtern die Rolle einer Herrschergattin zu. Dazu gehörten Repräsentation, Unterhaltung und Zurückhaltung. Diese Pflichten übte Maria Karolina nur teilweise aus. Sie engagierte sich politisch (soweit dies für eine Herrschergattin möglich war) und förderte die Eigenständigkeit Neapel-Siziliens, welches zur damaligen Zeit in großer Abhängigkeit zu Spanien stand. Dieser Einsatz lag nicht in der Absicht Maria Theresias. Der Briefwechsel zwischen ihr und Maria Karolina zeigt die Unzufriedenheit Maria Theresias über das Verhalten ihrer Tochter, welches nicht Maria Theresias Plänen entsprach. Ähnlich verhält es sich mit der Entwicklung Marie Antoinettes am französischen Hof.

1770 wurde die fünfzehnjährige Marie Antoinette, die jüngste Tochter Maria Theresias, mit dem französischen Dauphin Ludwig, dem späteren Ludwig XVI., verheiratet. Die dahinter liegende Absicht war Einflussnahme auf die französische Politik des Königs Ludwig XV. und später auf die Ludwigs XVI. Maria Theresia versprach sich auch durch diese Verbindung Beistand gegen den Erzfeind aus Preußen. Zur Erfolgsanalyse dieses Unternehmens kann auch hier der Briefwechsel zwischen Mutter und Tochter herangezogen werden. Maria Theresia kritisiert den Lebensstil ihrer Tochter und die mangelnde Ausübung ihrer Pflichten. Sie ermahnt Maria Antoinette ihr luxuriöses Leben einzuschränken, ihre Gebete sorgsam zu sprechen und ihren Aufgaben als Tochter Österreichs am französischen Hof nachzukommen.

Marie Louise von Österreich und Napoléon Bonaparte

Für die Eheschließung mit Marie Louise von Österreich ließ Napoléon Bonaparte die Ehe mit seiner bisherigen Gemahlin Joséphine im Jahr 1810 wegen Kinderlosigkeit scheiden. Mit dieser Heirat waren große Erwartungen geknüpft. Auf der einen Seite beabsichtigte Franz I., Kaiser von Österreich und Marie Louises Vater, eine Festigung des französisch-österreichischen Bündnisses. Napoléon hingegen erhoffte sich durch diese Verbindung die Legitimation seines französischen Kaiserreiches und den langersehnten Thronerben. Marie Louise war mit ihrem Schicksal als Kaiserin von Frankreich an Napoléons Seite weniger zufrieden. Sie verabscheute Napoléon und bezeichnete ihn als Antichristen. Dennoch fügte sie sich dieser Entscheidung und heiratete Napoléon am 1. April 1810 in Paris. Metternich sprach den treffenden Satz „Kann man zwischen dem Untergang einer ganzen Monarchie und dem persönlichen Unglück einer Prinzessin wählen?". Die Meinungen über die Heirat zwischen Marie Louise von Österreich und Napoléon Bonaparte erstreckten sich über die Hoffnung auf Frieden bis hin zu Empörung über diese nationale Demütigung.

Literatur

  • Alfred von Arneth (Hrsg.): Maria Theresia und Marie Antoinette. Ihr Briefwechsel. Leipzig 1866
  • Rainer Babel: Zwischen Habsburg und Bourbon. München 1986
  • Heinz-Dieter Heimann: Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche. München 2004
  • Manfred Hollegger: Maximilian I. (1459–1519). Herrscher und Mensch einer Zeitenwende. Stuttgart 2005
  • Thea Leitner: Habsburgs verkaufte Töchter. Wien 1987
  • Karl Nehring: Matthias Corvinus, Kaiser Friedrich III. und das Reich. Zum hunyadisch-habsburgischen Gegensatz im Donauraum. München 1975
  • Eva Maria Roschitz: Das System der habsburgischen Heiraten zur Zeit Maximilians I. Graz 1972
  • Adam Wandruszka: Maria Theresia. Die große Kaiserin. Göttingen 1980

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