Haus der Kinder

Haus der Kinder
Theater an der Parkaue mit neuem Schriftzug (rechte Seite).
Der Turm gehört zur Hochschule für Schauspielkunst.
Aufnahme 2007

Das Theater an der Parkaue in Berlin-Lichtenberg ist das größte und einzige staatliche Kinder- und Jugendtheater in Deutschland. Es belegt eine Hälfte eines früheren Schulgebäudes und wurde 1948 auf Anordnung der sowjetischen Militäradministration gegründet. Die andere Hälfte des Schulgebäudes war das Haus der Kinder bzw. das Zentralhaus der Jungen Pioniere (auch kurz Pionierhaus). Das Gebäudeensemble steht unter Denkmalschutz.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Hauses: Schule

Höhere Schule

Der U-förmige Gebäudekomplex mit der heutigen Hausadresse Parkaue 23–29 wurde 1910/11 nach den Entwürfen des Stadtbaurates Johannes Uhlig und des Architekten Wilhelm Grieme als höhere Knabenschule (Gymnasium) errichtet. Architektonisch ist der viergeschossige Putzbau an die Renaissance angelehnt; ihm unmittelbar angeschlossen war das ehemalige Rektorenwohnhaus auf der linken Seite mit einem kleinen Wandbrunnen.

Im Zuge der nationalsozialistischen Maßnahmen zur Instrumentalisierung von Bildung und Erziehung wurde die Schule am 27. Januar 1934 in Joseph-Goebbels-Schule umbenannt. Das Gebäude überstand den Krieg nahezu unbeschädigt.

Gesamtes Gebäude mit vorherigem Schriftzug mit Flugzeug-Symbol; Stand Mai 2007

Haus der Kinder 1948–1995

Nach Reparaturen und Beginn des Schulbetriebs erließ am 30. Juni 1948 die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) den „Befehl 65“, eine Anordnung zur Umwidmung des Schulgebäudes für kulturelle Zwecke. Nach Faschismus und Krieg sollten Kindern und Jugendlichen neue Kulturinhalte vermittelt und Freizeitmöglichkeiten angeboten werden. Der Bauhausschüler Waldemar Alder und sein Partner Waldemar Heinrichs erarbeiteten die Um- und Ausbaupläne. Die neue Raumausstattung wurde in den Deutschen Werkstätten Hellerau hergestellt. Nach der Fertigstellung wurde die ehemalige Schule das „Haus der Kultur der Sowjetunion, Filiale für Kinder“. Aufgrund des Befehls 65 wurden Räumlichkeiten für Instrumentalunterricht, Chorgesang, Volkstanz, Ballett, Schauspiel, Sprachen, Geschichte, Naturkunde, Fotografie und Kunstgewerbe hergerichtet. Das Dachgeschoss wurde zu einer Miniatursternwarte ausgebaut. Werkstätten für Holz, Metall und Elektrotechnik, Ateliers für Malerei, Bildhauerei und Keramik sowie eine Bibliothek, ein Lesesaal, ein Kino und ein Theater dienten fortan der Freizeitgestaltung der Kinder und Jugendlichen.

Das „Haus der Kinder“ 1953; mit Bild von Stalin und Trauerflor, der gerade gestorben war

Ab 1959 hieß das Haus Zentralhaus der Jungen Pioniere.[2] Nach dem spektakulären Weltraumflug des zweiten sowjetischen Kosmonauten und dessen Besuch in Berlin erhielt dieses Haus ab 1963 den Namen Pionierhaus German Titow.

Etwa um 1980 hatte der Magistrat von Berlin dem Pionierhaus ein ausgedientes sowjetisches Flugzeug zur Verfügung gestellt, das auf einer Freifläche neben dem Gebäude aufgestellt wurde und unter anderem ein Kosmonautenstudio beherbergte.

alter figürlicher Schmuck über dem Eingang der heutigen Hochschule für Schauspielkunst

Bis zur politischen Wende in der DDR diente das Pionierhaus vielen Arbeitsgemeinschaften als Heimstatt. - Im Jahr 1982 besuchten mehr als 2.000 Kinder regelmäßig und kostenlos die 130 Arbeitsgemeinschaften, zu denen Elektrotechnik, Chemotechnik, Schiffsmodellbau, Pionierfahrschule, Klub der Astronauten, Klub Internationale Freundschaft, Arbeitsgemeinschaft Kunsterziehung, Sinfonieorchester, Volksinstrumentenorchester, Tanz, Ballett, Chor, Pioniertheater, Kabarett, Puppentheater, Schattenspiel, Naturwissenschaft, Schach, Philatelie, Junge Historiker, Tierzucht, verschiedene Sportgruppen gehörten. 38 hauptamtliche und 90 ehrenamtliche Pädagogen leiteten die Interessengruppen. Im Jahresdurchschnitt zählte das Pionierhaus 360.000 junge Besucher aber auch ausländische Gäste, die sich über diese umfangreichen Freizeitangebote informieren konnten.

Als das Pionierhaus 1990 aufgelöst wurde, gab es kurzzeitig unterschiedliche Nutzungen, so siedelte sich in einigen Räumen die Musikschule Lichtenberg an, Jugendklubs mieteten Räume, jedoch standen viele Räume leer. Das Kosmonatenstudio-Flugzeug entschwand irgendwann.

Hochschule für Schauspielkunst und Das Weite Theater ab 1995

Die Kulturprojekte Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, Abt. Puppenspielkunst, sowie der Verein Das Weite Theater für Puppen und Menschen e.V. fanden nun in den Räumen eine neue Unterkunft.

Geschichte des Hauses: Theater

Theater der Freundschaft 1948–1991

Theater der Freundschaft, 1950
Zuschauerraum des Theaters der Freundschaft 1950

Der rechte Flügel des Gebäudes, mit der ehemaligen Aula, wurde durch die Umwidmung ein Kinder- und Jugendtheater, das den Namen Theater der Freundschaft erhielt.

Zur Eröffnung des neuen Theaters war die Aufführung von „Du bist der Richtige“ durch den ersten Intendanten Hans Rodenberg geplant, sie musste jedoch auf Grund von Problemen bei der Materialbeschaffung verschoben werden. (Das Stück wurde im „Theater des Hauses der Sowjetischen Kultur“ (ab 1952 dann „Maxim-Gorki-Theater“) gespielt). Das neue „Theater der Freundschaft“ konnte am 16. November 1950 eingeweiht werden.

Ilse Weintraut-Rodenberg übernahm 1959 für fast 15 Jahre die Intendanz des ersten reinen Kinder- und Jugendtheaters in Berlin. Ab 1973 folgten Klaus Urban, Dr. Siegfried Wein und Siegfried Nürnberger als Intendanten sowie Horst Hawemann, Wolfgang Engel, Mirjana Erceg, Carl-Herrmann Risse und Konrad Zschiedrich als Regisseure an diese Bühne. Generationen von Kindern und Jugendlichen besuchten die vielfältigen Vorstellungen, die häufig von Nachwuchsschauspielern gestaltet wurden.

Im Jahre 1980 erhielt der Platz vor dem Theater den Ehrennamen Hans-Rodenberg-Platz, den er bis zum 17. März 1995 trug.

carrousel theater 1991–2005

1991 berief der Senat Manuel Schöbel an das Haus. Der damals jüngste Intendant Deutschlands begann seine erste Spielzeit mit sieben Premieren in nur vier Tagen und die zweite Spielzeit mit einem neuen Namen für das Haus: „carrousel Theater an der Parkaue“. Er konnte ab 1991 das Deutsche Kinder- und Jugendtheater-Treffen „Augenblick mal!“ an das Theater holen, das durch das Kinder- und Jugendtheaterzentrum der Bundesrepublik Deutschland alle zwei Jahre durchgeführt wird.

2004 riefen die Pläne des Berliner Senats, die Zuschüsse für das Kinder- und Jugendtheater des Landes Berlin um die Hälfte zu kürzen, heftige Gegenwehr hervor. Nachdem Mitarbeiter, Zuschauer, Freunde und Förderer des Hauses unter dem Stichwort „Ganze Menschen brauchen ganzes Theater“ ihrem Unmut Luft gemacht hatten, nahm der Senat seine Pläne zurück.

Theater an der Parkaue ab 2005

Unter dem neuen Intendanten Kay Wuschek, dem Oberspielleiter Sascha Bunge und der leitenden Theaterpädagogin/Dramaturgin Karola Marsch wurde der Standort Parkaue zum Zentrum künstlerischer Vielfalt und trägt seit August 2005 den Namen „Theater an der Parkaue“. Gespielt wird auf drei Bühnen, im Treppenhaus sowie an anderen Orten des Gebäudes. Der große Zuschauersaal ist auf 414 Personen ausgelegt, die beiden Nebenbühnen bieten jeweils 133 und 67 Besuchern Platz. Insgesamt beschäftigt das Theater 91 feste Mitarbeiter, die das Programm (über 20 Premieren in der Spielzeit 2006/2007) erarbeiten. Am 16. November 2007 wurde das Theater für Hans-Werner Kroesingers Inszenierung „Die Kindertransporte - Berliner Kinder auf dem Weg nach London“ mit dem Brüder-Grimm-Preis prämiert.

Das Theater an der Parkaue gehört zu den vier subventionierten, als Regiebetriebe geführten Sprechbühnen Berlins.

Einzelnachweise

  1. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
  2. Zeitreise durch den Bezirk Lichtenberg

Literatur

  • Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Hauptstadt Berlin. Bd. II. Institut für Denkmalpflege im Henschelverlag, Berlin 1987
  • zahlreiche Literaturstellen im Heimatmuseum Lichtenberg
  • Zentralhaus der Jungen Pioniere - ein Artikel aus der "Berliner Zeitung", etwa um 1982

Weblinks

52.51694444444413.4772222222227Koordinaten: 52° 31′ 1″ N, 13° 28′ 38″ O


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