Heinrich Wölfflin

Heinrich Wölfflin
Heinrich Wölfflin (Foto von Rudolf Dührkoop)

Heinrich Wölfflin (* 21. Juni 1864 in Winterthur; † 19. Juli 1945 in Zürich) war einer der bedeutendsten Schweizer Kunsthistoriker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Er war Sohn des klassischen Philologen Eduard Wölfflin. 1893 wurde er als Nachfolger seines Lehrers Jacob Burckhardt Professor für Kunstgeschichte an der Universität Basel. Es folgten Berufungen an die Universitäten Berlin 1901, München 1912 und Zürich 1924. Zu seinen Schülern zählen August Grisebach, Ernst Gombrich, Kurt Gerstenberg, Carl Einstein, Hermann Beenken, Ernst Gall, Max Sauerlandt und Hans Rose. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Basler Wolfgottesacker.

Systematik

Sein kunsthistorischer Ansatz wird als Formalismus bezeichnet, da er Kunstwerke vor allem nach ihrer äußeren Form, also ihrem Stil, betrachtete. Er war einer der ersten Kunsthistoriker, der in seinen Vorlesungen konsequent zwei Diaprojektoren verwendete, die es ihm erlaubten, zwei Kunstwerke direkt miteinander zu vergleichen.[1] Hauptsächlich über den Vergleich von Werken der Renaissance mit Werken des Barock entwickelte er in seinem Hauptwerk Kunstgeschichtliche Grundbegriffe (1915) fünf begriffliche Gegensatzpaare, mit denen formale Unterschiede zwischen Kunstwerken der Renaissance und des Barock beschrieben werden können:

Linear Malerisch
Fläche Tiefe
Geschlossen Offen
Vielheit Einheit
Klarheit Unklarheit und Bewegtheit

Mit seiner Systematik hat Wölfflin auch die Periodizität und Übertragbarkeit der Begriffe archaisch, klassisch, barock etc. begründet.

Wölfflin selbst bezeichnete seinen Ansatz als Kunstgeschichte ohne Namen, da weniger der einzelne Künstler im Zentrum seiner Betrachtungen stand als vielmehr die Entwicklung einer Stilgeschichte, in welcher er Gemeinsamkeiten der Kunst bestimmter Epochen oder Länder aufdecken und benennen wollte.

Obwohl seine Begriffspaare immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt waren, gilt seine Arbeit als eine der wichtigsten Grundlagen der formalen Kunstbetrachtung. Vor allem seine Termini linear und malerisch sind auch heute noch gängige Kategorien zur Beschreibung des künstlerischen Stils. Wölfflins Theorie eines regelmäßigen Wandels zwischen linearen und malerischen Perioden wird in der Kunst- und Literaturgeschichte als Wellentheorie bezeichnet.

Motive

In einer Zeit, als sich die Geisteswissenschaften gegen die Konkurrenz der Naturwissenschaften behaupten mussten, suchte Wölfflin objektive Kriterien für die Kunstbetrachtung und strebte dabei nach einem Brückenschlag zwischen Sinnesphysiologie und Wahrnehmungspsychologie. Seine Dissertation Prolegomena zu einer Psychologie der Architektur (1886, Ludwig-Maximilians-Universität München) bemühte sich um „ein grundlegendes Verständnis der Bedingungen, die für unsere Wahrnehmung zu allen Zeiten ihre unumstößliche Gültigkeit behalten“ (Prolegomena zu einer Psychologie der Architektur, München 1886, Nachdruck Gebr. Mann Verlag Berlin, 1999).

Literatur

  • Meinhold Lurz, Heinrich Wölfflin : Biographie einer Kunsttheorie, Worms: Werner, 1981. ISBN 3884620037

Einzelnachweise

  1. Ernst H. Gombrich: Die Kunst der Renaissance I. Norm und Form. Nachdruck Stuttgart: Klett 1985, S. 119. ISBN 3608761462

Weblinks


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